LG Itzehoe weist die Berufung der KRAVAG Versicherung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück (1 S 13/15 vom 27.11.2015)

Mit Urteil vom 27.11.2015 hat das LG Itzehoe die Berufung der Versicherung gegen das Urteil des AG Itzehoe vom 18.12.2014 (94 C 345/14) auf deren Kosten zurückgewiesen. In diesem Urteil war die KRAVAG Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten für insgesamt 42 Miettage verurteilt worden. Dies auf der Basis eines arithmetischen Mittels zwischen Schwacke AMS und Fraunhofer Tabelle.

Die Entscheidungsgründe des LG Itzehoe:

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbe­stand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Mit Recht hat das Amtsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und somit auf die Erstat­tungsfähigkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten erkannt.

I.

Das Berufungsgericht teilt uneingeschränkt die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Kläger die Notwendigkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer von 42 Tagen belegt hat. Denn der Kläger hat plausibel dargelegt, dass es für das verunfallte Fahrzeug, welches um­gangssprachlich zu den „Exoten“ zählt, zum Unfallzeitpunkt keinen gleichwertigen Ersatz im norddeutschen Raum gegeben hat und er sich nach Erhalt des Schadensgutachtens zeitnah ent­schlossen hat, einen Neuwagen des gleichen Typs zu bestellen. Dies ist im vorliegenden Fall auch nicht zu beanstanden, weil das verunfallte Fahrzeug, als es durch den streitgegenständli­chen Verkehrsunfall einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt, erst 13 Monate alt war und eine Laufleistung von nur knapp 2.800 Kilometern aufwies.

Zu Unrecht beanstandet die Beklagte, das Amtsgericht hätte gegen seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO verstoßen in Bezug auf eine eigene Internetrecherche zu der Frage der Wiederbeschaffungsmöglichkeit. Abgesehen davon, dass das diesbezügliche Ergebnis von dem Amtsgericht nur als Indiz verwertet worden ist, ist darauf, dass „ein Angebot auch derzeit regional nicht vor­handen“ sei, in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20.11.2014 ausdrücklich hingewiesen worden. Die Beklagte, welche die Möglichkeit gehabt hät­te, in der Verhandlung einen Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO zu stellen, hat mit der Berufung nicht aufgezeigt, welcher entscheidungserhebliche Vortrag anderenfalls durch sie erfolgt wäre. Die bis zur mündlichen Verhandlung erfolgte pauschale Bezugnahme auf die von dem Sachver­ständigen auf 14 Werktage geschätzte Wiederbeschaffungsdauer reicht in Bezug auf den substantiierten Sachvortrag des Klägers zu den erschwerten Bedingungen einer Wiederbeschaf­fung eines gleichwertigen „exotischen“ Fahrzeugs jedenfalls nicht aus und begründete auch kei­ne Pflicht des Amtsgerichts, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen.

II.

Nur schwer nachvollziehbar sind die Ausführungen der Beklagten zu der Problematik der Scha­densschätzung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Mietwagentarif.

  1. Selbstverständlich lag – auch aus objektiver Sicht – eine unfallbedingte Eil- bzw, Notsituation des Klägers vor. Auf die pauschale Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 21.08.2014 (Bl. 20 d.A.), dem Kläger wären „in seiner Situation“ günstigere Anmietungen möglich gewesen – „Normaltarif“ -, hat dieser mit Schriftsatz vom 09.10.2014 die konkrete Situation geschildert, in der er sich direkt nach dem Unfall befand (Bl. 58 d.A.) und in der es um 20.15 Uhr zu der Anmietung des Ersatzfahrzeugs bei der Firma Europcar mehr oder weniger zwangsläufig gekommen ist. Dieser substantiierte Vortrag ist sodann unwidersprochen geblieben, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger tatsächlich unter den gegebenen Umständen am Abend des Unfalltages eine günstigere Alternative hatte.
  2. Die umfangreichen Ausführungen der Beklagten zu der vermeintlichen Vorzugswürdigkeit der Fraunhofer-Liste im Vergleich zu der Schwacke-Liste gehen im Wesentlichen an dem hier zu würdigenden Sachverhalt vorbei. Abgesehen davon, dass die Beklagte vorgerichtlich in dem Schreiben vom 21.03.2014 (Bl. 61 d.A.) lediglich den Wiederbeschaffungszeitraum beanstandet hat, nicht jedoch den von Europcar dem Kläger berechneten Tagessatz, entspricht es ohnehin der ständigen Rechtsprechung der Kammer, wegen der völlig unterschiedlichen Ansätze bei der Ermittlung von Mietwagentarifen für eine Schätzung nach § 287 ZPO auf das arithmetische Mittel zwischen Fraunhofer- und Schwacke-Liste abzustellen. So hat die Kammer z.B. in dem Ur­teil vom 18.09.2012 in der Sache 1 S 112/11 u,a. ausgeführt:

Grundsätzlich stellen sowohl Schwacke- als auch Fraunhofer-Liste jeweils für sich geeig­nete Schätzgrundlagen dar (BGH, Urteil vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09, zitiert nach Juris, Rn. 17 f.). In der sehr uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte werden auf­grund unterschiedlicher Bedenken gegen die jeweils andere Liste sowohl die Schwacke-Liste als auch die Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage herangezogen.

Aufgrund der verschiedenen Stärken und Schwächen der beiden Listen stellt nach Auffas­sung der Kammer das arithmetische Mittel aus den beiden Listen eine besser geeignete Grundlage für eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO dar, als die beiden Listen jeweils für sich genommen (so zuletzt auch OLG Gelle, Urteil vom 28.02.2012 – 14 U 49/11; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11; OLG Hamm, Urteil vom 20.07.2011 – 13 U 108/10; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.12,2009 – 4 U 294/09-83),

Da es für eine Entscheidung im vorliegenden Fall nicht auf die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Schätzgrundlagen ankommt, sieht das Gericht an dieser Stelle von einer- er­neuten – Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der beiden unterschiedlichen Ermittlungsan­sätze ab,

  1. Die Berechnung der Beklagten auf Seite 17 ihres Schriftsatzes vom 11.09.2014, auf die in der Berufungsbegründung Bezug genommen worden ist, vermag hinsichtlich des Rechenweges schon deswegen nicht zu überzeugen, weil dort für den zu ermittelnden Restbetrag stets eine Mietdauer von 21 Tagen zugrunde gelegt wird, was aus den oben dargelegten Gründen jedoch unzutreffend ist. Sofern die Beklagte mit der tatsächlich erforderlichen Mietdauer von 42 Tagen, welche dem Kläger ja auch in Rechnung gestellt worden sind, gerechnet hätte, hätte sie feststel­len können, dass der hier streitgegenständliche Tarif weit unterhalb des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke- und Fraunhofer-Liste liegt und ziemlich exakt dem von der Beklagten darge­legten Ergebnis nach der Fraunhofer-Liste entspricht, sofern ein aufgrund der unbestreitbar ver­gleichsweise schwachen Infrastruktur gebotener Aufschlag vorgenommen wird zum Ausgleich von Vorbuchdauer, Annnietung per Telefon und Internet etc..

Die Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs, 1, 91 Abs, 1 ZPO zurückzuwei­sen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Soweit das LG Itzehoe.

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3 Antworten zu LG Itzehoe weist die Berufung der KRAVAG Versicherung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück (1 S 13/15 vom 27.11.2015)

  1. Babelfisch sagt:

    Ich muss hier mal loswerden, dass sich die Gerichte, die sich immer auf die Fraunhofer Tabelle berufen, sei es direkt oder in Kombination mit der Schwacke, offensichtlich nicht darum scheren, dass es „die“ Fraunhofer Tabelle gar nicht gibt.
    Das Fraunhofer Institut veröffentlich jedes Jahr eine Übersicht von mehr als 20 Tabellen, in denen Mietwagenpreise nach unterschiedlichsten Kriterien ermittelt worden sein sollen. Dabei geht es um unterschiedliche Ansätze wie Postleitzahlgebiete, Großstädte, Internetpreise, telefonisch abgefragte Preise, etc. Auch das AG bzw. das LG Itzehoe haben nicht dargelegt, ob sie die Tabelle 12, 19 oder 20 oder eine andere Tabelle herangezogen haben. Insoweit sind diese Urteil auch aus diesem Grund fragwürdig.
    Ebenso fragwürdig ist die Begründung für einen Mittelwert: die eine Liste taugt nichts, die andere ist auch fragwürdig, dann nehme ich halt beide zur Grundlage einer Schätzung.

