Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute morgen stellen wir Euch hier ein Berufungsurteil des LG Aachen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Versicherung vor. Im Wesentlichen handelt es sich um ein gutes Urteil, das allerdings mit kleinen Fehlern behaftet ist. Die Fehler betreffen insbesondere die Bezugnahme auf die BVSK-Honorarumfrage und das Verdrehen von Inhalten des BGH-Urteils zur zulässigen Verwendung dieser Liste. Der BGH hatte nämlich entschieden, dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Honorarumfrage nicht kennen muss (vgl. BGH VI ZR 225/13), Gleichwohl wird gerade dieses BGH-Urteil als Vorwand benutzt, die einzelnen Positionen der Rechnung an der BVSK-Honorarumfrage zu messen. Das ist unseres Erachtens eine juristische Ungenauigkeit. Was denkt Ihr? Lest selbst das Berufungsurteil des LG Aachen und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
6 S 144/16 Verkündet am 11.03.2016
19 C 284/15 Amtsgericht Heinsberg
Landgericht Aachen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des … ,
Klägers und Berufungsklägers,
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Constantlnstraße 90, 30177 Hannover,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen
auf die mündliche Verhandlung vcm 26.02.2016
durch den Präsidenten des Landgerichts Dr. W., die Vorsitzende Richterin
am Landgericht W. und den Richter am Landgericht S.
für Recht erkannt:
Auf die Berufung wird das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Heinsberg vom 19.11.2015 – 19 C 284/15 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasstt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 55,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 21,04 € seit dem 02.07.2015 und aus weiteren 34,58 € seit dem 07.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Klager von außergerichtlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte … in Höhe von netto 70,20 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich der streitgegenstindlichen Rechnungen ist folgendes zu ergänzen:
Mit Rechnung vom 12.05.2015 (81. 5 dA) stellte der Kläger dem Geschädigten des Verkehrsunfalls vom 08.05.2015 einen Betrag in Höhe von 571,80 € brutto in Rechnung, der sich wie folgt zusammensetzt:
1. Grundhonorar 425,00 €
2. Fahrtkosten 14 km x 0,75 €/km 10,50 €
3. Lichtbilder 6 Stck. x 2,00 € 12,00 €
4. Schreib- und EDV-Kosten 23,00 €
5. Auslagen Telefon und Porto 10,00 €
6. Mehrwertsteuer 91,30 €.
Mit Rechnung vorn 09.09.2015 (Bl. 43 d.A.) stellte der Kläger dem Geschädigten des Verkehrsunfalls vom 04.09.2015 einen Betrag in Höhe von 543,53 € brutto in Rechnung, der sich wie folgt zusammensetzt:
1. Grundhonorar 410,00 €
2. Fahrtkosten 5 km x 0,75 €/km 3,75 €
3. Lichtbilder 6 Stck. x 2,00 € 12,00 €
4. Schreib- und EDV-Kosten 21,00 €
5. Auslagen Telefon und Porto 10,00 €
6. Mehrwertsteuer 86,78 €.
Das Amtsgericht hat die Klage ganz überwiegend abgewiesen und die Beklagte lediglich zur Zahlung von 8,70 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass neben dem Grundhonorar nur die tatsächlich entstandenen und notwendigen Auslagen erstattungsfähig seien. Hierzu fehle es an Vortrag das Klägers. Gerechtfertigt sei jedoch eine Auslagenpauschaie von 25,00 €, so dass in Bezug auf die Rechnung vorn 09.09.2015 noch ein Betrag in Höhe von 8,70 € offen sei. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen ursprünglichen Klageantrag weiter. Zur Begründung führt er aus, dass das Amtsgericht zu Unrecht von der Unangemessenheit einzelner Rechnungspositionen ausgegangen sei. Die durch die vorgelegten Rechnungen indizierte Angemessenheit sei von der Beklagten nicht widerlegt worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Heinsberg vom 19.11.2015, 19 C 284/15, zu verurteilen,
1. an den Kläger über die ausgeurteilten 8,70 € nebst Zinsen hinaus weitere 48,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag in Höhe von 21,04 € sei dem 02.07.2015 und aus weiteren 25,88 € sei dem 07.10.2015 zu zahlen;
2. den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte … in Höhe von netto 70,20 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
A)
Denn dem Kläger steht nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB ein Anspruch auf Zahlung weiterer 55,82 € gegenüber der Beklagten.
