Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Frankfurt am Main geht es weiter nach Köln. Nachstehend veröffentlichen wir hier für Euch ein Urteil des Amtsgerichts Köln zur fiktiven Schadensabrechnung mit den Positionen Verbringungskosten und Lackmaterial sowie zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die VHV Versicherung. Wie auch andere Versicherer ist auch in diesem Fall die VHV der – irrigen – Meinung, dass bei fiktiver Schadensabrechnung keine Verbringungskosten zu erstatten seien, da diese nicht angefallen seien. Die fiktiven Reparaturkosten hat sie allerdings ersetzt, obwohl auch hier keine Reparaturkosten angefallen sind. Insoweit setzt sich die VHV selbst in Widerspruch. Das Schadensersatzrecht ist eben kein Kostenersatzausgleichsrecht, sondern der Geschädigte hat grundsätzlich Anspruch darauf, dass der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird. Dazu gehört dann auch der Geldbetrag, der entsteht, wenn das Fahrzeug von der Werkstatt zur Lackierfirma gebracht wird, wenn – wie üblich – die Fachwerkstatt nicht über eine eigene Lackiererei verfügt. Aber von der Versicherungsseite ist es ja so einfach, diese Schadensposition einfach zu ignorieren, obwohl bereits unzählige Urteile diesbezüglich ergangen sind. Wegen dieser Frage war auch bereits ein Rechtsstreit beim BGH anhängig, der dann allerdings kurzfristig durch die Versicherung durch Rücknahme der Revision beendet wurde. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
274 C 200/15
Amtsgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Köln
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
21.01.2016
durch die Richterin am Amtsgericht W.
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an denKläger 304,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 31.07.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts entstanden sind. Diese Kosten trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. §§ 313a, 495a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 304,99 € gem. §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die dem Kläger entstandenen Schäden, die auf dem Unfallereignis beruhen, das sich am xx.01.2015 auf dem Parkplatz des Globus-Marktes in Frechen/Marsdorf ereignet hat ist zwischen den Parteien unstreitig.
1. Reparaturkosten
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 251,93 €.
Der Einwand der Beklagten, dass Verbringungskosten in Höhe von 142,50 € bei einer fiktiven Abrechnung nicht zu erstatten seien, greift nicht durch. Soweit in der Rechtsprechung umstritten ist, ob Verbringungskosten auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung ersatzfähig sind, so schließt sich das erkennende Gericht der Auffassung an, dass auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung Verbringungskosten geltend gemacht werden können, soweit sie regional üblich sind. Allerdings bleibt der Geschädigte nach den allgemeinen Grundsätzen dahingehend darlegungs- und beweisbelastet, dass die von ihm geltend gemachten Kosten zur Wiederherstellung seiner Rechtsgüter erforderlich sind. Nach dem in der Rspr. anerkannten Wirtschaftiichkeitsgrundsatz muss der Geschädigte darlegen und beweisen, dass bei einer Reparatur typischerweise Verbringungskosten erhoben worden wären (OLG Düsseldorf vom 16.06.2008 – 1-1 U 246/07, 1 U 246/07, juris Rn. 64; LG Köln v. 31.05.2006 – 13 S 4/06, jurisRn. 11; AG Ansbach v. 15.06.2009 – 2 C 1085/08, juris Rn. 39; AG Ebersberg v. 09.08.2012 – 2 C 745/11, juris Rn. 44). Für die entsprechende Darlegung genügt es, wenn der Geschädigte darlegt, dass in der Werkstatt, in die er das verunfallte Kfz verbracht hätte, und in der Region, in der das Auto repariert werden soll, typischerweise solche Aufschläge erhoben werden (AG Hechingen vom 21.06.2012 – 2 C 416/11, juris Rn. 37). Dieser Nachweis kann durch ein Privatgutachten basierend auf dem jeweiligen regionalen Markt geführt werden, soweit m diesem Gutachten, die entsprechenden Kosten enthalten sind. Dies ist hier durch das vorgelegte Gutachten … (Bl. 13 ff. d.A.) geschehen. Allerdings bleibt der Geschädigte auch in diesem Fall zur Schadensminderung verpflichtet. Soweit der Schädiger ihm daher eine zumutbare Möglichkeit nachweist, eine gleichwertige Reparatur ohne den Anfall von Verbringungskosten durchführen zu lassen, so ist der Geschädigte auf diese günstigere Reparaturmöglichkeit zu verweisen.
Dies ist vorliegend nicht geschehen. Mit ihrer Klageerwiderung wendet die Beklagte lediglich ein, dass Kosten der Fahrzeugverbringung fiktiv nicht geltend gemacht werden können.
Die geltend gemachten Reinigungskosten in Höhe von 15,83 € sind entgegen der Ansicht der Beklagten ebenfalls erstattungsfähig. Auf die Frage, ob eine Verschmutzung unfallkausal ist, kommt es nicht an. Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige führt in seinem Gutachten unter Ziffer XI aus, dass das gegenständliche Fahrzeug zur Schadenbehebung teilweise lackiert werde. Um das Lackierergebnis auf Farbtreue zu den angrenzenden Bauteilen überprüfen zu können sei es zwingend erforderlich, auch die angrenzenden Teile großflächig zu reinigen. Denn nur dann könne das Auge prüfen, ob die Farben passten. Die Kosten für die Reinigung der angrenzenden Flächen seien nicht in den Vorgabezeiten der Lackierung des Herstellers enthalten und von daher zu erfassen. Diese Ausführungen sind in sich nachvollziehbar und plausibel. Mithin handelt es sich bei diesen Kosten nicht um solche, die sich auf die zu bearbeitende und / oder zu lackierende Fläche beziehen, sondern die daran angrenzende Fläche. Mithin handelt es sich hier um zusätzliche Arbeiten, die auch zusätzlich zu vergüten sind, und nicht um Vorarbeiten für die spätere Lackierung.
