Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
an diesem verregneten Sonnabend veröffentlichen wir für Euch hier ein positives Urteil aus Chemnitz zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die eigenmächtig und ohne Rechtsgrundlage die berechneten Sachverständigenkosten einfach kürzte. Für die von der HUK-COBURG durchgeführten Kürzungsorgie gibt es einfach keine Rechtsgrundlage. Wenn die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung meint, Schadenspositionen seien überhöht, so hat sie, wenn kein Auswahlverschulden vorliegt, weil eben der vom Geschädigten eingeschaltete Sachverständige nicht dessen Erfüllungsgehilge im Sinne des § 278 BGB ist, den berechneten Schadensbetrag zu erstatten, kann sich allerdings den vermeintlichen Bereicherungsanspruch abtreten lassen und im Wege des Vorteilsausgleichs gegen den Sachverständigen vorgehen. Insoweit ist der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer nicht rechtlos. Der Streit um die Sachverständigenkosten darf nicht auf dem Rücken der Unfallopfer ausgetragen werden. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des Erforderlichen, sind weder Gericht noch Schädiger berechtigt eine Preiskontrolle durchzuführen und eigenmächtig Schadenspositionen kürzen. Leider hat das aber auch das erkennende Amtsgericht Chemnitz getan und „von Gottes Gnaden“ wieder willkürlich Schreibkosten gekürzt. Diese Kürzung ist auch nicht über § 287 ZPO gerechtfertigt, da § 287 ZPO eine Schadenshöhenschätzung darstellt. Entscheidend ist der Endbetrag der Schadensposition „Sachverständigenkosten“. Eine Preiskontrolle einzelner Rechnungspositionen ist über § 287 ZPO daher nicht möglich. Lest aber selbst das Urteil des AG Chemnitz und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Chemnitz
Abteilung für Zivilsachen
Aktenzeichen: 13 C 2187/15
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK – Coburg – Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg, vertreten durch den Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen
Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Sarah Rössler, Jörn Sandig
– Beklagte –
wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Chemnitz – Zivilgericht – durch
Richter am Amtsgericht M.
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 07.01.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 78,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 88,98 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein restlicher Schadensersatzanspruch für die Sachverständigenkosten in Höhe von 78,48 € zu, §§ 7, 18 StVG, 823, 249, 398 BGB, 115 VVG.
Der Kläger ist Forderunginhaber. Die Geschädigte hat dem Kläger den Anspruch wirksam abgetreten, § 389 BGB. Die abzutretende Forderung ist in den Abtretungserklärungen bestimmt oder bestimmbar.
Der Geschädigte durfte mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem unfallgeschädigten Fahrzeug ein Sachverständigengutachten einholen und kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Soweit der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Nach § 249 BGB soll dem Geschädigten ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis -und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Geschädigte gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet (BGH, 11.02.2014 – VI ZR 225/13).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Aufwands im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB, sofern diese auch nicht für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den Preisen liegt. Maßgebende Rolle bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes sind Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten (BGH a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars nicht zu beanstanden. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH a.a.O.). Die Beklagte hat nicht ausgeführt, dass der von dem Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit ansetzt, die erheblich über den auf dem regionalen Markt üblichen Preisen liegen und der Geschädigte dies aufgrund seiner individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten von vornherein hätte erkennen können.
Das von der Beklagten ihrerseits zur Schadensregulierung herangezogene eigene „Honorartableau“ genügt nicht, um die Zweifel an der Ortsüblichkeit der Sätze des Sachverständigen zu begründen. Die eigene Markterhebung der Beklagten ist einfacher Parteivortrag. Konkrete, überprüfbare Anknüpungstatsachen, die als Grundlage der Markterhebung herangezogen worden sind, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Werte für das Grundhonorar ohne Nebenkosten sind in dem „Honorartableau“ erst gar nicht enthalten. Auch fehlt konkreter Bezug auf den hier zeitlich und örtlich relevanten Markt.