1.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der (erforderlichen) Sachverständigenkosten dem Grunde nach zu.
Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs des jeweils Geschädigten gegenüber der Beklagten aufgrund der streitgegentständlichen Verkehrsunfälle vom 08.05.2015 und vom 04.09.2015 steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
Diese Ansprüche sind infolge wirksamer Abtretungen auf den Kläger übergegangen.
2.
Aufgrund des Verkehrsunfalls sind den Geschädigten erstattungsfihige Sachverständigenkosten in Höhe von 571,80 € und in Höhe von 543,53 € entstanden. Nach den Zahlungen der Beklagten in Höhe von 550,78 € und in Höhe von 508,95 € ist noch ein Betrag von 55,82 € offen.
a)
Gibt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Höhe des Sachschadens in Auftrag, kann er Erstattung dieser Kosten vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherung insoweit verlangen, als diese Kosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren.
Maßgebend sind nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.1996, VI ZR 138/95, zitiert nach Juris). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach Juris, m.w.N.).
Da bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs auch im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden darf, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll, ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen; auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte entsprechend damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, ohne dass er zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben müsste (vgl BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach Juris, m.w.N.).
b)
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen; diese tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismögfiohkefen des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach juris, m.w.N.).
Diese Indizwirkung tritt vorliegend durch Vorlage der Rechnungen vorn 12.05.2015 und vom 09.09.2015 ein. Hierbei ist unschädlich, dass die Rechnungsbeträge bis jetzt nicht von den Geschädigten erstattet worden sind, sondern der Sachverständige sich erfüllungshalber die korrespondierenden Schadensersatzansprüche der Geschädigten hat abtreten lassen. Da die Abtretung nur erfüllungshalber erfolgt ist, sind die Geschädigten weiterhin verpflichtet, den Rechnungsbetrag gegenüber dem Sachverständigen zu erstatten. Ihr Vermögen ist mithin bis zur Begleichung mit dieser Zahlungspflicht belastet. Es ist auch nicht vorgetragen und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine persönliche Inanspruchnahme der Geschädigten von vornherein nicht beabsichtigt war, die Rechnung mithin nur zur Inanspruchnahme der Beklagten ausgestellt worden ist.
c)
Das vorgenannte Indiz für die Erforderlichkeit ist jedoch widerlegt, wenn die tatsächliche Rechnungshöhe für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt; ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dagegen grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, jeweils zitiert nach Juris). Nur wenn eine derartige Widerlegung anzunehmen ist, kann das Gericht im Rahmen der freien Schadensbemessung nach § 287 Abs, 1 ZPO eine Kürzung des Rechnungsbetrags – auf der Grundlage geeigneter Schätzungsgrundlagen – insbesondere der Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes – vornehmen (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach juhs).
Vorliegend ist eine derartige Widerlegung der Indizwirkung nicht festzustellen. Es kann bereits eine Überschreitung der üblichen Preise nicht angenommen werden, so dass es auf die Frage der Erkennbarkeit nicht ankommt.
i.
Die Höhe des vom Kläger in der Rechnung vom 12.05.2015 aufgeführten Grundhonorars wird von der Beklagten nicht beanstandet.
Der Einwand der Beklagten, in Bezug auf die Rechnung vom 09.09.2015 sei die
Schadenshöhe nicht angegeben, so dass sich die Angemessenheit des Grundhonorars nicht überprüfen lasse, geht ins Leere. Der Beklagten wurde das Sachverständigengutachten übersandt (vgl. hierzu auch Bl. 41 d.A.), so dass es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen wäre, zur Angemessenheit des Grundhonorars Stellung zu nehmen.
ii.
Auch in Bezug auf die abgerechneten Nebenkosten hat die Beklagte keine beachtlichen Einwendungen erhoben.
Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Entstehung und die Notwendigkeit der Auslagen konkret darzulegen und zu beweisen sei, nicht. So ergibt sich die Möglichkeit der pauschalen Abrechnung bereits aus der gesetzlichen Wertung des JVEG, das dem gerichtlich bestellten Sachverstandigen neben dem Honorar gemäß § 12 einen zusätzlichen Anspruch auf Erstattung pauschaler Schreib- und Fotokosten gewährt.
Auch die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe der Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten greifen nicht durch. Selbst wenn die abgerechneten Kosten die tatsächlich angefallenen Kosten übersteigen sollten, ist die indizierte Angemessenheit der Höhe der tatsächlich abgerechneten Nebenkosten von der Beklagten nicht hinreichend angegriffen worden. Die hierzu erfolgten Ausführungen der Beklagten erschöpfen sich in allgemeinen Erwägungen zur Kostenentwicklung von Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten. Diese Erwägungen sind jedoch nicht zielführend, da bei dem Sachverständigen nicht nur Kosten für die konkrete Anfertigung von Schreiben und Fotos sowie Telekommunikation anfallen, sondern auch Vorhaltekosten u.a. entstehen, die der Sachverständige umlegen darf. Dementsprechend wäre es erforderlich gewesen, darzulegen, dass derartige Positionen bei der Erstellung von Sachverständigengutachten üblicherweise in geringerer Höhe anfallen und es dem Geschädigten so durch die Inanspruchnahme eines anderen Sachverstandigen überhaupt möglich gewesen wäre, diese Kosten zu vermeiden. Hierzu fehlt indes jegliches Vorbringen der Beklagten. Vielmehr ergibt sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2015 sogar, dass üblicherweise Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten in der hier streitgegenständlichen Größenordnung berechnet werden.
Auch gegen die Angemessenheit der abgerechneten Fahrtkosten wurden von der Beklagten keine erheblichen Einwendungen erhoben. Eine Deckelung der Fahrtkosten auf 0,30 € je Kilometer ergibt sich insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 5 JVEG. Diese ist nicht unmittelbar anwendbar und aus ihrer allgemeinen Wertung folgt nicht, dass auch außerhalb des Anwendungsbereichs maximal Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € zu erstatten sind. Auch diesbezüglich spricht die BVSK-Honorarbefragung 2015 eher dafür, dass üblicherweise Fahrtkosten in der hier streitgegenständlichen Größenordnung berechnet werden. Schließlich geht auch die Ansicht der Beklagten, der Geschädigte habe gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem er einen ortsfernen Sachverständigen beauftragt habe, fehl. Da für die Annahme starrer Entfernungsgrenzen kein Raum ist, hätte die Beklagte, die für einen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB darlegungsbelastet ist, schon konkret vortragen müssen, dass dem Geschädigten die Beauftragung eines ortsnäheren Sachverständigen ohne weiteres möglich gewesen wäre und hierdurch geringfügigere Kosten entstanden wären. An solchem Vortrag fehlt es.
B)
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
C)
Der Anspruch auf Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € ergibt sich aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Beim vorgerichtlichen Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten des Klägers befand sich die Beklagte im Hinblick auf die Mahnung des Klägers vom 24.06.2015 (Bl. 9 d.A.) in Verzug.
D)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Voilstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gegenstandswert für den ersten und den zweiten Rechttszug:……..46,92 €
Dr. W. W. S.
Absolut hervorragendes Urteil!
Ich kann keinen Aspekt für eine begründete Kritik erkennen.
In Aachen und Umgebung ist die VHV-Kürzungsliste damit beerdigt.
Hallo Vorstand,deine Gerichts-und Anwaltskostenverschwendung sollte man jetzt bei der Bafin anzeigen.
Guten Morgen, geschätzte CH-Redaktion,
dieses Berufungsurteil des LG Aachen enthält in der Tat bis auf marginale Überlegungen schadenersatzrechtlich korrekt dargelegte Beurteilungskriterien. Die Bezugnahme auf eine BVSK-Honorarbefragung war somit auch nicht entscheidungserheblich. Insgesamt kann man aber
die Begründungsinhalte meiner Meinung nach doch nachvollziehen, denn wo gibt es schon ein Idealurteil?
G.v.H.
Das folgende ist doch zur Thematik „Schadenersatz“ mit der gebotenen Klarheit sehr gut dargeboten:Auch in Bezug auf die abgerechneten Nebenkosten hat die Beklagte keine beachtlichen Einwendungen erhoben.
„Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Entstehung und die Notwendigkeit der Auslagen konkret darzulegen und zu beweisen sei, nicht. So ergibt sich die Möglichkeit der pauschalen Abrechnung bereits aus der gesetzlichen Wertung des JVEG, das dem gerichtlich bestellten Sachverstandigen neben dem Honorar gemäß § 12 einen zusätzlichen Anspruch auf Erstattung pauschaler Schreib- und Fotokosten gewährt.
Auch die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe der Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten greifen nicht durch. Selbst wenn die abgerechneten Kosten die tatsächlich angefallenen Kosten übersteigen sollten, ist die indizierte Angemessenheit der Höhe der tatsächlich abgerechneten Nebenkosten von der Beklagten nicht hinreichend angegriffen worden. Die hierzu erfolgten Ausführungen der Beklagten erschöpfen sich in allgemeinen Erwägungen zur Kostenentwicklung von Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten. Diese Erwägungen sind jedoch nicht zielführend, da bei dem Sachverständigen nicht nur Kosten für die konkrete Anfertigung von Schreiben und Fotos sowie Telekommunikation anfallen, sondern auch Vorhaltekosten u.a. entstehen, die der Sachverständige umlegen darf. Dementsprechend wäre es erforderlich gewesen, darzulegen, dass derartige Positionen bei der Erstellung von Sachverständigengutachten üblicherweise in geringerer Höhe anfallen und es dem Geschädigten so durch die Inanspruchnahme eines anderen Sachverstandigen überhaupt möglich gewesen wäre, diese Kosten zu vermeiden. Hierzu fehlt indes jegliches Vorbringen der Beklagten. Vielmehr ergibt sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2015 sogar, dass üblicherweise Schreib-, Foto- und Telekommunikationskosten in der hier streitgegenständlichen Größenordnung berechnet werden.
Auch gegen die Angemessenheit der abgerechneten Fahrtkosten wurden von der Beklagten keine erheblichen Einwendungen erhoben. Eine Deckelung der Fahrtkosten auf 0,30 € je Kilometer ergibt sich insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 5 JVEG. Diese ist nicht unmittelbar anwendbar und aus ihrer allgemeinen Wertung folgt nicht, dass auch außerhalb des Anwendungsbereichs maximal Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € zu erstatten sind. Auch diesbezüglich spricht die BVSK-Honorarbefragung 2015 eher dafür, dass üblicherweise Fahrtkosten in der hier streitgegenständlichen Größenordnung berechnet werden. Schließlich geht auch die Ansicht der Beklagten, der Geschädigte habe gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem er einen ortsfernen Sachverständigen beauftragt habe, fehl. Da für die Annahme starrer Entfernungsgrenzen kein Raum ist, hätte die Beklagte, die für einen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB darlegungsbelastet ist, schon konkret vortragen müssen, dass dem Geschädigten die Beauftragung eines ortsnäheren Sachverständigen ohne weiteres möglich gewesen wäre und hierdurch geringfügigere Kosten entstanden wären. An solchem Vortrag fehlt es.“
Beachte: Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB aber auch nicht, wenn den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft.
Die Entscheidungsgründe in diesem Berufungsurteil beleuchten systematisch und besonders deutlich, die Schwachstellen in der Argumentation der Beklagtenseite zur Frage der Erforderlichkeit bzw. zu einer zumindest behaupteten eklatanten Überhöhung der Nebenkosten.
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum & Tangendorf
Und wieder eine LG Entscheidung mit Durchblick, aus Halle gibt es auch bald wieder was positives vom LG zu lesen, blöd nur das die in Halle immer noch die Rechnungseinzelpositionen nach BVSK prüfen. Übrigens seit dem ich die Nebenkosten, auf Anraten mehrerer Richter, nicht mehr gesondert ausweise, habe ich kaum noch Probleme mit Kürzungen. Auch seid Ihr selbst dran Schuld, wenn Ihr Eure Honorartabellen nicht veröffentlicht und somit auf den BVSK zurück gegriffen werden kann.
