Mit Urteil vom 05.01.2016 (713 C 173/15) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek den bei der HUK-Coburg versicherten Halter zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 83,99 € zzgl. Zinsen sowie den Kosten einer Halteranfrage verurteilt.
Das Gericht gibt dem Klagantrag statt, auch die Kosten der Halteranfrage werden zugesprochen. Entsprechend der Rechtsprechung des LG Hamburg weist aus das AG HH-Wandsbek darauf hin, dass es auf den RECHNUNGSENDBETRAG ankommt, nicht etwa auf die einzelnen Rechnungspositionen. Erstritten wurde das Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
- Der Kläger kann aus abgetretenem Recht des Geschädigten X aus dem Unfallgeschehen vom xx.xx.xxxx in Ahrensburg zwischen dem Fahrzeug des Geschädigten mit dem amtlichen Kennzeichen xx-xx xxx dem Fahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen yy-yy yyy weiteren Schadensersatz in Höhe von 83,99 € für die restlichen Sachverständigenkosten und 5,10 € für die erforderliche Einholung einer Halteranfrage gem. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG, 398 BGB verlangen.
Die Beklagte haftet aus dem Unfallgeschehen vom xx.xx.xxxx zu 100 %. Streitig ist vorliegend die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten.
- a) Der Zedent kann als Geschädigter Schadensersatz für die Kosten des Sachverständigengutachtens in der geltend gemachten Höhe verlangen, da sie aus seiner Sicht für eine sachdienliche Rechtsverfolgung erforderlich waren. Die nach einem Verkehrsunfall regelmäßig anfallenden Kosten für die Ermittlung der Höhe des eingetretenen Sachschadens gehören zu den nach 249 Abs. 2 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist.
Dies ist vor vorliegend mit den abgerechneten Kosten in Höhe von 490,99 € brutto der Fall. Die Rechnung ist nicht erkennbar überhöht, ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungsobliegenheit ist nicht zu erkennen.
Zwar ist der Geschadigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Der Geschädigte ist aber nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes an KFZ-Sachverständigen verpflichtet, um einen für die Schädigerin und deren Haftpflichtversicherung möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen. Die Schädigerin kann nur dann den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt (LG Hamburg, Urt. v. 19.03.2015 – 323 S 7/14 Rn. 23 f.).
Dass vorliegend eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht weder für das Grundhonorar noch für die berechneten Nebenkosten erkennen. Der Kläger und der Geschädigte haben bei Auftragserteilung (siehe Auftragserteilung/Abtretungserklärung, Anlage K 1) vereinbart, dass das Honorar entsprechend der umseitig abgedruckten Honorarvereinbarung berechnet wird. Bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto-/Fahrtkosten abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen der Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Einzelne Positionen sind danach nicht isoliert zu betrachten (LG Hamburg, Urt. v. 19.03.2015 – 323 S 7/14 Rn. 25; Urt. v. 26.03.2015 – 323 S 45/14). Das klägerische Honorar ist nicht erkennbar überhöht. Insbesondere weicht der Gesamtbetrag des Honorars von 490,99 € brutto bei einem Schaden von 1.225,00 € auch nicht erheblich von dem durchschnittlichen Sachverständigenhonorar der BVSK-Honorarbefragung 2015 ab. Soweit die Beklagte auf das als Anlage B1 eingereichte SV-Honorartableau 2015 verweist, ist zu berücksichtigen, dass der beklagtenseits abgezogene Betrag mit insgesamt 83,99 € nur relativ geringfügig von dem auch von der Beklagten für angemessen erachteten Betrag abweicht. Dies allein widerspricht der „Erkennbarkeit“ einer erheblichen Überschreitung der üblichen Preise,
Im Übrigen bewegen sich die abgerechneten Fahrtkosten von 30,00 €, die Fotokosten von 23,40 €, die Fotokosten für eine Gutachtenkopie von 11,40 €, die Kosten für die „Restwertanfrage regional“ von 10,00 € sowie die Kommunikation- und Schreibpauschale in Höhe von 19,80 € nicht außerhalb des Rahmens von vernünftigen Aufwendungen. Es ist plausibel, dass die Kosten entstanden sind. Insbesondere sind die pauschal abgerechneten Fahrtkosten nicht zu beanstanden. Aus dem Gutachten (Anlage K 3) ergibt sich, dass der klagende Sachverständige, der sein Büro in Hamburg hat, das Fahrzeug des Geschädigten in Lohe besichtigt hat und damit ca. 50 km gefahren ist. Es war dem Geschädigten nicht zumutbar einen Gutachter in Lohe zu beauftragen. Es ist bereits nicht bekannt, ob sich ein geeigneter Sachverständiger in Lohe befindet. Es widersprach daher nicht der Schadensminderungspflicht, ein Sachverständigenbüro zu beauftragen, das sich etwa 25 km entfernt befand. Das gleiche gilt für die Pauschale von 10,00 € für die Restwertermittlung. Die Restwertermittlung stellt einen zusätzlichen Aufwand zur Ermittlung des Restwertes des Fahrzeuges im Wege der Einstellung in eine Restwertbörse dar. Sowohl hinsichtlich dieser als auch hinsichtlich der übrigen in Rechnung gestellten Posten hätte ein Geschädigter nicht erkennen müssen, dass in der Branche übliche Preise deutlich überstiegen wären.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht auch nicht daraus, dass vorliegend ein Totalschaden vorlag. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Geschädigte als Privatperson hätte erkennen können und müssen, dass durch den Unfall offensichtlich ein – nicht nur wirtschaftlicher – Totalschaden vorlag und es für die Schadensregulierung im vorliegenden Fall nicht auf die Reparaturkosten, sondern lediglich auf den Wiederbeschaffungs- und Restwert ankommen würde. Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des AG Hamburg-Harburg v. 19.12.2014 – Az. 644 C 359/14 (Anlage B 3, Bl. 50 f. d. A.) verweist, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der dortigen Klägerin um eine gewerbliche Autovermieterin handelte und nicht wie vorliegend um eine Privatperson.