Schreib- und Kopierkosten, Kosten für Fotos, Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen und Fahrtkosten sind üblicherweise neben dem Honorar gesondert zu ersetzende besondere Aufwendungen des Sachverständigen und daher zur Schadensbeseitigung erforderlicher Aufwand.
Bei der Bemessung der Schadenshöhe liegen für die Schätzung der Nebenkosten nach § 287 ZPO tragfähige Anknüpfungstatsachen vor.
Die Schreibkosten und Fotokosten sind in der geltend gemachten Höhe erstattungsfähig. Das schriftliche Gutachten besteht aus 25 Seiten und 8 Lichtbildern. Schreibkosten können für alle angefangene Seiten verlangt werden, da auch die Seiten mit den Lichtbildern Bildbezeichnungen und somit Schreibtext enthalten. Der zweite Fotosatz wird für das erforderliche Duplikat des Gutachtens benötigt.
Die Kosten für das Duplikat des Gutachtens sind allerdings nur in Höhe von 10,50 € netto erstattungsfähig. Die für die Herstellung von Ablichtungen des Gutachtens erforderlichen Kosten schätzt das Gericht auf 0,50 € je Seite. Einen höheren Aufwand hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.
Eine Abrechnung der Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen als Pauschale ist zulässig. Die in Rechnung gestellte Pauschale von 18 € übersteigt nicht die entsprechende Pauschale nach dem RVG Anlage 1 Nr. 7002 und erscheint daher nicht unangemessen oder überhöht.
Die Fahrtkosten je km in Höhe von 1,00 € sind ebenfalls nicht derart hoch, dass sie sich dem Geschädigten als erheblich über den üblichen Preisen liegend hätten aufdrängen müssen. Der Geschädigten ist auch nicht gegenüber dem Schädiger verpflichtet, das unfallgeschädigte Fahrzeug zum Sachverständigen zu verbringen.
Die Beklagte hat im Übrigen auch nicht vorgetragen, welche Preise auf dem regionalen Markt üblicherweise für die jeweiligen Nebenkosten verlangt werden.
Die Beklagte hat ebenfalls nicht aufgezeigt, dass der Geschädigte bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.
Da die Gutachterkosten nicht überhöht sind, geht bereite deshalb die von der Beklagten geltend gemachte dolo-agit-Einrede ins Leere.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
„Für die von der HUK-COBURG durchgeführten Kürzungsorgie gibt es einfach keine Rechtsgrundlage.“
Hallo, Willi Wacker, wenn das doch einmal ein Gericht wagen und genau so deutlich artikulieren würde, gäbe es für tausende von gerichtlichen Auseinandersetzungen keinen Anlass mehr oder etwa doch?
Berti
Das ist an diesem Urteil des AG Chemnitz klar und deutlich, wenn auch die „Kürzung“ im Nebenkostenbereich schadenersatzrechtlich verfehlt ist vor dem Hintergrund der allenfalls gebotenen Gesamtkostenbetrachtung und der nicht gebotenen Überprüfung von Einzelpositionen im Nebenkostenbereich:
„Das von der Beklagten ihrerseits zur Schadensregulierung herangezogene eigene „Honorartableau“ genügt nicht, um die Zweifel an der Ortsüblichkeit der Sätze des Sachverständigen zu begründen. Die eigene Markterhebung der Beklagten ist einfacher Parteivortrag. Konkrete, überprüfbare Anknüpungstatsachen, die als Grundlage der Markterhebung herangezogen worden sind, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Werte für das Grundhonorar ohne Nebenkosten sind in dem „Honorartableau“ erst gar nicht enthalten. Auch fehlt konkreter Bezug auf den hier zeitlich und örtlich relevanten Markt.“
D.M.
Danke, Willi Wacker,
für Deinen verständlichen einleitenden Kommentar zu diesem Urteil. Es ist und bleibt in der Tat ein Phänomen, dass sich eine beachtliche Anzahl von Gerichten immer wieder herausgefordert fühlt, im Nebenkostenbereich eine Einzelüberprüfung vorzunehmen, wie beispielgebend selbst die Berufungskammer des LG Bochum, obwohl dies auch auf der Basis einer „Schätzung“ schadenersatzrechtlich nicht veranlasst sein kann bzw. -um es deutlicher zu sagen- schlichtweg unzulässig ist.
