Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
diese Woche beginnen wir mit einem Urteil aus Hamburg-St. Georg zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die Generali Versicherung. Offenbar will de Generali auf den Zug aufspringen, den die HUK-COBURG in Bewegung gesetzt hat. Was will die Generali eigentlich damit erreichen, was der HUK-COBURG nach über 20 Jahren nicht gelungen ist? Auf jeden Fall hat das erkennende Gericht in Hamburg- St. Georg richtigerweise mit den beiden Sachverständigenkostenurteilen VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13 die Generali auf den richtigen Weg verwiesen. Lest selbst das prima Urteil des AG Hamburg-St. Georg und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-St. Georg
Az.: 914 C 122/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
Generali Deutschland Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Wienfried Spieß, Adenauerring 11, 81737 München
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 914 – durch den Richter am Amtsgericht Dr. H. am 11.11.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.01.2015 sowie weitere 70,20 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 70,79 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
1. Der Kläger hat einen Anspruch aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte auf weitere Gutachterkosten in Höhe von 70,79 € gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG, § 1 PflVG.
a) Der Kläger ist aktiv legitimiert. Die vorgelegte Abtretungsurkunde ist entgegen der Auffassung der Beklagten wirksam. Sie verstößt auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH hatte eine Abtretung mit einem gänzlich anderen Wortlaut zum Gegenstand. Dort ging es um die Abtretung aller Ansprüche aus den Unfall, die lediglich summenmäßig auf die Gutachterkosten beschränkt war. Hier geht es um die konkrete Abtretung des Anspruchs auf die Sachverständigenkosten wie der Wortlaut der Urkunde zeigt.
b) Der geltend gemachte Ersatzbetrag ist in Höhe von insgesamt 552,15 € erforderlich und angemessen. Der BGH (Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13) hat zur Erstattungsfähigkeit jüngst seine frühere Rechtsprechung bestätigt und ausgeführt (Zitat gekürzt um Nachweise):
„Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“
Unter Berücksichtigung der Grundsätze des BGH ist der Ansatz eines Honorars in Höhe von 552,15 € nicht zu beanstanden. Die Abrechnung der Gutachterkosten und deren Höhe sind für den Geschädigten nicht erkennbar deutlich überhöht geschweige denn überhöht. Der Geschädigte und der Gutachter haben eine Honorarvereinbarung getroffen, Anlage K2, worin bestimmte Preise konkret vereinbart wurden. Die entsprechende Preisliste ist ausdrücklich unterschrieben und zur Kenntnis genommen worden. Angesichts der Tatsache, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13; VI ZR 67/06), wird er in aller Regel auch von der Erforderlichkeit der angefallenen Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Anhaltspunkte für eine für den Geschädigten als solches erkennbar auffällige Missverhältnis von Preis und Leistung oder gar eines Auswahlverschuldens des Geschädigten gibt es nicht.
Das abgerechnete Grundhonorar wie auch die Nebenkosten sind nicht erkennbar nicht erkennbar unangemessen hoch gewesen wären. Es liegen bereits keine überhöhten Kosten vor. Die Positionen bewegen sich alle im Rahmen des HB V-Korridors. Das Gericht geht hier jedenfalls davon aus, dass die Werte der BVSK eine hinreichende Schätzgrundlage darstellen, um zu prüfen, ob erkennbar überhöhte Kosten vorliegen (vgl. LG Köln, 9 S 255/12 mit weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung). An der BVSK-Befragung 2013 haben etwa 95% der Mitglieder teilgenommen, etwa 840 Standorte wurden erhoben. Damit ergibt sich ein hinreichendes Bild, um nach § 287 ZPO im Rahmen einer Prüfung der Überhöhung und der Erkennbarkeit diese zu beurteilen.
Der BGH hat in der Entscheidung vom 22.7.2014 entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entschieden, dass die BVSK-Erhebung nicht hinreichend verlässlich sei, sondern lediglich erklärt, dass revisionsrechtlich die Einschätzung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden war. Dies gilt auch für die weitere Erklärung, dass weitere Kostenpositionen vom BGH als überhöht angesehen wurden. Wie der Gutachter im Übrigen seine Kosten aufteilt (hohes Grundhonorar, keine Nebenkosten; geringes Grundhonorar, höhereNebenkosten) ist dem Gutachter überlassen, solange das Gesamthonorar nicht erkennbar überhöht ist. Eine Erkundigungsflicht besteht gerade nicht (vgl. das obige Zitat aus der Rechtsprechung des BGH).
b) Der Anspruch ist in Höhe von 481,36 € beglichen worden, so dass noch 70,79 € offen sind.
2. Die Entscheidung über die Nebenforderungen ergibt sich aus §§ 286, 288, 291 BGB.
II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Leider bleibt dieses Urteil hinter den Maßstäben der aktuellen Rechtsprechung des LG Hamburg weit zurück, so dass man es fast als „kritisch zu beurteilendes“ Urteil qualifizieren kann. Weder Einzelpositionen noch BVSK-Tabellen haben in einer vernünftigen Urteilsbegründung etwas zu suchen, wenn das LG Hamburg dafür die Steilvorlage bietet.