AG Bühl verurteilt am 14.12.2015 – 3 C 276/15 – die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

die kurze Weihnachtswoche beginnen wir hier mit einem Urteil aus Bühl zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die den Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung des berechneten Sachverständigenkostenbetrages kürzte. Zwar hat das erkennende Gericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben, allerdings überzeugt die Begründung keineswegs. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass das Gericht als „Angemessenheit“ die versicherungsgesteuerte BVSK-Diktatur-Honorarliste 2015 zugrunde legt, ist das Urteil mangelbehaftet. Der gesamte erste Abschnitt des Urteils ist eigentlich überflüssig, wenn eine Rückabtretung vorgetragen und belegt worden wäre. Die Erwähnung der Kostendeckung durch den Gutachter ist nur der offenbaren Unsicherheit des Rechtsanwaltes des Klägers geschuldet, der doch tatsächlich ein entsprechendes Schreiben des Sachverständigen an den Rechtsanwalt dem Gericht vorgelegt hatte. Aber wie bereits mehrfach betont, kommt es im Schadensersatzprozess nicht auf Angemessenheitserwägungen an, sondern auf den „erforderlichen Betrag“ im Sinne des § 249 II 1 BGB. Was erforderlich ist, wird aus der Ex-ante-Sicht des Geschädigten bestimmt. Eine Ex-post-Betrachtung scheidet daher von vornherein aus. Lest aber selbst das Urteil des AG Bühl und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schöne Weihnachtswoche
Willi Wacker

Aktenzeichen:
3 C 276/15

Amtsgericht Bühl

lm Namen des Volkes

Urteil

ln dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Sarah Rössler, Jörn Sandig, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Bühl durch den Richter am Amtsgericht G. am 14.12.2015 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2015 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an das KfZ-Sachverständigen und lng. Büro … 61,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.05.2015 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61,54 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Demnach ist die Klage zulässig und begründet. Der Sachverständige … hat einen weiteren Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht in Höhe von 61,54 Euro wegen der Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger prozessführungsbefugt. Es liegt ein Fall der gewillkürten Prozessstandschaft vor. Eine Ermächtigung des Sachverständigen … liegt in Form des Schreibens des Sachverständigen vom 12.05.2015 an den Klägervertreter vor, weil der Sachverständige darin den Klägenıertreter dazu auffordert, dass er im Namen des Mandanten, also des Klägers, den Anspruch geltend macht, während der Sachverständige sich für die Prozesskosten gutsagt. Ein rechtliches Interesse des Klägers besteht schon deshalb, weil er nach dem Abtretungsvertrag mit dem Sachverständigen für die Differenz zwischen der Forderung des Sachverständigen und der Zahlung der Beklagten haftet. Ob der Sachverständige diese Difierenz tatsächlich geltend machen wird, bleibt Spekulation; auch wenn der Sachverständige aber aus wirtschaftlichen Gründen derzeit diesen ihm zustehenden Anspruch nicht geltend macht, beseitigt dies das rechtliche Interesse des Klägers nicht, weil er bis zum Ablauf der Verjährungsfrist dem Risiko einer Inanspruchnahme ausgesetzt bleibt. Ein schutzwurdiges Interesse der Beklagten steht der Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger nicht entgegen.

Das KfZ-Sachverständigen- und lng. … ist durch die Abtretung Forderungsinhaberin geworden. Der abgetretene Anspruch, nämlich der Schadenersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten gegen Fahrer, Halter und Versicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs, ist klar bezeichnet. Der Sachverständige hat die Abtretung angenommen.

Der Unfallgeschädigte kann nach § 249 BGB die Kosten der Schadensfeststellung, dıe ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch für erforderlich halten durfte, vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung ersetzt verlangen. Die Notwendigkeit der Einschaltung eınes Gutachters steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Wenn – wie hier – zwischen Sachverständigem und Unfallgeschädigten keine Vergütung vereinbart ist, gilt nach § 632 Abs 2 BGB dıe übliche Vergütung als vereinbart. Diese kann vom Gericht nach § 287 ZPO auf Grundlage der BVSK-Honorarbefragung 2015 (konkret auf Grundlage des Korridors HB V) geschätzt werden.

Die bei der Befragung zu Grunde gelegten und vorgegebenen Nebenkosten (vgl. Kurzerläuterungen) sind zu berücksichtigen.