Die freie Stellung, die dem Richter durch § 287 ZPO eingeräumt ist, soll es ihm ermöglichen, ohne formale Bindung nahe an die tatsächliche Sachlage heranzukommen.
Deshalb muss auch die Schätzung möglichst genau sein!
Es geht nicht an, abgerechnete Rechnungspositionen als Schadensersatz abzuerkennen, wenn die Klägerpartei Unterlagen beibringt, die eine rechnerisch einwandfreie Ermittlung ermöglichen. Ein solches Verfahren wäre keine einwandfreie Ausübung des Ermessens, sondern Willkür und würde sich auf Zubil-ligung von Schadenersatz beschränken.
Die Ausübung des freien Ermessens enthebt den Richter nicht der Notwendigkeit, schätzungsbegründende Tatsachen, die sich ihm für die Schadensermittlung oder für die Zeit der Schadensentstehung bieten, aus dem Parteivorbringen zu würdigen und seiner Schätzung zugrunde zu legen (BGH LM § 7 d. 3. DVE/ UmstG Nr.1).
Sobald eine Schätzung nach § 287 ZPO nur aufgrund besonderer Sachkenntnis möglich ist, wird der Tatrichter durch Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann beschränkt und zur Beweiserhebung gezwungen, wenn es sich um Fragen handelt, die für die Streitentscheidung eine zentrale Bedeutung haben, wie es in Vorgängen der hier inrede stehenden Art festzustellen ist.
Der Verstoß gegen § 249 S. 1 BGB und gegen die begrifflichen Merkmale eines jeden Schadensersatzes kann nicht damit gerechtfertigt, dass nach § 287 Ab-satz 1 ZPO „das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ darüber „entscheidet“, wie hoch sich der Schadenersatz beläuft. Diese Bestimmung bedeutet, dass das Gericht im Gegensatz zu historischen Regelungen nicht an feste Beweisregeln gebunden ist. Sie bedeutet entgegen einer fehlerhaften Auffassung nicht, dass das Gericht ohne strenge Gebundenheit an die Tatsachen und die Regeln der allgemeinen Erfahrung sowie der Gesetzte der Logik eine „freie Schadensregelung“ vornehmen und sich dadurch der Mühen einer sorgfältigen Beweiserhebung und objektiv begründeten Beweiswürdigung entheben darf.
Jan Stoffel
@Jan Stoffel
Danke, Jan Stoffels, Du hast etwas umfassender verdeutlicht, was in Richtung Rechtsbeugung tendiert. Ich meine, in den Entscheidungsgründen einiger Urteile sogar gelesen zu haben, dass es gerade nicht zu den Aufgaben der Gerichte gehört, den „gerechten“ Preis festzulegen. Das ergibt sich ja deutlich auch aus dem bekannten Urteil des AG Saarlouis, in dem u.a. hierzu ausgeführt wurde:
„Im Rahmen der Schadensschätzung ist es allein auf der Grundlage der Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes nicht zulässig, eine Kürzung der erstattungsfähigen Sachverständigenkosten vorzunehmen.“
und dann weiter:
„Das saarländische Oberlandesgericht(Urteil vom 8.5.2014, 4 U 61/13) hat sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen. In der Rechnung des Sachverständigen schlage sich regelmäßig nieder, was zur Schadensbeseitigung vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung erforderlich sei. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit reiche vor diesem Hintergrund nicht aus, um die die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gelte nur, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergäben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die erforderlichen Aufwendungen nehmen würden. Hierzu genüge es aber nicht, wenn die Honorarrechnung die aus der BVSK-Honorarbefragung folgenden Höchstsätze überschreite. Denn dem Geschädigten müssten diese nicht bekannt sein.
Und das AG Halle hat ergänzend ausgeführt:
„Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist zu betonen, dass vorliegend kein Werklohnanspruch des Sachverständigen, sondern ein (abgetretener) Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich ist.
Schon aus diesem Grund liegen die Ausführungen der Beklagten zur Üblichkeit und insbesondere zum “Gesprächsergebnis BVSK“ neben der Sache, denn Prüfungsmaßstab ist nicht, ob die Vergütung üblich im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB ist.“
Erheblich ist allein, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören. Dies ist zu bejahen.“…….
„Der Sachverständige kann auch nach einer Honorartabelle abrechnen (OLG Naumburg a.a.O.), ohne dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt zu sein. Der Streit zwischen Sachverständigem und Schädiger bzw. dessen Pflichtversicherer darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Naumburg a.a.O.).“
Immer sonntags…
@ immer sonntags ….
…. längst ist alles gesagt bzw. aufgeschrieben.
Siehe: BGH VI ZR 42/73 vom 29.10.1974 – BGHZ 63, 183ff
Quelle: http://www.captain-huk.de/urteile/bgh-vi-zr-4273-vom-29-10-1974-bghz-63-183ff/#comments
@ Immer sonntags..
Da war aber doch noch mehr beim AG Saarlouis:
„Das Gericht vermag jedoch derzeit im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen unterinstanzlicher saarländischer Gerichte, aber auch des Landgerichts Saarbrücken einerseits und des Saarländischen Oberlandesgerichtes andererseits (Saarländisches Oberlandesgericht 4 U 61/13, 4 U 46/14) in Verbindung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, ebenfalls bereits zitiert, nicht festzustellen, dass mit der Inrechnungstellung der Nebenkostenpositionen für den Geschädigten eine erkennbare Überhöhung von Kosten einherging. Hier kann dem Geschädigten kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden, als den mit der Materie rechtlich befassten vorgenannten Entscheidungsträgern, die zu unterschiedlichen Bewertungen kommen.“….
„Innerhalb seiner Entscheidung vom 11.2.2014 hat der Bundesgerichtshof es ausdrücklich beanstandet, eine Honorarkürzung im Schätzwege allein auf der Grundlage der Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes vorzunehmen.“
Kolkrabe
@ Kolkrabe
@ Immer sonntags
Hallo, verehrte Diskutanten, da war noch viel mehr, wenn auf das qualifiziert herausragende Urteil des AG Saarlouis abzuheben ist, denn dort wird klar herausgestellt, mit welcher Funktion sich ein Gericht nicht zu befassen hat:
AG Saarlouis entscheidet mit lesenswertem Urteil zu den erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall gegen die HUK-COBURG mit Seitenhieb gegen LG Saarbrücken mit Urteil vom 18.3.2015 – 26 C 419/14 (11) -.
Aus den allumfassend hervorragenden Entscheidungsgründen:
„B) Zur Höhe der Abrechnung und des hierauf gestützten Schadensersatzanspruchs: Zunächst einmal ist es ohne einen kartell- oder monopolrechtlichen Prüfungsauftrag nicht Aufgabe der Gerichte, hinsichtlich der vertraglichen Preisabsprachen von 166 Marktteilnehmern (hier zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen) für eine Vielzahl von Fällen verbindliche Vorgaben zur Honorarstruktur, zur Abrechnungshöhe und zur grundsätzlichen Höhe einzelner Abrechnungsunterpositionen zu machen, solange der Gesetzgeber den Gerichten hierfür keinen gesetzlichen Prüfungsspielraum eröffnet. Eine Preiskontrolle hat durch die Gerichte in der Regel nicht stattzufinden (vergleiche BGH NZV 171 2007, 455 = DS 2007, 144).“
„Umstände, aufgrund derer im vorliegenden Fall bereits auf der vertraglichen Ebene zwischen dem Geschädigten und dem beauftragten Sachverständigen von einer Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrags gemäß § 138 BGB auszugehen wäre, sind weder von der Beklagten dargetan noch ersichtlich.“