@Dipl.-Ing. Harald Rasche
Das ganze Getöse um nicht erforderliche oder angeblich überhöhte Nebenkosten, relativiert sich als schadenersatzrechtlich nicht erheblich durch die bereits angesprochene Feststellung des Berufungsgerichts. die da lautet:
„Auch in Bezug auf die abgerechneten Nebenkosten hat die Beklagte keine beachtlichen Einwendungen erhoben.“
Das sollte man auch seitens anderer Gerichte sauber zu trennen bzw. zu unterscheiden wissen, wie Willi Wacker an anderer Stelle zutreffend wie folgt angemerkt hat:
„Es geht hier nicht um Honorarklagen im Sinne des Werkvertragsrechts, sondern um Schadensersatzklagen auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten. Das erstere hat seine Anspruchsgrundlage in den §§ 631 ff. BGB, das andere in den §§ 249 ff. BGB.“
Damit sind bereits die Inhalte a l l e r Kürzungsschreiben obsolet, denn die stützen sich auf nicht ausreichend konkrete Behauptungen oder Bezugnahmen, wie z.B. auf das HUK-Coburg Honorartableau.
Nicht umsonst wird – strategisch übrigens verständlich – versicherungsseitig ein Auswahlverschulden nicht ins Spiel gebracht, denn ist ein solches nicht feststellbar, kann ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht ebenfalls nicht unterstellt werden.
Auch Einwände unter Anführung von Kostenrelationen führen nicht zu einer Auflösung der Schadenersatzverpflichtung, weil damit keine konkrete Antwort auf die schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante subjektbezogene Schlüsselfrage gegeben wird, ob ein Unfallgeschädigter vor Auftragserteilung auf Grund solcher Kostenrelationen sich hinsichtlich der Erforderlichkeit hätte Gedanken machen müssen. Selbst das Überschreiten von Höchstsätzen einer Honorarbefragung ergibt für sich allein keinen Anlass zu einer schadenersatzrechtlich willkürlichen Kürzung bzw. auf eine unter normativen Gesichtspunkten gerichtsseitig für aureichend gehaltene Zubilligung von Schadenersatz.
Das ist vor dem Hintergrund verständlich, dass die hier auch schon wiederholt angesprochenen Rechtsfolgen aus der Stellung des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers nicht zu Lasten des Unfallopfers gehen dürfen.
Ein substantiierter Vortrag der Beklagtenseite wäre also n u r d a n n gegeben, wenn diese darlegen und ggf. beweisen würde, dass das Gros der Sachverständigen deutlich niedriger abrechnet und dies dem Geschädigten auch bekannt sein musste. Dies wäre jedoch erst dann anzunehmen, wenn die in Ansatz gebrachten Positionen die regelmäßig abgerechneten Sätze (hier kann auf „die BVSK Bezug“ genommen werden) „um ein Vielfaches“ übersteigen. Wo lässt sich das konkret feststellen ?
Knurrhahn
Hallo, Willi Wacker,
Da liest man in diesem Urteil u. a.:
„…..ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dagegen grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, jeweils zitiert nach Juris). Nur wenn eine derartige Widerlegung anzunehmen ist, kann das Gericht im Rahmen der freien Schadensbemessung nach § 287 Abs, 1 ZPO eine Kürzung des Rechnungsbetrags – auf der Grundlage geeigneter Schätzungsgrundlagen – insbesondere der Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes – vornehmen (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, zitiert nach juhs).“
Da ist m.E. die vom Bundeskartellamt genehmigte gemeinsame Honorarbefragung zweier Berufsverbände VKs/BVK weitaus geeigneter als die Teilhonorarbefragung eines Berufsverbandes, dessen Nähe zur Versicherungswirtschaft inzwischen vielfach bekannt ist. Die Vorgabe von Nebenkosten als „Empfehlung“ hat sowieso nichts mit einer qualifizierten und unabhängigen Befragung zu tun.
Aber über eine solche Schiene läuft dann die Bezugnahme auf eine angeblich veranlasste „Schätzung“, die eigentlich im Sinne des § 249 BGB beweiserleichtern dem gGeschädigten zu Gute kommen soll.
