Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier stellen wir Euch ein Berufungsurteil aus Frankfurt am Main zu den Überführungskosten bei der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges gegen die Sparkassenversicherung und deren Versicherungsnehmer vor. Hierzu geben wir Euch auch noch die Erläuterungen des Einsenders bekannt:
Das Urteil sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass Überführungskosten bei Erwerb eines neuen Ersatzfahrzeugs immer zu ersetzen seien. Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang wohl nach wie vor auch die Verwendung / Bedeutung von Begriffen wie „Gleichwertigkeit“, „Gleichartigkeit“ und „Vergleichbarkeit“, die oft durcheinandergeht. Die Parteien stritten (bei unstreitiger voller Haftung des Schädigers dem Grunde nach) noch über den begehrten Ersatz von Überführungskosten in Höhe von 543,50 €. Die Klägerin hatte als Ersatz für ihren bei dem Unfall wirtschaftlich totalbeschädigten, zum Unfallzeitpunkt ca. 12 Jahre alten (nicht mehr produzierten) Audi A 2 einen neuen VW Polo gekauft und dafür Überführungskosten von 543,50 € an den Verkäufer bezahlt. Die beklagte Sparkassenversicherung Gebäudeversicherung AG lehnte den Ersatz dieser Kosten vollständig ab, das LG Frankfurt a.M. sprach sie im Rahmen der Berufung vollständig zu. Ausschlaggebend waren folgende Punkte: Mit dem OLG Naumburg (im Urteil zitiert) ging das LG davon aus, dass der Kauf eines Neufahrzeugs als Ersatz für einen ca. 12 Jahre alten Wagen grundsätzlich als Ersatzbeschaffung unter § 249 BGB fallen kann, die Neuwertigkeit dem also nicht prinzipiell entgegensteht. Hinzu kam, dass von hier vorgetragen werden konnte, dass auf dem regionalen Markt kein und in Deutschland nur ein einziges wirklich gleichwertiges Fahrzeug bzw. nur einige halbwegs vergleichbare Fahrzeuge angeboten wurden, die sich sämtlich in Entfernungen von 180 km und mehr befanden. Dies bestritt die Beklagte nicht ausreichend substantiiert. Ferner konnte vorgetragen werden, daaa auch die Beschaffung eines der mehr oder weniger gleichwertigen auf dem deutschen Markt vorhandenen Ersatzfahrzeuge mit Überführungskosten in Höhe der Klageforderung verbunden gewesen wäre. Auch dem trat die Beklagte nicht substantiiert entgegen. Missverständlich formuliert ist das Urteil auf S. 4, wo davon die Rede ist, es sei dargelegt worden, „dass ein gleichartiger und gleichwertiger Gebrauchtwagen auf dem deutschen Markt nicht verfügbar gewesen sei“. Das wurde so nicht vorgetragen, sondern, dass in der näheren Umgebung und auf dem regionalen Markt kein solches Fahrzeug zu finden war.
Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Landgericht Frankfurt am Main Verkündet am: 22.10.2015
Aktenzeichen: 2-24 S 11/15
383 C 2887/13 (43) Amtsgericht Frankfurt am Main
I m N a m e n d e s V o l k e s
U r t e i l
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin und Berufungsklägerin
- …
- Sparkassenversicherung Gebäudeversicherung AG …
Beklagte und Berufungsbeklagte
hat die 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main
durch den Richter Dr. G.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2015
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst, vom 03.12.2014 (Az. 383 C 2887/13 (43)) wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 646,27 EUR nebst Zinsen aus 543,50 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2013 bis zum 29.01.2014 und aus 646,27 EUR seit dem 30.01.2014 zu zahlen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Anstelle eines Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen
Urteil Bezug genommen, §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Überführungskosten (einschließlich der Umsatzsteuer) gegenüber der Beklagten aus § 249 Abs. 2 BGB zu.
Das Amtsgericht hat der Klägerin die Überführungskosten nicht zugesprochen, weil die Erstattungsfähigkeit eine Vergleichbarkeit des verunfallten mit dem angeschafften Ersatzfahrzeugs voraussetze. Auch scheitere die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten fiktiven Überführungskosten bereits daran, dass diese Kosten bei der Klägerin nicht angefallen seien. Dies folge daraus, dass die Klägerin auf die Anschaffung eines vergleichbaren Altfahrzeugs verzichtet habe. Die Klägerin habe schließlich nicht dargetan, dass auf dem örtlichen Gebrauchtwagenmarkt kein gebrauchter VW Polo ausfindig zu machen gewesen wäre. Die geltend gemachten Überführungskosten wären auch für einen gebrauchten Pkw nicht erforderlich und angemessen gewesen. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht seien die Kosten insofern nicht erstattungsfähig.
