Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier veröffentlichen wir für Euch nun das zweite Urteil aus der neuen Leipziger Urteilsteihe. Wieder ging es um restliche, vorgerichtlich nicht regulierte Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. In diesem Fall war es die Allianz Versicherungs AG, die meinte, die berechneten Sachverständigenkosten kürzen zu können. Auch wenn der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vollständigen Sachverständigenkosten abgetreten worden war, bleibt er doch ein Schadensersatzanspruch. Leider prüft das angerufene Gericht in diesem Fall unter werkvertraglichen Gesichtspunkten. So wird unter anderem die Angemessenheit mit der BVSK-Tabelle überprüft. Im Schadensersatzprozess haben aber werkvertragliche Gesichtspunkte nichts zu suchen. Daher ist – leider – nur das Ergebnis richtig. Gleichwohl wollten wir Euch das Urteil zur Diskussion am heutigen Feiertag nicht vorenthalten. Gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 106 C 3059/15
Verkündet am: 30.10.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Allianz Versicherung-AG, An den Treptowers 3, 12435 Berlin, vertreten durch d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch Richter am Amtsgericht B. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 am 30.10.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 202,33 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 17.12.2013 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten 70,20 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunklen über dem Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 08.05.2015 zu bezahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.
Beschluss:
Streitwert: bis 500,00 €
Tatbestand
Der Tatbestand wird wegen Nichterreichens der Berufungssumme von mehr als 600,00 € gemäß § 313a ZPO nicht dargestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 ff BGB.
Die Abtretung ist wirksam.
Die Beklagte ist unstreitig für den streitgegenständlichen Unfall zu 100% ersatzpflichtig.
Der Schadensersatzanspruch erfasst auch den noch offenen Betrag aus der Sachverständigenrechnung vom 17.06.2013.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.
Die Höhe des festgesetzten Grundhonorars von 681,00 € ist angemessen und nicht zu beanstanden. Eine Abrechnung anhand der Schadenshöhe ist ortsüblich.
Die in der Rechnung vom 17.062013 angeführten Nebenkosten sind ebenfalls angemessen.
Die Klägerseite hat substantiiert dargelegt, dass Fahrtkosten für 8 km entstanden sind. Die Höhe der festgesetzten Kilometerpauschale von 1,31 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 Fahrtkosten in Höhe von 1,80 Euro pro Kilometer gebilligt. Da die Klägerseite pro Kilometer 1,31 Euro geltend macht, liegt dieser Betrag weit unter der vom BGH in der Entscheidung aus dem Jahr 2013 gebilligten Kosten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei den Fahrtkosten nicht allein auf die Benzinkosten, sondern auf die gesamten mit dem Fahrzeug verbundenen Kosten unter Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Aspekten abzustellen ist. Fahrtkosten pro Kilometer in Höhe von 1,31 Euro werden daher als angemessen angesehen.
Die Kosten für ein Lichtbild mit 2,86 Euro liegen leicht über der vom BGH gebilligten Höhe von 2,80 Euro. Dies hält das Gericht für unschädlich, da keine erhebliche Abweichung vorliegt. Dass der Sachverständige 14 Lichtbilder fertigt, liegt im Ermessen des Sachverständigen und ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Auch die Kosten für einen zweiten Fotosatz sind angemessen. Hinsichtlich der Schreibgebühren hat das Amtsgericht Leipzig bereits in Entscheidung aus den Jahren 2006 und 2007 Schreibkosten in Höhe von 4,90 Euro pro Seite ausdrücklich gerichtlich gebilligt. Die Klagerseite macht Schreib- und Druckkosten von 4,86 Euro geltend. Hierbei ist nicht alieine entscheidend, was tatsächlich ein Ausdruck eines Fotos kostet, sondern der gesamte mit den Schreibkosten verbundene Aufwand. Kosten für weitere Gutachten in Höhe von 19,00 Euro werden ebenfalls als erforderlich angesehen. Es ist gerichtsbekannt, dass weitere Kopien der Gutachten gefertigt werden. Es sind insoweit sowohl der Schädiger, der Geschädigte, als auch die Versicherung zu bedienen. Die Versand-, Telefon- und Internetkostenpauschale in Höhe von 23,30 Euro wird ebenfalls als angemessen angesehen. Die Klägerin liegt damit weit unter dem Maximalwert der BVSK-Befragung von 2003 mit einem Betrag von 38,00 Euro.
Das Gericht vermag sich der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014, Az.: 7 U 0111/12, wonach eine Erstattung von Nebenkosten, welche mehr als 25 % des Grundhonorars ausmachen, ausscheidet, nicht anzuschließen.
Dieser Rechtssprechung steht, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes entgegen. Bereits mit Urteil vom 11.02.2014 hat sich der BGH unter dem Aktenzeichen: VI ZR 225/13 dahingehend geäußert, dass bei einem Grundhonorar von 260,00 EUR, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 EUR, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR, Fahrtkosten / Zeitaufwand in Höhe von 91,80 EUR (d. h. 1,80 EUR je km, max, 100,00 EUR) sowie aus dem darauf errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht in Höhe des Grundhonorars, noch in Anbetracht der Nebenkosten, zu beanstanden seien (BGH a.a.O., Orientierungssatz Nr. 4).
Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten.
Die, losgelöst von den Umstanden des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer tragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).
Aus alledem folgt, dass die Klägerseite einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der gestellten Rechnung hat.
Maßgeblich für die Entscheidung ist insbesondere, dass die Kosten der Beauftragung der Klägerin bei der Auftragserteilung vom 13.06.2013 vertraglich vereinbart worden sind. Dies bestätigt der Auftraggeber Herr G. mit seiner Unterschrift auf dem Formular der Auftragserteilung. Danach wird die auf der Rückseite des Formulars der Auftragserteilung aufgedruckte Honorartabelle und Preisliste verbindlich vereinbart. Die Tabelle wird zur Kenntnis genommen (Anlage K1,BI. 10,11 d.A).
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 12.06.2013. Der Auftrag wurde bereits unter dem 13.06.2013 ausgelöst. Zwischen Verkehrsunfall und Auftragserteilung bestand daher nur eine kurze Zeitspanne. Damit kommt es maßgeblich auf die subjektive Sichtweise des Auftraggebers, Herrn G. bei der Auftragserteilung an. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Auftraggeber von einem erheblich überteuerten Honorar des Sachverständigen ausgehen durfte.
Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung).
Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13, Rnr. 15, m.w.N.).
In der selben Entscheidung hat der BGH die BVSK-Honorarbefragung für nicht geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei den anfallenden Nebenkosten verlässlich abzu……(BGH, a.a.O., Rnr. 20).
Die Nebenforderungen sind gemäß §§ 280, 286 BGB zu ersetzen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.