Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier und heute stellen wir Euch noch ein Urteil aus Kaufbeuren zu den berechneten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht zu einem angeblichen „Bagatellschaden“ gegen den Unfallverursacher persönlich vor. Leider ist uns die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung nicht mitgeteilt worden, so dass auch dieses Urteil nicht eingelistet werden kann. Wir halten die Entscheidung für eine schlüssige Entscheidung, die Hand und Fuß hat. Lest selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch eine schöne – kurze – Arbeitswoche
Willi Wacker
Amtsgericht Kaufbeuren
Az.: 6 C 926/15
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagter –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Kaufbeuren durch die Richterin am Amtsgericht Dr. K. am 05.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 457,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.05.2015 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,84 € zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.08.2015.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Anfertigung eines Tatbestandes wurde gemäß § 313 a I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger hat gemäß §§ 398, 249 ff, BGB in Verbindung mit gmit§§ 17 I und II, 7 I STVG aus abgetretenen Recht Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten.
Die volle Haftung für das streitgegenständliche Unfallereignis dem Grunde nach ist unstreitig. Streitig ist lediglich, ob die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Schadensermittlung erforderlich war.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist.
Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Dabei ist ausschließlich darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkoste steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzunge wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebes ausgereicht hätte (BGH, NJW 2005, 365 ff).
Die Wertgrenze, unterhalb derer grundsätzlich die Annahme eines Bagatellschadens in Betracht kommen kann, liegt bei etwa 700,00 €.
Vorliegend liegt der tatsächlich ermittelte Schaden zwar geringfügig unterhalb dieser Grenze. Allerdings handelte es sich um relativ massive Einbeulungen im Heckbereich, so dass für einen Laien gerade nicht erkennbar war, ob und wo ggfs. Folgeschäden in anderen Bereichen des Anhängers vorhanden sein könnten. Derartige Folgeschäden sind nämlich für einen Laien nicht ohne weiteres erkennbar. Gerade bei einem relativ massiven Anstoß kann jedoch die Möglichkeit von Folgeschäden gerade im voraus nicht verneint werden. Insoweit liegt der Fall z.B. anders, wenn es um einen Schaden geht, der etwa dadurch entstanden ist, dass mit einem Einkaufswgen gegen ein Fahrzeug gefahren wird oder ein Fahrzeug durch eine unvorsichtig geöffnete Tür beschädigt wird.
Dass für einen Laien der Schadensumfang gerade nicht im Voraus ersichtlich war, ergibt sich daraus, dass selbst der Sachverständige nach der Begutachtung etwaige Schadenserweiterungen nicht ausschließen konnte, die sich ggfs. im Rahmen einer Vermessung des Fahrzeugs zeigen könnten.
So stellt der Sachverständige fest, dass möglicherweise der Heckbereich verzogen sein könne und ein Schaden an der Anhängervorrichtung und der Auflaufbremseinheit nicht ausgeschlossen werden könne.
Keine Rolle spielt auch der Umstand, dass der Sachverständige vorliegend aus abgetretenem Recht Recht vorgeht. Ein dolo-agit-Einwand kann ihm nicht entgegen gehalten werden Die tatsächliche Höhe der Reparaturkosten ergibt sich gerade erst durch die Begutachtung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Sachverständige bereits vor der Begutachtung wusste, wie hoch die Reparaturkosten sein würden. Der tatsächlich ermittelte Schadensumfang liegt auch nicht so deutlich im Bagatellbereich, dass davon auszugehen ist, dass es bereits vor der Begutachtung für den Sachverständigen klar auf der Hand lag, dass es sich im Endeffekt um einen Bagatellschaden handeln würde.
Der Anspruch auf Nebenforderung folgt aus §§ 280, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
ein solides, jedoch von den Entscheidungsgründen her ein nicht unbedingt aufregendes Urteil, das neue Erkenntnisse vermitteln könnte, vor dem Hintergrund, dass nur geringfügige Lackschäden evtl. als Bagatellschaden zu klassifizieren wären und ansonsten von einer Offenbarungspflicht auszugehen ist.
Alligator 007