Sowohl das AG Köln als auch das AG Leverkusen haben sinngemäß im Zusammenhang mit einer „Schätzung“ verständlich und plausibel ausgeführt:
„Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).“
„Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, führt weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vorneherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (BGH a.a.O.).“
Padre O.
@Padre O. „…die vom Bundeskartellamt genehmigte gemeinsame Honorarbefragung zweier Berufsverbände VKs/BVK „?? Aha – eine „Bundeskartellamtsgenehmigung“ für VKS und BVK.
Das soll vielleicht der Legendenbildung dienen, ist aber so blöd, dass es keiner glaubt.
@juri
Da hat der Padre O. wohl nicht richtig hingehört, denn richtig muss es heißen:
„Erläuterung zur VKS / BVK Honorarumfrage 2012/2013:
Die gemeinsame Honorarumfrage der Sachverständigenverbände VKS (Verband der der
unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V.) und BVK (Bundesverband öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kraftfahrzeug-Sachverständiger e.V.) wurde zwischen September 2012 und dem ersten Quartal 2013 in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt durchgeführt.“
Holger F.
@Holger F.
Ich les das zwar – allein mir fehlt der rechte Glaube. Wenn das Bundeskartellamt dies bestätigte – was nie und nimmer nicht erfolgen wird, weil nämlich frei erfunden – dann glaub ich das.
Wir ziehen und doch die Hose nicht mit der Kneifzange an.
@Juri
Nicht alles zu glauben ist gut, wie es ebenso gut ist, das nicht Geglaubte zu hinterfragen. Was hindert Dich in Deinen Zweifeln daran, einfach spontan zum Hörer zu greifen und den Präsidenten des VKS oder die Geschäftsstelle des VKS um nähere Auskunft zu bitten, die Deine Zweifel ausräumen? Vielleicht hat Dein hoffentlich aufrichtiges Eingeständnis, dass dir der rechte Glaube fehle, aber auch ganz andere Hintergründe?
Allein nicht ansatzweise konkret Zweifel zu streuen, wäre allerdings nicht mehr als der Abklatsch nicht beherrschter Rabulistik.Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung.
Holger F.
Holger F.@ Welches Gewicht soll denn der Aussage eines „Verbandspräsidenten“, oder dieses „Verbandes“ selbst – der ja nicht einmal 100 aktive Mitgliedern vorzeigen kann (von einigen Karteileichen einmal abgesehen) beigemessen werden? .. ..Alles einfach nur lächerlich.
@Juri
Gute Frage ! nächste Frage??
Finde das doch bitte selbst einfach heraus. Vielleicht kannst Du dann auf dem Podest der Schlauen im Scheinwerferlicht stehen. Ich habe den Eindruck, dass Du einen Sack voll Frust hier ausschütten möchtest.- Oder soll ich Dir etwa die Beichte abnehmen? Nicht reden, sondern handeln wäre sinnvoll.-
Freundlichst
Padre Bernado
Auch Landgericht Bochum hat mit Berufungsurteil vom 31.05.2016 – I-9 S 18/16 (68 C 342/15) die Bedeutung des HUK-Coburg-Honorartableaus als Beurteilungsgrundlage für die Regulierungsverpflichtung abgerechneter Gutachterkosten kritisch beleuchtet und im beurteilungsrelevanten Zusammenhang auch den Inhalt der bekannten Kürzungsschreiben angesprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
“ Soweit die Beklagte der Ansicht ist, unter Berücksichtigung ihres Honorartableaus als Schätzungsgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO stehe der Klägerin ein über den bereits außergerichtlichen Betrag hinausgehender Schadenersatzanspruch im Hinblick auf die Sachverständigenkosten nicht zu, weil die gem. § 249 Abs. 2 S.1 BGB erforderlichen Kosten ausgeglichen worden seien, so vermag die Kammer sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.
Das Honorartableau der Beklagten kann bereits deswegen nicht als Schätzungsgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO herangezogen werden, weil nicht ersichtlich ist, wie die dortigen Zahlen zustande gekommen sind, so dass ihre Verlässlichkeit nicht beurteilt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann zudem nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass das Honorartableau ausschließlich von den Interessen der Beklagten geprägt ist.“
R-REPORT-AKTUELL