Hallo sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum 4. Advennt geben wir Euch aus der dritten Leipziger Reihe ein weiteres Urteil des AG Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht bekannt. In diesem Fall war es die LVM, die den Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten rechtswidrig kürzte. Das Amtsgericht hat die LVM zwar zur Zahlung der restlichen, abgetretenen Sachverständigenkosten verurteilt, allerdings wurde wieder eine Angemessenheitsprüfung vorgenommen. Auf die Angemessenheit kommt es im Schadensersatzprozes jedoch nicht an. Entscheidend ist, was der Geschädigte verständigerseits als erforderlich ansieht, um den vor dem Unfall bestehenden Zustand wiederherzustellen. Lest daher selbst das weitere Urteil vom 11.9.2015 gegen die LVM Versicherung und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und einen schönen Adventssonntag
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 106 C 4409/15
Verkündet am: 11.09.15
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., Kolde-Ring 21, 48126 Münster, v.d.d. Vorstand
– Beklagter –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht B.
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 11.09.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 63,15 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.04.2014 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Streitwert: bis 500,00 €
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 ff BGB.
Die Abtretung ist wirksam.
Die Beklagte ist unstreitig für den streitgegenständlichen Unfall zu 100% ersatzpflichtig.
Der Schadensersatzanspruch erfasst auch den noch offenen Betrag aus der Sachverstand! genrechnung vom 12.11.2013.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsautwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.
Die Höhe des festgesetzten Grundhonorars von 322,00 € ist angemessen und nicht zu beanstanden. Eine Abrechnung anhand der Schadenshöhe ist ortsüblich.
Die in der Rechnung vom 12.11.2013 angeführten Nebenkosten sind ebenfalls angemessen.
Die Klagerseite hat substantüert dargelegt dass Fahrtkosten für 11 km entstanden sind. Die Höhe der festgesetzten Kilometerpauschale von 1,31 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 Fahrtkosten in Höhe von 1,80 Euro pro Kilometer gebilligt. Da die Klägerseite pro Kilometer 1,31 Euro geltend macht, liegt dieser Betrag weit unter der vom BGH in der Entscheidung aus dem Jahr 2013 gebilligten Kosten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei den Fahrtkosten nicht allein auf die Benzinkosten, sondern auf die gesamten mit dem Fahrzeug verbundenen Kosten unter Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Aspekten abzustellen ist. Fahrtkosten pro Kilometer in Höhe von 1,31 Euro werden daher als angemessen angesehen.
Die Kosten für ein Lichtbild mit 2,86 Euro liegen leicht über der vom BGH gebilligten Höhe von 2,80 Euro. Dies hält das Gericht für unschädlich, da keine erhebliche Abweichung vorliegt. Zudem ist die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2013, so dass auch ein Zuschlag für das Jahr 2015 zu machen ist. Dass der Sachverständige 15 Lichtbilder fertigt, liegt im Ermessen des Sachverständigen und ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zuganglich. Auch die Kosten für einen zweiten Fotosatz sind angemessen. Hinsichtlich der Schreibgebühren hat das Amtsgericht Leipzig bereits in Entscheidung aus den Jahren 2006 und 2007 Schreibkosten in Höhe von 4,90 Euro pro Seite ausdrücklich gerichtlich gebilligt. Die Klägerseite macht Schreib- und Druckkosten von 4,86 Euro geltend. Hierbei ist nicht alleine entscheidend, was tatsächlich ein Ausdruck eines Fotos kostet, sondern der gesamte mit den Schreibkosten verbundene Aufwand. Kosten für weitere Gutachten in Höhe von 19,00 Euro werden ebenfalls als erforderlich angesehen. Es ist gerichtsbekannt, dass weitere Kopien der Gutachten gefertigt werden. Es sind insoweit sowohl der Schädiger, der Geschädigte, als auch die Versicherung zu bedienen. Die Versand-, Telefon- und Internetkostenpauschale in Höhe von 23,30 Euro wird ebenfalls als angemessen angesehen. Die Klägerin liegt damit weit unter dem Maximalwert der BVSK-Befragung von 2003 mit einem Betrag von 38,00 Euro.
Das Gericht vermag sich der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014, Az.: 7 U 0111/12, wonach eine Erstattung von Nebenkosten, welche mehr als 25 % des Grundhonorars ausmachen, ausscheidet, nicht anzuschließen.
Dieser Rechts sprechung steht, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, die Rechtsspre-chung des Bundesgerichtshofes entgegen. Bereits mit Urteil vom 11.02.2014 hat sich der BGH unter dem Aktenzeichen: VI ZR 225/13 dahingehend geäußert, dass bei einem Grundhonorar von 260,00 EUR, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 EUR, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR, Fahrtkosten / Zeitaufwand in Höhe von 91,80 EUR (d. h. 1,80 EUR je km, max. 100,00 EUR) sowie aus dem darauf errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht in Höhe des Grundhonorars, noch in Anbetracht der Nebenkosten, zu beanstanden seien (BGH a.a.O., Orientierungssatz Nr. 4).
Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten.
Die, losgelöst von den Umständen des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tafrichters, die von einem Sachverständigen zusatzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt -einer tragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).
Aus alledem folgt, dass die Klägerseite einen Anspruch auf vollständige Bezahlungder gestellten Rechnung hat.
Die Nebenforderungen sind gemäß §§ 260, 286, 288 BGB zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung beruhtauf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.