Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
die Redaktion hofft, dass Ihr gut und gesund über die Weihnachtsfeiertage gekommen seid. Wir nutzen die Zeit zwischen den Jahren, um Euch weitere interessante Urteile zum Schadensersatzrecht nach einem unverschuldeten Veerkehrsunfall bekannt zu geben. Nachfolgend veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Stade zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK24 AG. Eine prima Entscheidung des Amtsgerichts Stade, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht
Stade
63 C 489/15
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK 24 AG, vertr. d. d. Vorstand, dieser vertr. d.d. Vorstandsvorsitzenden Detlef Frank und Daniel Thomas, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Stade im Verfahren gem. § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 28.10.2015 durch den Richter Dr. L.
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 59,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 59,78 € festgesetzt.
Tatbestandes
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Kläger haben aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der restlichen Kosten, die dem Unfallgeschädigten durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstanden sind.
Der Anspruch des Unfallgeschädigten gegen die Beklagte, bei der das Fahrzeug des Unfallverursachers haftpflichtversichert ist, resultiert aus den §§ 7, 18 StVG i. V. mit § 115 VVG. Diesen Anspruch können die Kläger nach erfolgter Abtretung (s. Anlage K 3, Bl. 23 d.A.) gegenüber der Beklagten geltend machen.
Unstreitig sind dem Unfallgeschädigten durch die Erstellung des Sachverständigengutachtens über die Höhe des entstandenen Schadens gemäß Rechnung des Sachverständigenbüros, welches die Kläger betreiben, 456,78 € in Rechnung gestellt worden, woraufhin die Beklagte nur 397,00 € zahlte, so dass der tenorierte Restbetrag noch offen ist.
Diesen Betrag können die Kläger aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten geltend machen.
Der Geschädigte durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und kann insofern von der Beklagten als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (s. im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGB m. w. N. BGH, 6. Zivilsenat vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13).
Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde, wobei dieses Gebot vom Geschädigten nicht verlangt, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Dies bedeutet bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen, dass sich der Geschädigte damit begnügen kann, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (s. BGH, a. a. O.).
Vielmehr genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch die Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen, wie im hiesigen Rechtsstreit ebenfalls vorgelegt wurde (s. Rechnung vom 07.05.2015, Anlage K 2, Bl. 22 d. A.). Dabei kann im Übrigen nicht entscheidend sein, ob der Geschädigte diese Rechnung zum Zeitpunkt der Klage bereits beglichen hat oder nicht, denn die Darlegungslast muss diesbezüglich nach Ansicht des Gerichts einheitlich gewertet werden. Anderenfalls könnte es bei im Übrigen gleicher Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was mit dem Schutzzweck des § 249 BGB nicht vereinbar wäre.
Dieser Wertung steht im Übrigen auch die neueste Entscheidung des BGH im Bereich der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten (BGH vom 22.7.2014, VI ZR 357/13) nicht entgegen. Sie lässt die diesbezügliche Wertung des Berufungsgerichts lediglich „unbeanstandet“. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass nicht auch eine andere Wertung möglich bzw. sogar vorzugswürdig ist.
Letztlich sind nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die i. S. von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, a. a. O.).
Solche Umstände sind im Streitfall nicht festgestellt. Das Gericht teilt insofern die Einwände der Beklagten bezüglich der einzelnen Positionen nicht. Ob diese tatsächlich überhöht sind, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden: Zumindest waren sie für den Geschädigten nicht erkennbar überhöht. Hierbei muss zudem berücksichtigt werden, dass ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter in der Regel nicht über entsprechende Erfahrungswerte verfügt, wie hoch Sachverständigenkosten zur Begutachtung eines verunfallten Kfz sein dürfen bzw. welche Gepflogenheiten bei Sachverständigen bestehen, ihr Honorar zu berechnen (ob einheitliches Honorar oder Grundhonorar zzgl. Nebenkosten). Genau aus diesem Grund muss der Geschädigte auch nicht vor Beauftragung eine diesbezügliche Marktforschung betreiben.
Was die Geltendmachung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar betrifft, so ist das Gericht nicht der Ansicht, dass die Nebenkosten zwingend im Grundhonorar enthalten sein müssen. Auch erscheinen die hier in Ansatz gebrachten Positionen nicht derart unangemessen hoch, dass der Geschädigte dies hätte erkennen und einen anderen Sachverständigen zu günstigeren Konditionen hätte beauftragen müssen.
Weitere Gründe, aus denen sich vorliegend ergeben sollte, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen haben soll, sind nicht ersichtlich.
Auch der Umstand, dass vorliegend nicht der Geschädigte selbst klagt, sondern die Kläger, welche das Sachverständigengutachten selbst erstellt und in Rechnung gestellt haben, führt nicht zu einem Rechtsmissbrauch.
Die Beklagte ist vorliegend nicht rechtlos gestellt, da sie sich – sollte die Sachverständigenvergütung tatsächlich nicht üblich und angemessen sein – ggf. die Rechte des Geschädigten gemäß den §§ 315 Abs. 3 bzw. 280, 631 Abs. 1, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung hätte geltend machen können (OLG Naumburg, Urt. V. 20.01.2006 – 4 U 49/05 – NJW-RR 2006, 1029).
Dies ist, vorbehaltlich der Frage, inwieweit vorliegend das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen war, nicht geschehen.
Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 288, 291 BGB. Da die Klage der Beklagten am 11.07.2015 zugestellt wurde, waren Rechtshängigkeitszinsen ab dem 12.07.2015 zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass.
Sehr gut, inkl. bezahlte Rechnungsproblematik und Vorteilsausgleich, begründete Entscheidung nach geltenden BGB.