„Dass das Verhältnis der Höhe des Grundhonorars zu der Höhe der abgerechneten Nebenkosten keine Veranlassung für Überlegungen zu einer wucherischen Überhöhung bietet, belegt ein Blick in die Entscheidung BGH VI ZR 225/13. Dort wurden Nebenkosten in Höhe von 73 % des Grundhonorars als üblich akzeptiert (Grundhonorar in Höhe von 260 € sowie Nebenkosten in Höhe von 189,20 €). Hier stehen die Nebenkosten (188,75 €) in einem Verhältnis von 46 % zu dem abgerechneten Grundhonorar (410 €).“
„Das von der Beklagten in Bezug auf den alleine maßgeblichen regionalen Markt ohne jede Begründung für angemessen erachtete Honorar von insgesamt 520 € wird durch das streitgegenständliche Honorar zwar um 41 % überschritten. Preisunterschiede von 40 % liegen jedoch an jedem freien Markt im Bereich alltäglich vorzufindender üblicher Preisspannen und rechtfertigen keinesfalls ohne das Hinzutreten weiterer, von der Beklagte nicht dargelegter Umstände die Annahme eines im Sinne des § 138 BGB nichtigen Rechtsgeschäfts.“
Allerdings ist das, was zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen als Honorar vereinbart wurde, nicht zwangsläufig mit dem gleichzusetzen, was nach Schadensersatzkriterien als der gemäß § 249 BGB zur Herstellung erforderliche Geldbetrag anzusehen ist. Insoweit verweist der Kläger jedoch zu Recht darauf, dass der Geschädigte seiner Darlegungs- und Beweislast zur erforderlichen Schadensersatzhöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensermittlung in Anspruch genommenen Sachverständigen genügt (vergleiche BGH VI ZR 357/13 Rn. 16; VI ZR 225/13 216 Rn. 8 und die oben zitierten Entscheidungen des saarländischen Oberlandesgerichtes und 217 des Landgerichtes Saarbrücken).“
„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bewegt sich die von dem Sachverständigen erstellte Rechnung im Rahmen dessen, was mit dem Kläger vereinbart wurde. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten spielen hier mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Aufwands des Geschädigten eine maßgebende Rolle, wobei ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit regelmäßig nicht ausreicht (vergleiche zu allem zum Beispiel BGH VI ZR 225/13 Rn. 8 unter Hinweis auf BGH VI ZR 471/12 und 231 VI ZR 528/12, fortgeführt durch BGH VI ZR 357/13; saarländisches OLG wie oben zitiert). Nimmt man diese Vorgaben des BGH, wie auch anders, ernst, dann fehlt es im vorliegenden Fall bereits an einer Veranlassung, die Erforderlichkeit des abgerechneten Honorars ernsthaft in Zweifel zu ziehen.“
„Es kann nicht unterstellt werden, dass er als Privatmann/Laie zum Beispiel einen besseren Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten zu den streitrelevanten Fragen hatte als die Mitglieder des VI. Zivilsenat des BGH, die in ihrer Entscheidung VI ZR 225/13 ein deutlich schlechteres Verhältnis der Nebenkosten zum Grundhonorar als erforderlich akzeptiert haben. Gleiches gilt bezüglich der Mitglieder des 4. Zivilsenats des saarländischen Oberlandesgerichtes, die in den oben zitierten Entscheidungen durch das gesamte Jahr 2014 hindurch Honorare in dieser Art und Höhe unbeanstandet akzeptiert hatten. An Entscheidungen der Mitglieder der Berufungskammer 13 S des Landgerichtes Saarbrücken musste sich der Kläger zur Zeit der Auftragserteilung im November 2013 nicht orientieren, da die damalige Rechtsprechung dieser Kammer, einzeln abgerechnete Nebenkosten routinemäßig auf insgesamt 100.– € zu begrenzen, im Juli 2014 durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs revidiert wurde (vgl. jetzt auch LG Saarbrücken 13 S 257 185/14, Urteil vom 05.02.2015 Rn. 16 nach juris).