Letztlich ist der Abzug von 93,60 € für Lackmaterial nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat unter Vorlage des Gutachtens substantiiert dargelegt, dass die Berechnung des Lackmaterials mit 40 % der Lohnkosten ortsüblich ist. Denn die im Gutachten … kalkulierten Preise beruhen auf denjenigen der Fa. … in 54568 Gerolstein-Büscheich/Eifel. Insoweit hätte es der Beklagten für ein substantiiertes Bestreiten oblegen, konkret nachzuweisen, dass es sich bei diesen Preisen um einen Ausreißer nach oben handelt. Mithin wäre sie gehalten gewesen eine andere regionale Werkstatt zu benennen bei der – wie von ihr behauptet – das Lackmateriai mit lediglich 30 % der Lohnkosten berechnet wird. Letztlich schätzt die Abteilungsrichterin die erforderlichen Kosten für das Lackmaterial gem. § 287 ZPO auch auf 40 % der Lohnkosten. Es ist der Abteilungsrichterin, die eine Abteilung mit Sonderzuständigkeit für Verkehrszivilsachen bearbeitet, aus einer Vielzahl von anderen Verfahren bekannt, dass eine Vielzahl von Werkstätten das Lackmaterial mit 40 % der Lohnkosten in Rechnung stellt.
2. Sachverständigenkosten
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 53,06 €.
Die Kosten der Schadensfeststellung – also auch die Sachverständigenkosten – sind Teil des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schadens, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei, er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist er gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei darf jedoch das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (LG Köln, Urteil vom 08.09.2015; 11 S 302/14 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Zum Zwecke der Erstellung eines Schadensgutachtens darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm bei seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Kfz-Sachverständigen zu beauftragen. Er muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe in der Regel durch die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommenen Sachverständigen. Deren Höhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB „erforderlichen“ Betrages, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH a.a.O.). Dem Schädiger obliegt es dann, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies für den Geschädigten auch erkennbar war. Weiter hat der Schädiger die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensmmderung gemäß § 254 Abs, 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen hat.
Ein in Relation zur Schadenhöhe berechnetes Sachverständigenhonorär kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des §249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden (BGH NJW 2007, 1450).
„Erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB ist nicht nur das, was ortsüblich ist. Sogar wenn das Honorar des Sachverständigen objektiv überhöht ist, ist es bei der gebotenen subjektiven Schadenbetrachtung regelmäßig als der „erforderliche“ Aufwand anzuerkennen, es sei denn den Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden oder die Überhöhung ist derart evident, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen. Es kommt also entscheidend darauf an, ob das Honorar erheblich über den Preisen in der Branche lag und der Geschädigte dies auch erkennen konnte. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit eine maßgebende Rolle. Der Geschädigte muss hierfür weder nach einem Sachverständigen mit günstigen Preisen recherchieren, noch muss er die Tabellensätze der BVSK-Honorarumfrage kennen (LG Köln a.a.O.).
Der BGH hat ausgeführt, dass der Geschädigte seiner ihm im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungsläst regelmäßig durch Vorlage der -von ihm beglichenen-Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen genügt Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenhöhe infrage zu steilen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Indes ist der vom Geschädigten aufgewendte Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht, geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit ist auf den Gesamtbetrag der Rechnung abzustellen und nicht auf einzelne Nebenkostenpositionen (LG Köln a.a.O., m.w.N.).
Nach alledem hat der Kläger durch die Vorlage der Rechnung, welche nach seinem unbestrittenen Vortrag beglichen wurde, grundsätzlich die Notwendigkeit der angefallenen Kosten hinreichend dargelegt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die abgerechneten Kosten die branchenüblich im Bezirk des Sachverständigen abgerechneten Kosten erheblich und für den Kläger erkennbar übersteigen, hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Voraussetzung für substantiierte Einwendungen seitens des Schädigers oder der Versicherung ist die Darlegung der üblichen Sätze für das Grundhonorar und die Nebenkosten bezogen auf das nähere örtliche Umfeld sowie die Darlegung, auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch und unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss (LG Köln a.a.O., m.w.N.). Dies hat die Beklagte jedoch nicht ausreichend dargelegt. Die Beklagte legt nicht dar, inwieweit es für den Kläger in seiner konkreten Lage hätte erkennbar sein können und müssen, dass die Rechnung – wie von ihr behauptet – um 53,06 €, mithin um 9 % überhöht ist. Die Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der einzelnen Positionen sind lediglich allgemeiner Natur. Konkreter Vortrag bezogen auf das nähere örtliche Umfeld fehlt ebenso wie zu den konkreten Erkenntnismöglichkeiten des Klagers bei der Auftragserteilung. Auch wird von ihr nicht aufgezeigt, dass dem Kläger ein Auswahlverschulden zur Last zu legen ist.
Nach alledem ist sie zur Zahlung der geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von noch 53,06 € verpflichtet.
Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger gem. §§ 288 Abs. 1, 291, 187 analog BGB zu; Die Klage wurde der Beklagten am 30.07.2015 zugestellt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 281 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Einer weiteren Gelegenheit zur Stellungnahme der Beklagten auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 05.01.2016 bedurfte es nicht, da hierin kein neuer Tatsachenvortrag enthalten ist, auf dem die Entscheidung beruht.
Streitwert: 304,99 €