OLG Dresden entscheidet mit lesenswertem Berufungsurteil vom 6.5.2015 – 7 U 192/15 – zu den erforderlichen Mietwagenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall und legt dabei die Schwacke-Liste als geeignete Schätzgrundlage zugrunde.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

heute veröffentlichen wir für Euch hier noch ein Berufungsurteil aus Dresden zu den restlichen Mietwagenkosten. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hatte versucht, die zugrunde gelegten Preise des Schwacke-Mietpreisspiegels durch Screenshots und Internetangebote im Nachhinein zu erschüttern. Dabei hat der BGH den Schwacke-Mietpreisspiegel durchaus als geeignete Schätzgrundlage anerkannt (vgl. BGH ZfS 2008, 383; BGH ZfS 2009, 82). Aber die Versicherungswirtschaft versucht natürlich mit allen Mittel die für sie günstigere Fraunhofer-Erhebung, die allerdings gegenüber der Schwacke-Liste erhebliche Mängel aufweist, durchzusetzen. Abzustellen ist im Rahmen des Schadensersatzprozesses aber immer auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für das unfallbeschädigte Fahrzeug. Diesem sind in diesem Zeitpunkt weder die von der Versicherung im Nachhinein vorgelegten Internetangebote bekannt ebenso die Screenshots. Insoweit legt die Versicherung die Ex-post-Betrachtung an, auf die es allerdings nicht ankommt. Bei richtigem Vortrag sind die Argumente der Versicherer daher schnell zu widerlegen. Nachfolgend geben wir Euch auch noch Erläuterungen des Einsenders bekannt:

„In diesem Fall zeigt sich, dass mit entprechender Argumentation zur fehlenden Vergleichbarkeit der Internetangebote mit der konkreten Anmietsituation nach einem Unfall ( insb. Zustellung und Abholung, eigene Screenshots zu Tagespreisen nahe dem Unfalltag) der Versicherung es bei objektiver Herangehensweise nicht gelingen kann, den Schwacke- Mietpresspiegel zu erschüttern. Auch wird durch das OLG Dresden klargestellt, dass die bloße Vorlage von Internet Screenshots per se nicht geeignet ist, dem Schwacke-Mietpreisspiegel die Tauglichkeit als alleinige Schätzgrundlage zur Ermittlung des erforderlichen Wiederherstellungsaufwands gem. §§ 249 ff BGB abzusprechen, bzw. diesen zu erschüttern. Es handelt sich um eine sorgfältige und einzelfallbezogene Argumentation, die für ein erfolgreiches Bestehen in Mietwagenprozessen unabdingbar ist.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße umd ein schönes regenarmes Wochenende
Willi Wacker

Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 7 U 192/14
Landgericht Leipzig, 08 O 3915/12

Verkündet am: 06.05.2015

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

gegen

– Beklagte und Berufungsklägerin –

wegen Forderung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Z. ,
Richter am Oberlandesgericht G. und
Richter am Oberlandesgericht W.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2015 am 06.05.2015

für Recht erkannt:

I,            Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 22.01.2014 – Az: 8 O 3915/12 – wird zurückgewiesen.

II.          Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV,        Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Landgericht Leipzig hat in dem angefochtenen Endurteil zu Recht der Klägerin Schadensersatz für restliche Mietwagenkosten in insgesamt 18 Fällen zugesprochen.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen in der Berufungsbegründung der Beklagten sowie in ihren weiteren Schriftsätzen vom 15. und 30,10.2014 enthalten keine durchgreifenden rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die bei umfassender Würdigung des gesamten Akteninhaltes zu einer Abänderung des landgerichtlichen Urteils führen müssten.

Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht der Berufung kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 16.10.2014 verwiesen werden. An der in diesem Beschluss dargelegten Rechtsauffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die hiergegen erhobenen Einwendungen im Schriftsatz der Beklagten vom 30.10,2014 (auf den freilich die Gewährung rechtlichen Gehörs für die Gegenseite und die Erörterung der dort aufgeworfenen Fragen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung geboten erschien) fest:

1.
Soweit sich die Beklagte mit generellen Einwänden gegen die grundsätzliche Eignung der Schwackeliste wendet, ist darauf zu veweisen, dass der erkennende Senat diese in ständiger Rechtsprechung als Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO heranzieht (vgl. nur OLG Dresden, Urt. v. 26.03.2014. Az: 7 U 1110/13, m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die Schadenshöhe lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden; ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadensscnatzung Verwendung finden (vgl, BGH VersR 2011, 1026).

Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich nicht an einer Heranziehung der Schwackeliste als Schätzgrundlage gehindert. Allein der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt noch nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Zudem kann das Gericht im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles von diesen Listen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen (vgl. BGH. Urt. v. 18.12.2012, Az: VI ZR 316/11).

2.
Aber auch speziell fallbezogene Einwendungen der Beklagten greifen hier im Ergebnis nicht durch. Denn die von ihr erstinstanzlich vorgelegten verschiedenen Preisangebote anderer Autovermieter sind in ihrer Gesamtschau den streitgegenstandlichen Anmietsituationen nicht hinreichend vergleichbar, um aufzuzeigen, dass sich etwaige Mängel der Schätzgrundlage auf die zu entscheidenden Fälle in erheblichem Umfang auswirken. Insoweit hält der Senat daran fest, dass die von der Beklagten vorgelegten „Screenshots“ nicht geeignet sind, ein deutlich niedrigeres Gesamtentgelt für ein in sämtlichen Merkmalen und Anmietbedingungen konkret vergleichbares Fahrzeug in den jeweiligen Anmietzeiträumen darzulegen. Denn den vorgelegten „Screenshots“ ist bereits nicht zu entnehmen, dass die im Zeitpunkt der Anmietung der Unfallersatzwagen noch nicht stets genau feststehende Reparatur- und damit Mietdauer auch bei einer Buchung der vorgelegten Internet-Angebote zunächst hätte offenbleiben bzw. unproblematisch verkürzt oder verlängert werden können. Diesbezüglich hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 26.03.2015 den Sachvortrag der Beklagten bestritten, wonach eine solche Verlängerung der Mietzeit bei Online-Buchungen unproblematisch möglich sei. Soweit die Beklagte sich hierzu auf die Anlage BB3 berufen hat, wurde klägerseits bestritten, dass sich diese Anlage gerade auf Internetbuchungen bezieht. Unabhängig davon betrifft die Anlage lediglich die Regelung von Mietvertragsverlängerungen bei einer einzelnen Firma.

Soweit ausweislich der von Beklagtenseite vorgelegten „Screenshots“ die Fahrzeuge generell bei den Mietwagenanbietern abgeholt werden müssen (was dem Geschädigten nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig nicht zumutbar ist), reicht die pauschale Behauptung, dass bei sämtlichen benannten Autovermietern Fahrzeuge gegen entsprechendes Zusatzentgelt zugestellt werden, nicht aus. Denn es ist Sache des Mietwagenkostenschuldners, sämtliche Kostenpositionen der Höhe nach substantiiert darzulegen, aus denen sich das Angebot für ein in allen Merkmalen und Anmietbedingungen konkret vergleichbares Fahrzeug im Anmietzeitpunkt zusammensetzt. Dies ist aber vorliegend auch auf die weitere Rüge der Klägerseite hin. wonach Zustellung und Abholung überhaupt nicht online buchbar seien (sondern lediglich fakultative Zusatzleistungen darstellen, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, vgl. Anlage K23), nicht näher ausgeführt worden.

3.
Selbst unter Berücksichtigung der in den von Klägerseite vorgelegten Mietverträgen ursprünglich ausgewiesenen Preise (und unter Außerachtlassung der etwa in den Fällen 1, 2, 7, 8 und 14 stattgefundenen Degression im Rahmen der Rechnungslegung) und bei Heranziehung von Wochenpauschalen bzw. 3-Tages-Pauschalen in sämtlichen hierfür geeigneten streitgegenständlichen Fällen wirken sich etwaige hieraus entstehende Differenzen bei der Berechnung des Normaltarifs auf Basis der Schwacke-Liste im Ergebnis nicht zugunsten der Beklagten aus, well auch bei Zugrundelegung eines derart berechneten Normaltarifs eine Ersatzfähigkeit der vom Landgericht im angefochtenen Urteil zugesprochenen Klageforderung in gleicher Höhe gegeben wäre:

Denn der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich ein beachtliches Missverhältnis zwischen dem maßgeblichen Tarif der Schwacke-Liste und dem tatsachlich angebotenen Mietpreis dem Geschädigten regelmäßig nur dann aufdrängen muss, wenn dieser Normaltarif um mindestens 50 % Überschritten worden ist Eine solche Überschreitung ist aber vorliegend auch bei einer für die Beklagtenseite günstigsten Berechnung in keinem der 18 Falle zu konstatieren,
Diese ständige Rechtsprechung des Senats konkretisiert lediglich die vom Bundesgerichtshof (etwa im Urteil vom 04.07.2006, Az: VI ZR 237/05) verwendeten Begriffe des „erheblichen“ bzw. „auffallig hohen“ Abweichens von den Preisen der Schwacke-Liste für den Einzelfall, Mithin sieht der Senat insoweit keine Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, weshalb auch keine Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht.

Die von Beklagtenseite im Sitzungstermin vom 29.04.2015 – in dem die maßgeblichen Rechtsprobleme derartiger Fallkonstellationen erörtert worden sind – angesprochene mögliche Missbrauchsgefahr dergestalt, dass angesichts dieser Rechtsprechung gehäuft „Schwacke + 50 %“ abgerechnet wird, wird vom Senat jedenfalls derzeit als nicht durchgreifend erachtet. Die ihm bislang unterbreiteten Fälle weisen nur vereinzelt – überwiegend geringfügige – Überschreitungen des Schwacke-Tarifs auf.

4.
Hinsichtlich der Kosten für Winterreifen und Haftungsfreistellung kann im Übrigen auf die unangegriffen gebliebenen Darlegungen des Senats in Ziffer II. 3. des  Beschlusses vom 16.10.2014 verwiesen werden.

5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

6.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Wie bereits vorstehend ausgeführt, sieht sich der Senat mit seiner Rechtsprechung im Einklang mit derjenigen des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten.

Z.                                         G.                                W.

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