Einem Laien bezogen auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung im November 2013 bessere Erkenntnismöglichkeiten als den Mitgliedern der zuständigen Fachgerichte zu unterstellen, ist aus der Sicht des erkennenden Gerichtes zurückhaltend formuliert lebensfremd.“
„Auch das nächste Kriterium der BGH Rechtsprechung einer deutlich erkennbaren Überhöhung ist damit eindeutig nicht erfüllt. So bestätigt selbst das Landgericht Saarbrücken in seinen Entscheidungen 13 S 41/13 und 13 S 109/14, jeweils verkündet am 13. Dezember 2014, dass auf dem regionalen Markt ein aussagekräftiger Durchschnittswert von Nebenkosten, der dem Geschädigten als verlässlicher Anhaltspunkt für eine Überhöhung der Nebenkosten dienen könne, nicht ermittelbar sei (vergleiche zum Beispiel Landgericht Saarbrücken 13 S 109/14 4a, aa der Urteilsgründe). Wenn dem aber so ist, endet an dieser Stelle unter Heranziehung der von dem BGH aufgestellten Kriterien eine Überprüfung der Erforderlichkeit im November 2013 beauftragter Sachverständigenkosten. Denn wo nichts Einheitliches ermittelbar ist, was sich im Übrigen auch in der kontroversen Rechtsprechung zu dieser Zeit widerspiegelt, kann zu Lasten eines Geschädigten / Laien, hier des Klägers, auch keine Kenntnis einer deutlichen Überhöhung unterstellt werden. Alles andere widerspricht denklogischen Grundsätzen und wäre daher willkürlich.
Schon gar nicht kann vor diesem Hintergrund dem Geschädigten ein Wissensstand oder eine Erkenntnismöglichkeit zu einem erheblich über dem Marktpreis liegenden Preis unterstellt werden. Denn wenn selbst für die Mitglieder der Berufungskammer 13 S Landgerichtes Saarbrücken auf Veranlassung der rechtlichen Beanstandungen des BGH im Revisionsverfahren VI ZR 357/13 ein gesichertes Preisgefüge am Markt nicht feststellbar war und wenn die Mitglieder des vierten Zivilsenates des saarländischen Oberlandesgerichtes solche Honorarhöhen als unproblematisch akzeptieren, stellt sich -jedenfalls für das erkennende Gericht- die Frage, woher der Kläger Erkenntnismöglichkeiten zur Obergrenze des Gesamtpreisgefüges und noch viel weniger solche zu einzelnen unselbständigen Rechnungspositionen hätte haben sollen.“
„Soweit die Beklagte und auch die Berufungskammer des Landgerichtes Saarbrücken zu einzelnen Nebenkostenpositionen niedrigere Einzelkostenansätze für marktüblich erachten und hieraus die Befugnis zur Rechnungskürzung ableiten, ist dies nach Auffassung des erkennenden Gerichtes im vorliegenden Fall weder mit Blick auf die Erforderlichkeit unter Einbeziehung einer subjektbezogenen Betrachtungsweise noch viel weniger im Falle einer unterstellten Kostenüberhöhung mit Blick auf ein von der Beklagten darzulegendes Mitverschulden gemäß § 264 BGB zu rechtfertigen. Bereits vom Ansatz her verfehlt ist es im Zusammenhang mit Prüfung der Erforderlichkeit der Schadensersatzhöhe, die Preisansätze einzelner Nebenkostenabrechnungsunterpositionen zu überprüfen, ohne zunächst einmal die Erforderlichkeit des Gesamthonorars zu prüfen. Denn zum einen ist die Festlegung der Preisstruktur Sache der Vertragsparteien und unterliegt in der Regel keiner Kontrolle durch die Gerichte, sondern alleine derjenigen des Marktes (vergleiche BGH an angegebenen Ort).“
„Das Herausstreichen einzelner Nebenkostenpositionen aus dem Gesamthonorar ohne dessen vorrangige Überprüfung auf seine Erforderlichkeit führt unter Umständen zu dem Ergebnis, dass das üblicherweise von dem Kunden zunächst hinterfragte/geprüfte Gesamthonorar vor der Kürzung den erforderlichen Aufwand nicht überschritten hat, aber nach dem Herausstreichen einzelner Rechnungsansätze unter dem erforderlichen Betrag liegen kann.