Ausgehend von einem Schaden in Höhe von 4.483,53 Euro netto (Reparaturkosten plus Wertmınderung) sind nach der BVSK-Honorarbefragung 2015 folgende Sachverständlgenkosten üblıch:

Grundhonorar von                     541,00 €  bis          588,00 €
1. Fotosatz (10 St.)                     20,00 €  bis            20,00 €
2. Fotosatz (10 St.)                       5,00 €  bis              5,00 €
Porto/Telefon                              15,00 €  bis             15,00 €
Schreibkosten (13 Seiten)           23,40 €  bis            23,40 €
Kopien (26 St.)                            13,00 €  bis            13,00 €
Summe netto                             617,40 €  bis          664,40 €
MWSt.                                        117,31 €  bis          126,24 €
Summe brutto                            734,71 €  bis          790,64 €

Fahrtkosten des Sachverständigen wurden nicht berücksichtigt, weil diese gemäß BVSK-Honorarbefragung nach konkreter Strecke abzurechnen sind und zur konkreten Fahrtstrecke nıcht vorgetragen wurde. Auf einen gerichtlichen Hinweis wurde insoweit verzichtet, weil es im Ergebnıs nicht auf diese Rechnungsposition ankommt. Die vom Sachverständigen … abgerechneten 745,54 € liegen auch so im unteren Bereich, der nach dem Korridor HB V der BVSK-Honorarbefragung 2015 berechneten Kostenspanne und sind damit üblich. Die Beklagte hat 684,00 € bezahlt,
61,54 € sind offen.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs 2 286 288 BGB.

Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor.

Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbiidung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Bühl verurteilt am 14.12.2015 – 3 C 276/15 – die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten.

  1. Karl Duvenkamp sagt:

    Hej, Willi Wacker,
    es ist in der Tat ein Kreuz mit Abrechnungen ohne Vergütungsvereinbarung, wie auch oftmals mit der Art der Abrechnungen und mit der Beurteilungspraxis durch einige Gerichte. Man sieht doch an diesem Beispiel ganz deutlich die Dreistigkeit und die Beliebigkeit der Kürzung in Relation zu dem auch nicht gerade passenden Vergleich. Da lobe ich mir doch das Urteil des AG Bonn, das ich wie folgt noch einmal in Erinnerung rufe. Aus den Entscheidungsgründen:

    „Die Klage erweist sich als begründet. Die Klägerseite hat den geltend gemachten Anspruch schlüssig dargetan; das Vorbringen der Beklagtenseite ist ganz überwiegend unerheblich.

    Die Beklagte übersieht, dass die Klägerseite auf der Grundlage einer vereinbarten Honorartabelle abgerechnet hat. Dass diese Honorartabelle der Beauftragung zugrunde lag, hat die Klägerseite bereits mit der Klageschrift vorgetragen; dies ist von der Beklagtenseite nicht bestritten worden.

    Aus der Honorartabelle ergibt sich zunächst die Höhe des Grundhonorars. Darüber hinaus sind ist dort die Kosten für Fotos festgelegt, wie hoch die Schreib- bzw. Kopierkosten sind und in welcher Höhe Porto- und Telefonkosten pauschal anfallen; gleiches gilt für die Fahrtkosten.

    Das Vorbringen der Beklagtenseite ist mithin ganz überwiegend unbeachtlich.

    Soweit Pauschalen vereinbart worden sind, ist es nicht erforderlich, dass die Klägerseite konkret nachweist, dass diese Positionen tatsächlich angefallen sind. Aus dem Gutachten, welches dem Gericht vorgelegt worden ist, ergibt sich auch, dass acht Einzelbilder für die Erstellung des Gutachtens erstellt worden sind; es begegnet keinen Bedenken, dass insoweit auch ein zweiter Satz gefertigt worden ist. Darüber hinaus muss sich die Klägerseite nicht darauf verweisen lassen, dass das Unfallfahrzeug vorgeführt werden muss, zumal unklar ist, ob dieses überhaupt noch verkehrstauglich war.“

    Betroffen war damals natürlich wieder die HUK-Coburg-Vers. und das Urteil steht auch in der Sammlung unter AG Bonn 114 C 14/14 vom 4.3.2014.

    Man sieht, dass auch ohne Bezugnahme auf Honorartableaus, Honorarerhebungen, „Gutachen“ oder anderem Krimskram fundierte Gründe, mit der gebotenen Klarheit präsentiert, ausreichen, um die Schadenersatzverpflichtung für rechtswidrig gekürzte Gutachterkosten verständlich darzulegen.

    Karl Duvenkamp

  2. Lewi sagt:

    Wenn jemand seinen Weg gefunden hat, darf er keine Angst haben. Er muss auch den Mut aufbringen, Fehler zu machen.
    – Paulo Coelho, Brida

    Lewi

  3. Padre Johannes sagt:

    @Lewi
    Meintest Du jetzt einige Versicherer oder die unbeteiligten Sachverständigen, die viel darüber reden, aber nichts in die Tat umsetzen ?

    Padre Johannes

  4. Kai sagt:

    Soweit mir bekannt ist, gab es vorliegend zwischen dem Sachverständigen und seinem Kunden eine Vergütungsvereinbarung.

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