Dies hat die Klägerin mit ihrer Berufung erfolgreich angegriffen. Eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes durch die Beschaffung des Ersatzfahrzeugs seitens der Klägerin liegt nicht vor. Aus der Ungleichwertigkeit zwischen dem beschädigten und dem erworbenen Fahrzeugs folgt nichts anderes. Das Berufungsgericht erachtet es mit Blick auf die vorzunehmende Naturalrestitution als unschädlich, wenn die Klägerin wie hier nicht bloß ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erwirbt, sondern ein höherwertiges. In dem hier zu entscheidenden Fall führt der Erwerb eines höherwertigen Ersatzfahrzeugs gegenüber einem total geschädigten Fahrzeug nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs. Die Beschaffung eines höherwertigen Fahrzeugs ändert nämlich nichts daran, dass die Klägerin sich als Geschädigte zu einer Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs an sich herausgefordert wurde. Auch stellt die Beschaffung eines neueren als des beschädigten Fahrzeugs keine ungewöhnliche Reaktion des Geschädigten dar. Mit Blick auf die Frage nach dem Umfang der Einstandspflicht des Schädigers setzt § 249 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem darin verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot der Erstattungsfähigkeit eine Grenze. Insofern wird auch in dem Fall, in dem sich der Geschädigte entschließt, ein höherwertiges Fahrzeug zu erwerben, den Interessen des Schädigers in angemessener Weise Rechnung getragen (vgl. dazu: OLG Naumburg, Urteil vom 10.06.2010 – 2 U 7/10 – Rn. 10 f. (zit. nach juris)).
Auch die hier hohe Altersdivergenz zwischen dem geschädigten und dem als Ersatz erworbenen Fahrzeug den Kausalverlauf unterbricht den Kausalverlauf nicht. Die Pflicht zur Kompensation des Schadens bleibt nämlich dem Grunde nach auch bei der Beschaffung eines höherwertigen Ersatzfahrzeugs aufrecht erhalten. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Höherwertigkeit eines Ersatzfahrzeugs im Rahmen der Begrenzung der Höhe der erstattungsfähigen Kosten nach Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB angemessen berücksichtigt werden kann (vgl. dazu auch: OLG Naumburg, Urteil vom 10.06.2010 – 2 U 7/10 – Rn. 11 (zit. nach juris)). Die Frage der vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots stehenden Kostenbegrenzung ist jedoch hier nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. Die Klägerin hat nämlich vorgetragen, dass eine andere als die konkret gewählte Ersatzbeschaffungsmöglichkeit nicht wirtschaftlicher gewesen wäre, weil in den anderen Fällen der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ebenfalls Transportbzw. Überführungskosten in Höhe des mit der Klageforderung geltend gemachten Betrages angefallen wären. Sie hat dahingehend vorgetragen, dass auch ein „vergleichbares gebrauchtes Ersatzfahrzeug hätte überführt werden müssen“ (Klageschrift vom 06.11.2013, Bl. 2 dA). Die Klägerin hat insbesondere dargelegt, dass ein gleichartiger und gleichwertiger Gebrauchtwagen auf dem deutschen Markt nicht verfügbar gewesen sein (Schriftsätze vom 18.3.2014 und 13.5.2014, Bl. 32 und 58 d.A.) und auf dem regionalen Markt (Umkreis von 50 km) keine vergleichbaren Fahrzeugen vorhanden gewesen wären. Schließlich hat die Klägerin vorgetragen, dass sich im Suchgebiet Deutschland nur ein Fahrzeug mit einem vergleichbaren Panoramadach befunden habe.
Dem Vortrag der Klägerin, einschließlich deren Behauptung, die Abschleppkosten bei einer anderweitigen Ersatzbeschaffung hätten die geltend.gemachten Überführungskosten erreicht (Klageschrift vom 06.11.2013, Bl. 3 d.A.), ist die Beklagte nicht ausreichend sub-stantiiert entgegengetreten. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, mit Blick auf die Darlegungen der Klägerseite vorzutragen, dass die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Fahrzeugs wirtschaftlicher gewesen wäre als der Erwerb des VW Polo, hinsichtlich dessen (konkret) Überführungskosten anfielen. Die Klägerin hat zwar, weil das Ersatzfahrzeug neuer war als das Geschädigte, kein gleichwertiges Fahrzeug erworben, gleichwohl hat sie ein gleichartiges Fahrzeug erworben. Die Gleichartigkeit ergibt sich aus einer wirtschaftlichen und funktionalen Betrachtung. Das von der Klägerin erworbene Fahrzeug ist an die Steile des durch den Unfall beschädigten Fahrzeugs getreten und hat dieses ersetzt. Sowohl der beschädigte Audi A2 als auch der zum Ersatz erworbene VW Polo gehören zu der Fahrzeugklasse „Kleinwagen“.
Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Berufungserwiderung wie im Rahmen der ersten Instanz bestritten hat, dass auf dem regionalen Markt vergleichbare Fahrzeuge nicht zu finden gewesen seien, so war dieses Bestreiten nicht hinreichend substantiiert (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2014, § 138 ZPO, Rn. 8a). Auch wenn es nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung des BGH „in der Regel“ ausreichend ist, wenn die Partei eine Tatsachenbehauptung einfach bestreitet (vgl. BGH Urt. v. 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 = NJW 1999, 1404 (1405) sowie von Seile, in: BeckOK ZPO § 138 Rn. 15-20 m.w.N.), hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, folgt aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH Urt. v. 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 = NJW 1999, 1404 (1405)). Die Beklagte war gehalten, die Behauptung der Klägerin, keine andere als die konkret gewählte Ersatzbeschaffungsmöglichkeit wäre wirtschaftlicher gewesen, weil in den anderen Fällen der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ebenfalls Abschleppkosten in Höhe des mit der Klageforderung geltend gemachten Betrages, den die Klägerin für die Überführungskosten beanspruchte, angefallen wären, qualifiziert zu bestreiten und insofern die Behauptung zu widerlegen. Es oblag der Beklagten, vorzutragen, dass entsprechende Fahrzeuge verfügbar und gerade mit Blick auf das Entstehen von Transport- bzw. Überführungskosten wirtschaftlicher hätten beschafft werden können (vgl. LG Gera, Urt, v. 25.02.2004 – 1 S 127/03 = BeckRS 2008, 00165; OLG Naumburg, Urteil vom 10.06.2010 – 2 U 7/10 – Rn. 12 (zit. nach juris)).
Auch ist der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Höhe der Überführungskosten gemäß § 278 ZPO geschätzt werden könne (Klageschrift vom 06.11.2013, Bl. 3 d.A.) unschädlich, weil es der Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt oblag, vorzutragen, dass die konkret gewählte Ersatzbeschaffungsmöglichkeit die wirtschaftlichste gewesen sei. Dies hat die Klägerin getan. Wenn auch bei § 287 ZPO geringere Anforderungen an die Darlegungslast des Geschädigten gestellt werden als bei § 286 ZPO und es insofern genügt, wenn der Geschädigte Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach §287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten (BGH NJW-RR 2007, 569 Rn. 21; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 287 Rn. 13-16, beck-online), schadet es nicht, wenn der Geschädigte den konkret beanspruchten Betrag benennt – wie hier- und sich lediglich ergänzend auf § 287 ZPO bezieht, was die Höhe der hier von der Beklagten darzulegenden Abschlepp- bzw. Transportkosten in den anderen Ersatzbeschaffungsvarianten erwarteten Abschleppkosten angeht.
Eines (weiteren) Hinweises des Berufungsgerichts auf den hier entscheidungserheblichen Gesichtspunkt bedurfte es nicht mehr. Das Berufungsgericht hat in der Berufungserwide-rungsverfügung (Bl. 123 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Berufungskammer der Entscheidung des OLG Naumburg vom 10.06.2010 (Az. 2 U 7/10) folgen würde, weil ein vergleichbarer Sachverhalt gegebenen sein dürfte. Das OLG Naumburg hat sich in seiner Entscheidung, die den Parteien bereits im Rahmen der ersten Instanz bekannt war, und über deren Details die Parteien bereits erstinstanzlich stritten, ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Schädiger auf den Vortrag des Geschädigten, der eine konkrete Beschaffungsmöglichkeit als die wirtschaftlichste vorträgt, zu reagieren hat (OLG Naumburg, Urteil vom 10.06.2010 – 2 U 7/10 – Rn. 12 (zit. nach juris)). Dementsprechend war die Beklagte jedenfalls auf den Hinweis des Gerichts, dass es der Entscheidung des OLG Naumburg folgen würde, gehalten, im Rahmen der Berufungserwiderung (in tatsächlicher Hinsicht) substantiiert zu wirtschaftlichen Alternativen vorzutragen. Insofern bedurfte es weder eines weiteren Hinweises noch der Bestimmung einer Frist, in der eine Erklärung in einem Schriftsatz nachgebracht werden konnte (§ 139 Abs. 5 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91; 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.