  2. Eule sagt:

    Ein Mittelwert bedeutet statistisch (bei entsprechend großer Grundgesamtheit), dass etwa 50 % der Werte unterhalb und 50 % der Werte oberhalb des Mittelwertes liegen. Wer in der Zahlungspflicht ist und nach Mittelwert abrechnen möchte indem er darüber liegende Werte kürzt, bereichert sich regelmäßig, solange er nicht gleichzeitig unter dem Mittelwert liegende Werte selbst aufstockt. Außerdem wird durch mehrfache Mittelwertbildung über die Auswertungen hinweg das Niveau des Mittelwerts immer weiter abgesenkt.

  3. G.v.H. sagt:

    Hallo, Eule,
    auf den Kopf getroffen und deshalb in der Bedeutung für i m m e r rechtswidrig gekürzte Honorare wichtig. Solche Wertkonstruktionen unter Angemessenheitsgesichtspunkten taugen schon bei oberflächlicher Betrachtung nicht als Beurteilungsmaßstab zur Frage der Erforderlichkeit.

    Aus möglicherweise weit auseinander liegenden Preisen und Preisgestaltungen über Gutachten unbekannter Güte einen Mittelwert als bundesweiten Durchschnittspreis und einheitlichen Marktpreis zu errechnen, wie es mit solchen Erhebungen geschieht, ist methodisch und damit auch sachlich verfehlt. Es handelt sich um Scheinkonstruktionen, hinter denen sich willkürliche Behauptungen verbergen, weil von einer unabhängigen und methodischen qualifizierten Marktanalyse gerade nicht ausgegangen werden kann.

    Der Verstoß gegen § 249 S.1 BGB und gegen die begrifflichen Merkmale eines jeden Schadenersatzes kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass nach § 287 Abs.1 S.1 ZPO das Gericht unter Würdigung aller Umstände, jedoch nach freier Überzeugung, darüber entscheidet, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft.

    Sie bedeutet entgegen einer fehlerhaften Auffassung und einer in der Sache fehlerhaften Anwendung gleichermaßen nicht, dass das Gericht ohne strenge Gebundenheit an die Tatsachen und Regeln der allgemeinen Erfahrung eine „freie Schadensregulierung“ vornehmen und sich dadurch den Mühen einer sorgfältigen Beweiserhebung und objektiv begründeten Beweiswürdigung entheben darf, denn § 287 ZPO ändert als rein beweisrechtliche Bestimmung nichts an der sachlich rechtlichen Lage, dass der Schädiger vollen Schadenersatz schuldet und diese Rechtspflicht den in § 249 S.1 BGB bestimmten Inhalt hat.

    DIESEN hat das Gericht in jedem Einzelfall zu erkennen. Es kann nicht gemäß 287 ZPO über den Schadenersatzanspruch des Gechädigten verfügen durch Anwendung eines Tableaus als eine Art „Gebührenordnung“.

    Sind in einem Prozeß unter Beweisantritt Tatsachen behauptet, aus denen sich ein zu ersetzender Nachteil des Geschädigten ergibt, muss Beweis erhoben werden und müssen bewiesenen Tatsachen berücksichtigt werden. Insoweit scheidet jede Schätzung aus, zumal wenn eine in der Sache falsche Anwendung damit verbunden ist, denn tatsachenfremde Spekulationen (auch wenn vom Gericht als solche nicht erkannt) sind auch dann nicht zulässig, wenn sie als „methodisch“ und fachlich qualifiziert dargestellt, z.B. auf fiktive Zahlenreihen gestützt und in scheinhafte „Berechnungen“ gekleidet werden.

    Es sei auch die Frage gestattet, was einen Geschädigten und damit ein über dessen Schadenersatzanspruch urteilendes Gericht, die vermeintlichen Bewertungs-und Abrechnungsmaßstäbe in Form von Tableaus jedweder Art angehen? Mit welcher rechtlich tragfähigen Begründung sollten die Geschädigten diese zu ihrem Nachteil gegen sich gelten lassen müssen mit gleichzeitiger Aberkennung der Eigenschaften, kein vernüftiger und wirtschaftlich denkender Mensch zu sein ? Geht Faustrecht eigentlich noch anmaßender ?

    G.v.H.

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