Zudem stellt die Berufungskammer 13 S des Landgerichts Saarbrücken auch in ihren neuen Entscheidungen fest, dass eine einheitliche Nebenkostenstruktur am saarländischen Markt nicht feststellbar sei. Nach BGH VI ZR 357/13 Rn. 15 ist dem Geschädigten aber ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nur dann vorwerfbar, wenn er die Kostenhöhe überhaupt beeinflussen
kann. Es ist nicht ersichtlich, dass dies möglich ist, da Sachverständige in der Regel nicht über Einzelpositionen ihrer betriebswirtschaftlichen Gesamtkostenkalkulation und Gesamtkostenabrechnung verhandeln und dass die Höhe solcher Einzelpositionen in der Endabrechnung für den Laien bei Auftragserteilung absehbar wäre, da ein Laie meist keinerlei Vorstellungen von dem Gesamt- und noch viel weniger von dem Einzelkostenaufwand einer Begutachtung hat. Unter diesem Blickwinkel scheitert eine Einzelkostenkritik spätestens auf der Ebene des § 254 BGB, die sich am Wissensstand und den Erkenntnismöglichkeiten des einzelnen Geschädigten zu orientieren hat, wozu die Beklagte, wie von dem Kläger zu Recht beanstandet, überhaupt nichts vorträgt.“
Auch im Übrigen sind die in den Entscheidungen der Berufungskammer 13 S des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014 zu einzelnen Kostenpositionen aufgestellten Grundsätze auf die Entscheidung des vorliegenden Falls ohne Einfluss.“
….Was ich noch sagen wollte
@ immer sonntags…
Hallo, Sonntagskind,
man erkennt, wie manches schnell wieder in Vergessenheit gerät, wie das nachfolgd noch einmal in Erinnerung gebrachte Urteil des AG Essen-Steele, das sich durch seine Kürze und Deutlichkeit auszeichnet:
„Amtsgericht Essen-Steele verärgert über die aussichtslosen Prozesse der HUK-Coburg “
Mittwoch, 12.12.2007 um 09:49 von Willi Wacker | · Gelesen: 15967 · heute: 2 |
Im Rahmen eines Honorarrechtsstreites fiel mir das Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 28.09.2004 – 17 C 176/04 – ein. Beklagte in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Essen-Steele war die HUK-Coburg Vers. AG. Der Amtsrichter des Amtsgerichts Essen-Steele hat der Beklagten bezüglich. der Berechnung der Gutachterkosten ins Versicherungsstammbuch geschrieben, um die es in dem Rechtsstreit ging:
„Für Die Berechnung des Honorars eines Gutachters gibt es keine allgemein gültigen Vorgaben und keine Gebührenordnung. Damit mag sich die beklagte Versicherung nun endlich abfinden. Sie mag auch zur Kenntnis nehmen, dass das Amtsgericht in ständiger Rechtssprechung keinen Anhaltspunkt dafür sieht, die Rechnung des Sachverständigen zu beanstanden oder zu kürzen. Die Argumente werden von der Beklagten zwar ständig wiederholt, wirken dadurch aber nicht überzeugender.
Die Beklagte als eine Haftpflichtversicherung hat scheinbar ausreichend Geld, um die Versicherungsprämien für aussichtslose Prozesse zu verwenden. Wenn die Beklagte meint, dass es klare Vorgaben und Vorschriften für die Ermittlung der Vergütung von Sachverständigen gebe müsse, so mag sie damit den Gesetzgeber und nicht die Gerichte beschäftigen. Die Gerichte habe im Rahmen der geltenden Gesetze zu urteilen.“
N.S.