Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier und heute veröffentlichen wir für Euch ein Urteil aus Fürstenfeldbruck zur fiktiven Abrechnung eines Verekehrsunfallschadens sowie zur Unkostenpauschale gegen die Württembergischer Versicherung. Wieder einmal ging es darum, dass die Württembergische Versicherung behauptet, ohne Beweis dazu anzutreten, dass die von ihr benannte (Partner-) Werkstatt gleichwertig wie die Markenfachwerkstatt, aber günstiger reparieren könnte. Auf Grund des Beweisbeschlusses des Gerichtes hätte sie für die Einholung eines Gutachten den vom Gericht festgesetzten Vorschuss erbringen müssen, da sie für ihre Behauptung darlegungs- und beweisbelastet war. Diesen Vorschuss hat sie nicht erbracht oder nicht erbringen können. Auf jeden Fall wurde das gerichtlich angeordnete Gutachten in der Beweissituation nicht eingeholt. Damit hat die Wüttembergische bereits anerkannt, dass ihr diesbezüglicher Vortrag ins Blaue hinein erfolgte. Eine prima Entscheidung ist dann für die Geschädigtenseite herausgekommen, wie wir meinen. Lest aber selbst das Urteil des AG Fürstenfeldbruck vom 27.1.2016 – 1 C 912/15 – und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Amtsgericht Fürstenfeldbruck
Az.: 1 C 912/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Württembergische Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Gutenbergstr. 30, 70176 Stuttgart West
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Fürstenfeldbruck durch den Richter am Amtsgericht H. am 27.01.2016 auf Grund des Sachstands vom 13.01.2016 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 608,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.07.2015 sowie weitere 78,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.07.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 608,01 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom xx.04.2015 in der Citypoint-Tiefgarage in Fürstenfeldbruck.
Die Klägerin fuhr am 23.04.2015 mit ihrem Pkw, Typ VW-Golf, Kennzeichen … , auf der Fahrspur der Tiefgarage im Citypoint in Fürstenfeldbruck. Das bei der Beklagten pflichthaft-pflicht versicherte Fahrzeug fuhr rückwärts aus einer Parklücke heraus und kollidierte dabei mit dem bereits stehenden Fahrzeug der Klägerin, obwohl diese noch vor dem Unfall gehupt hatte, um die Fahrerin des gegnerischen Fahrzeugs zu warnen. Es besteht eine 100%-ige Haftungsverpflichtung der Beklagtenseite. Nachdem die Beklagte ursprünglich einen Mitverschuldenseinwand vorgebracht und den Schaden gemäß eines Kostenvoranschlags nur zur Hälfte reguliert hatte, hatte die Klägerin einen Sachverständigengutachten eingeholt. Hierin hat der Sachverständige Reparaturkosten in Höhe von 1.673,96 € netto angesetzt (für die Einzelheiten des Gutachtens wird Bezug genommen auf Anlage K1, Blatt 5 ff. der Akte). Das Sachverständigengutachten wurde der Beklagten vom Sachverständigen in Höhe von 464,78 € in Rechnung gestellt. Die Klägervertreterin hat die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2015 unter Übersendung des Sachverständigengutachtens zur Regulierung des Schadens aufgefordert. Die Beklagte hat diese Reparaturkosten abzüglich eines Betrages von 603,01€ gezahlt. Ferner hat sie der Klägerin als Kostenpauschale einen Betrag von 25,– € erstattet, wobei diese jedoch 30,– € hierfür geltend macht. Auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 255,85 € erstattet.
Die Klägerin behauptet, dass ihr Fahrzeug „ scheckheftgepflegt“ sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 2.168,74€ wegen Beauftragung der Klägervertreterin zustünden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 608,01€ nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 78,90€ nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die erforderlichen Reparaturkosten betrugen bei fiktiver Abrechnung lediglich 1.070,95 € netto.
Die Beilackierung der Türe vorne rechts und die damit verbundene De- und Montage der Anbauteile sei aus lackiertechnischen Gründen nicht erforderlich. Der Lackierfachmann könne nach Herstellerrichtlinien erst im Rahmen Lackiervorbereitung verbindlich entscheiden, ob eine Beilackierung angrenzender Teile erforderlich sei. Hierfür sei ein Abzug für die Ersatzteile von 71,50 € in Bezug auf den Arbeitslohn von 165,20 € und in Bezug auf die Lackierung von 130,91 € zu tätigen. In der klägerischen Kalkulation sei die Arbeitsposition Ein – und/ oder Ausbau zwecks Lackierung enthalten, die schon in anderen Positionen berücksichtigt sei, wofür ein Abzug von 20,65 € vorzunehmen sei. Geschraubte Teile würden in der Lackierpraxis immer im ausgebauten statt im eingebauten Zustand lackiert um zusätzliche Abdeckungsarbeiten am kompletten Fahrzeug zu vermeiden, wodurch sich die Vorbereitungs-/Lackierungszeit verringere und ein Abzug von 43,64 € geboten sei. Die Ersatzteilposition Schutzleiste vorne links/vorne rechts sei anhand der Schadenbilder nicht belegt, wofür ein Abzug für Ersatzteile von 21,80 € und für die Lackierung in Höhe von 58,18 € vorzunehmen sei.