Auch im Übrigen ist ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht nicht zu erkennen.
Eine andere Beurteilung ist vorliegend – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht deshalb geboten, weil der Kläger, dem die Beklagte eine überhöhte Honorarforderung vorwirft, durch die Abtretung selbst Gläubiger des Schadensersatzanspruches geworden ist. Das erkennende Gericht vermag der angeführten Entscheidung des LG Köln (Az. 9 S 160/14, Beschl. v. 21.07.2014, Anlage B 4, Bl. 52 ff. d. A.) insofern nicht zu folgen. Der Erstattungsanspruch des Geschädigten gegen die Beklagte verändert sich nicht durch die nach § 398 BGB erfolgende Abtretung des Anspruchs an den Sachverständigen, sondern wahrt seine Identität und kann daher auch von dem Kläger geltend gemacht werden (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 09.04.2015, Az. 323 S 45/14; Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 398 Rz. 1).
Die Beklagte hat dem Geschädigten die Sachverständigenkosten somit vollumfänglich zu erstatten.
- Diesen ihm zustehenden Anspruch hat der Geschädigte wirksam an den Kläger abgetreten, 398 BGB. Die Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt. Der Kläger kann den Anspruch somit gegen die Beklagte geltend machen.
- Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Erstattung der Gebühr für die erforderliche Einholung einer Halterauskunft aus dem Verkehrsregister in Höhe von 5,10 € Weder aus der Auftragserteilung noch aus dem Gutachten ergibt sich, dass dem Geschädigten oder dem Kläger bekannt gewesen wäre, dass es sich bei der Beklagten nicht nur um die Versicherungsnehmerin, sondern auch um die Halterin des unfallbeteiligten Fahrzeugs handelte, sodass die für die Halteranfrage entstandenen Kosten „erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB für einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen die beklagte Halterin waren.
- Der Zinsansprach folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Verzug ist nach § 286 Abs, 2 Nr. 3 BGB eingetreten, nachdem die Haftpflichtversicherung der Beklagten lediglich einen Betrag von 407,00 € auf den von dem Kläger geltend gemachten Betrag in Höhe von 490,99 € zahlte und damit die restliche Zahlung ernsthaft und endgültig verweigerte, was sich die Beklagten zurechnen lassen muss.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen, § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Soweit das AG HH-Wandsbek.
Hallo Kollege Babelfisch,
das erkennende Gericht hat zutreffend nicht auf die Einzelpositionen abgestellt, als es geprüft hat, ob die von der Beklagtenseite behauptete Überhöhung auch tatsächlich für den Geschädigten „deutlich erkennbar“ (siehe BGH VI ZR 225/13) vorliegt. Das ist auch mit Recht erfolgt, denn die Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist in der Tat nur eine Schadenshöhenschätzung. Enscheidend ist damit der Gesamtbetrag. Maßgeblich ist somit, ob der Geschädigte diesen Rechnungsbetrag als erkennbar erheblich überhöht ansehen konnte oder nicht, wobei die Darlegungs- und Beweislast insoweit bei dem Schädiger liegt. Das ist insoweit völlig gesetzeskonform durch das erkennende Gericht festgestellt worden. Leider hat sich das Gericht im weiteren Velauf der Urteilsbegründung dann doch noch dazu hinreißen lassen, die von der Beklagtenseite behaupteten einzelnen Überhöhungen der Nebenkosten dann doch noch im Einzelnen durchzuprüfen. Das war der Relationstechnik geschuldet, aber überflüssig, denn die Beklagte hat nicht erheblich dargelegt, dass der Gesamtbetrag für den Geschädigten erkennbar über den üblichen Preisen der Branche lag (vgl. BGH VI ZR 357/13 m. Hinw. auf BGH VI ZR 225/13).
Insgesamt aber trotzdem eine gute Entscheidung.
Mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker