Mit Entscheidung vom 03.12.2015 (318c C 205/15) wurde die VHV Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Hamburg-Altona zur Erstattung der außergerichtlich (willkürlich und rechtswidrig) durch die VHV gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht verurteilt. Es handelt sich um eine positive Entscheidung auf Grundlage des Schadensersatzrechts gem. § 249 BGB bezogen auf die Sicht des Geschädigten – genauso wie es sich gehört. Auch die Ausführungen zu den Rechtsanwaltsgebühren sind beachtenswert, im Gegensatz zu einigen Gerichten, die davon ausgehen, dass ein Gutachter Hellseher zu sein habe und bereits im Vorfeld wissen sollte, dass die Versicherung außergerichtlich keine weiteren Zahlungen leisten wird. Alles in allem eine runde Sache aus Hamburg-Altona und eine weitere Entscheidung gegen die VHV Versicherung für unsere Urteilsliste.
Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.
Amtsgericht Hamburg-Altona
Az.: 318c C 205/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Thomas Voigt, Dr. Per-Joban Horgby, Jürgen A. Junker, Dietrich Werner, VHV-Platz 1, 30177 Hannover
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Altona – Abteilung 318c – durch die Richterin am Amtsgericht B. am 03.12.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 72,52 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2015 sowie weitere EUR 70,20 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seitt dem 25.7.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird auf 72,52 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird nach § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert des § 5111 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht erreicht und die Berufung ist nicht zugelassen, § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
II.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann aus abgetretenem Recht nach §§ 398, 823 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG von der Beklagten als Versicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs restlichen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 15.03.2015 verlangen. Die Erstattungspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
1. Die Aktivlegitimation des Klägers steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der geschädigte Zedent hat ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung (Anlage K 7) seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Kläger angetreten.
2. Unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ersatz von Sachverständigenkosten im Rahmen von § 249 BGB (vgl. BGH Urt. vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13 und BGH, Urt. vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13 mit Anm. Heßeler NJW 2014, 1916) kann der Zedent selbst als Geschädigter Ersatz der Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe verlangen, da sie aus seiner Sicht für eine sachdienliche Rechtsverfolgung erforderlich waren.
a) Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Reparaturkosten belaufen sich auf knapp 2000 Euro brutto. Damit liegt kein Bagatellschaden vor.
b) Die zwischen dem Kläger und dem Geschädigten getroffene Honorarvereinbarung betreffend die Höhe der Sachverständigenkosten ist wirksam. Die Preisliste betreffend das Grundhonorar sowie die Nebenkosten ist Vertragsbestandteil geworden. Der Geschädigte hat bei Auftragserteilung die Abtretungserklärung und die Preisliste unterzeichnet.
c) Die Kosten des Klägers sind auch der Höhe nach erstattungsfähig. Sie stellen den erforderlichen Herstellungsaufwand dar, dessen Ersatz der Geschädigte nach § 259 Abs. 2 BGB verlangen kann. Entscheidend ist dabei ausschließlich, ob die Kosten des Gutachters aus Sicht des Geschädigten (als originärer Anspruchsinhaber) erforderlich sind. In diesem Zusammenhang ist höchstrichterlich entschieden, dass der Geschädigte keine Marktforschung betreiben muss und der Schädiger bzw. sein Versicherer sogar eine überdurchschnittliche Vergütung ersetzen muss, solange der Geschädigte nicht fahrlässig gegen seine ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstößt. Einen solchen Verstoß vermag das Gericht angesichts dessen, dass die abgerechneten Kosten die nach der Darstellung der Beklagten angemessene Vergütung um gerade einmal 16 % übersteigen, aber nicht zu erkennen.
Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigenbüros aufdrängen musste, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948; BGH NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt. Auf einzelne Rechnungsposten kommt es dabei nicht an (Heßeler NJW 2014, 1916, LG Hamburg Az. 323 S 7/14). Damit gehen die Einwendungen der Beklagten zur Höhe der Nebenkosten fehl.
Nach Maßgabe der oben zitierten BGH-Rechtsprechung sind die Sachverständigenkosten auch unter Berücksichtigung der Nebenkosten aus Sicht eines Verkehrsunfallgeschädigten nicht erkennbar überhöht.
3. Es ist auch insoweit keine andere Beurteilung geboten, als der Kläger durch die Abtretung selbst Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an den Kläger abgetreten, der sie gegen die Beklagte geltend machen kann.
Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass es entscheidend darauf ankäme, dass der Geschädigte selbst die Rechnung vorlegt oder den Rechnungsbetrag sogar tatsächlich beglichen hat. Der Anspruch ist unabhängig hiervon entstanden, und die Abtretung verändert den entstandenen Anspruch nicht. Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass der Kläger die Vergütung für seine eigene Tätigkeit – aus abgetretenem Recht – verlangt.
4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 249, 286, 288 BGB. Auf die Rechnung des Klägers hat die Beklagte am 15.04.2015 einen Teilbetrag gezahlt und eine weitere Zahlung abgelehnt. Seit dem 16.04.2015 befindet sie sich in Verzug.
5. Der Kläger kann auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen als erforderliche und zweckmäßige Rechtsverfolgungskosten, die durch seine Beauftragung der Prozessbevollmächtigten entstanden sind. Angesichts der Fülle von Einzelfallentscheidungen war nicht eindeutig, dass die Beauftragung des Rechtsanwalts zum zunächst außergerichtlichen Tätigwerden auf jeden Fall erfolglos sein würde. Zinsen können insoweit ab Rechtshängigkeit ersetzt verlangt werden, § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.
Da schreibt doch Herr M. von der VHV an den Schadensersatzleistungs-Berechtigten:
„Ihre Rechnung haben wir nur teilweise ausgeglichen, da das Honorar nach unserer Auffassung den zur Schadenfeststellung erforderlichen Kostenaufwand übersteigt (Paragraph 249 Abs. 2 BGB).
Nur, dass es auf Paragraph 249 Abs. 2 BGB nicht ankommt, da mittels vorgelegter Rechnung der Schadensersatzanspruch der Höhe nach nicht abstrakt sondern konkret beansprucht wird. Abzustellen ist also auf § 249 Abs. 1:
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
Dass der geforderte Schadensersatz auf das erforderliche Sachverständigen-Honorar für den Geschädigten in meinem konkreten Fall sich nicht als für den Geschädigten erkennbar überhöht darstellt, zeigt die bereits mehrheitliche Erstattung des Schadensersatzanspruchs durch den Versicherer.
Somit besteht der Verdacht gegenüber dem Schädiger in Personalunion mit seinem Versicherer, sich – in betrügerischer Absicht – unrechtmäßig am Unfallgeschehen bereichern zu wollen. Insoweit jedenfalls der Schädiger der ihm zugehenden Zahlungsaufforderung ebenfalls nicht nachkommen sollte.
Für den Geschädigten ist es hernach unerheblich, ob der Schädiger letztendlich tatsächlich Nutznießer des unterschlagenen Geldbetrages ist, wenn er seinen Versicherer – wider besserem Wissens – nicht zur Zahlung auffordert. Derartige Sachverhalte bedürfen m. E. der strafrechtlichen Beurteilung bzw. Überprüfung.
Allein bei Zahlung durch den Versicherungsnehmer (aus eigener Tasche) bleibt diesem – aus vertraglicher Haftung gegenüber seinem Versicherer, hier der VHV – ein Zivilgericht anzurufen. Um einerseits die Vertragserfüllung einzuklagen und andererseits bis dahin entstandene Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Siehe VHV AKB 2015:
L. 2.1 Wenn Sie uns verklagen http://www.vbed.de/wp-content/uploads/AKB-2015-200.0030.104.pdf
Mein Fazit:
Es ist nicht die Aufgabe des Geschädigten bzw. des Schadensersatzinhabers, ein Gericht hinsichtlich der Vertragserfüllung – Versicherer und Versicherungsnehmer – zu bemühen.