Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenende stellen wir Euch noch ein positives Urteil zu den restlichen Sachverständigenkosten vor. Es handelt sich hierbei um das lesenswerte Urteil des AG Düsseldorf vom 22.2.2016 zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der LVM Versicherung. Nachdem die LVM als eintrittspflichtige Kfz-Versicherung keinen vollen Schadensersatz geleistet hatte, hat die Geschädigte durch ihren erfahrenen Verkehrsrechtsanwalt zu Recht den Unfallverursacher persönlich – auch gerichtlich – in Anspruch genommen. Dass die von der LVM Versicherung vorgenommene Schadenskürzung rechtswidrig war, zeigt das Urteil gegen den bei der LVM Versicherten. Dieser muss nun verzinslich das zahlen, was die LVM, also seine Haftpflichtversicherung, gekürzt hatte. Lest selbst das Urteil aus Düsseldorf und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
231 C 9/16
Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Frau N. W. aus D.,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. u. P. aus A.
gegen
Herrn C. E. C. aus R., (Versicherter der LVM-Versicherung)
Beklagten,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
22.02.2016
durch den Richter Dr. S.
für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 277,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
I.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten für die Erstellung des Gutachtens durch das Sachverständigenbüro … in Höhe von 277,98 Euro aus §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 249 BGB zu.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin, das gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und unstreitig anzusehen ist, waren die Parteien an einem Verkehrsunfall in Düsseldorf am 02.05.2015 beteiligt, der allein vom Beklagten verursacht und verschuldet wurde. Am 07.05.2015 beauftragte die Klägerin das Sachverständigenbüro … aus Köln mit der Erstellung eines Haftpflichtschadengutachtens, welches am 11.05.2015 erstattet wurde. Für die Erstellung des streitgegenständlichen Gutachtens wurden der Klägerin 1.277,58 Euro brutto in Rechnung gestellt, die am 02.07.2015 von der Klägerin an den Sachverständigen gezahlt wurden. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte im Folgenden den Schaden der Klägerin, wobei sie im Hinblick auf die Sachverständigenkosten nur einen Betrag in Höhe von 999,60 Euro leistete (vgl. Abrechnung der LVM vom 13.07.2015, Anlage K 3).
Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7, 18 StVG liegen vor. Denn der Beklagte hat – insoweit unstreitig – den streitgegenständlichen Unfall allein verursacht.
Hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe die Kosten für die Erstattung eines Schadensgutachtens erstattungsfähig sind, folgt das Gericht den höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13 = NJW 2014, 1947ff. = DS 2014, 90). Danach darf die Geschädigte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an ihrem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen kann. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten machen würde. Wenn die Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist sie nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihr Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch von der Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob sie den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in letzterem Fall wird die Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die diese daher von der Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich der Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob die Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation der Geschädigten, insbesondere auf ihre individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich die Geschädigte damit begnügen, den ihr in ihrer Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Sie muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, a.a.O.).
Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zu Grunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen. Die Geschädigte genügt ihrer Darlegungslast zur Schadenshöhe in der Regel durch Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommenen Sachverständigen. Deren Höhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Betrages, sofern diese nicht auch für die Geschädigte deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH, a.a.O.). Dem Schädiger obliegt es sodann, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies für die Geschädigte auch erkennbar war. Weiter hat er die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass die Geschädigte gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB verstoßen hat (vgl. insgesamt BGH, Urt. v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151 ff., 16279 m.w.N). Dazu hat er jedoch nichts vorgebracht.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung folgt aus § 511 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Streitwert: 277,98 Euro