Die Beklagte könne die zertifizierte Meisterwerkstatt Firma W. P. in K. für die Reparatur aufsuchen, bei welcher für Mechanik/Elektrik und Karosseriearbeiten lediglich ein Stundenlohn von 96,- € und für Lackierarbeiten inklusive Lackiermaterial von 129,60 € anfalle.
Es sollte Beweis erhoben werden gemäß Beweisbeschluss vom 04.11.2015 (Blatt 55 der Akte). Die Beklagtenseite hat jedoch den mit Beweisbeschluss angeforderten Kostenvorschuss nicht einbezahlt und auf die entsprechende Beweiserhebung verzichtet.
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 608,01 € gemäß §§ 115 VVG, 7 I, 18 I StVG.
1. Die Versicherungsnehmerin der Beklagten ist aufgrund des Verkehrsunfalls vom 23.04.2015 zu 100% für die eingetretenen Schäden verantwortlich.
2. Die Klägerin hat über den bereits regulierten Betrag hinaus weitere Schäden in Höhe von 608,01 € zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 78,90 € erlitten.
a) Reparaturkosten in Höhe von netto 1.673,96 € sind erstattungsfähig. Diese hat die Klägerin durch das vorgelegte Sachverständigengutachten Anlage K1 (Blatt 5 ff. der Akte) (widerleglich) nachgewiesen.
Die Beklagte hat ihre substantiierten Einwendungen zur Höhe der eingetretenen Schäden zwar ursprünglich unter Beweis gestellt, dieses Beweisangebot jedoch später zurückgenommen, sodass sie diesbezüglich insgesamt beweisfällig geblieben ist.
Hinsichtlich der Einwendungen betreffend die Verweisung der Beklagten auf die Werkstatt Firma W. P. in K. stellt das Gericht fest, dass insoweit keine Substantiierung der Beklagtenseite hinsichtlich einer günstigeren Reparaturmöglichkeit in eine mühelos und ohne weiteres zugängliche „freie Fachwerkstatt“ gegeben war. Als günstigere Reparaturmöglichkeit ist leidglich eine Fachwerkstatt in K. genannt worden. Die Klägerin wohnt jedoch in Fürstenfeldbruck. Die Entfernung von ca. 20 km, die Überschreitung der Landkreisgrenzen sowie die schlechte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Fürstenfeldbruck nach K. (Busverbindung unzulänglich; S-Bahn-Verbindung sternförmig über München mit hohem zeitlichen Aufwand verbunden) sprechen insoweit insbesondere gegen den Punkt der mühelosen Zugänglichkeit dieser Werkstatt für die Klägerin. Die Klägerin als Herrin des Restitutionsgeschehens muss sich im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht nicht von der Versicherung auf eine in irgendeiner Form mühevolle Reparaturmaßnahme verweisen lassen.
b) Eine Unkostenpauschale war in Höhe von weiteren 5,– € zu erstatten, da nach Auffassung des Gerichts eine Unkostenpauschale von 30,– € insgesamt gefordert werden kann und angemessen ist, wovon die Beklagte bisher lediglich 25,– € reguliert hat.
c) Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind in Höhe von weiteren 78,90 € geschuldet. Erstattungsfähig war insgesamt ein Betrag in Höhe von 334,75 €, was einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 2.168,74 € zzgl. Kommunikationspauschale und Mehrwertsteuer entspricht. Der Gegenstandswert beruht auf der Summe aus Reparaturkosten in Höhe von 1.673,96 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 464,78 € und der Kostenpauschale in Höhe von 30,– €.
Die Beklagte hat lediglich 255,78€ gezahlt, sodass der Restbetrag von 78,90 € noch geschuldet wurde.
II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 608,01 € und 78,90 € seit 05.07.2015 gem. §§ 280, 286, 288 BGB.
Verzugszinsen waren zumindest seit Rechtshängigkeit geschuldet. Rechtshängigkeit ist mit Zustellung der Klage am 04.07.2015 an die Beklagte eingetreten.
III. Kosten: § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Streitwert: §§ 3 ZPO, 63 II Satz 1 GKG.