Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
am Sonnabend veröffentlichen wir als Wochenendlektüre hier für Euch ein Urteil aus Bonn zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG Allg. Vers. AG. Nachdem die HUK-COBURG Allg. Vers. AG nicht bereit war, den vollständigen Schadensersatz nach einem von ihrem Versicherten alleine verursachten Verkehrsunfall zu leisten, hat der Schadensersatzgläubiger zu Recht den Schadensverursacher auch gerichtlich in Anspruch genommen. Das erkennende Gericht hat den Zahlungsanspruch auf restlichen Schadensersatz aus abgetretenem Recht zwar im Wesentlichen positiv begründet, jedoch dann aber leider wieder eine werkvertragliche Überprüfung der Einzelpositionen der Sachverständigenkostenrechnung vorgenommen. Im Übrigen benutzt das Gericht die falschen Begriffe „Sachverständigengebühren“ und „Grundgebühr“, obwohl der Sachverständige keine Gebühren berechnet. Gebührenrechnungen erstellen öffentlich-rechtliche Hoheitsträger. Von einem deutschen Gericht kann man schon erwarten, dass es die richtigen Worte findet. Lest aber selbst das Urteil des AG Bonn und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und weiterhin ein schönes Wochenende
Willi Wacker
110 C 252/15
Amtsgericht Bonn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
die … GmbH,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Bonn
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
07.03.2016
durch den Richter am Amtsgericht Dr. K.
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 163,05 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem dem 13.6.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Entfällt gem. §313 a ZPO.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von weiteren 163,05 € aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm. § 1 PflVG, § 398 BGB zu.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Geschädigte des dem Anspruch zugrundeliegenden Unfallgeschehens, Frau S. L., trat durch Vereinbarung vom 28.9.2011 die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche bezüglich der Erstattung der Gutachterkosten in Höhe des Bruttorechnungsbetrages unwiderruflich an den Kläger ab.
Diese Abtretung ist wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt, da die Geschädigte nicht sämtliche Ansprüche aus dem Unfallgeschehen in Höhe der Gutachterkosten, sondern ausschließlich und ausreichend spezifiziert den ihr zustehenden Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten „in Höhe des Bruttogutachtenrechnungsbetrages der nach einer Haftungsquote von 100 % erstattungsfähigen Sachverständigenhonorars und der daraus entstehenden Umsatzsteuer“ abgetreten hat.
Ein Verstoß gegen das RDG ist hierin nicht zu sehen. Die in der Einziehung der Ersatzansprüche liegende Rechtsdienstleistung ist dem Kläger nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 15.10.2010, 13 S 68/10 – juris, Rn. 19).
In der Sache kann der Kläger gegen die Beklagte Erstattung der nach dem Verkehrsunfall vom 27.9.2011 angefallenen Kosten für die Feststellung des Schadensumfanges an dem Fahrzeug der Geschädigten L. in voller Höhe verlangen.
Die volle Haftung der Beklagten für die durch den Unfall vom 27.9.2011 entstandenen Schäden ist unstreitig.
Die Beklagte ist damit gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verpflichtet, an den Geschädigten den zur Wiederherstellung der Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Hierzu zählen auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, das zur Ermittlung des entstandenen Schadens eingeholt wird, sofern dies für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig ist. So liegt es hier.
Der zu ersetzende Geldbetrag muss allerdings – § 249 Abs. 2 S. 1 BGB – erforderlich sein. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für erforderlich und zweckmäßig halten durfte.
Substantiierte Einwendungen der Beklagten gegen die Erforderlichkeit wurden von der Beklagten nicht dargetan. Dies wäre dann der Fall gewesen, hätte die Beklagte die üblichen Sätze für das Grundhonorar und die üblichen Sätze für Nebenkosten in bezug auf das nähere örtliche Umfeld und bezogen auf die Frage dargetan, ob dies der Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.3.2015, Az. 10 U 579/15 – Rn. 26 ff.).
Dahingehender Vortrag liegt nicht vor.
Eine Kürzung der Sachverständigengebühren (gemeint sind: -Kosten; Anm. des Autors!) kommt daher nur dann in Betracht, wenn wenn für die Geschädigten als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt.
In allen anderen Fällen ist der Schädiger dadurch ausreichend geschützt, dass er bzw. seine Versicherung einen Anspruch hat, sich seine Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen abtreten zu lassen (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.3.2015, Az. 10 U 579/15 – juris Rn. 36).
Bei der Beurteilung der o.a. Erkennbarkeit ist Rücksicht zu nehmen auf die spezielle Situation der Geschädigten und insbesondere auf ihre individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten.
Nach diesen Maßstäben gilt zunächst, dass Umstände, die ein Auswahlverschulden begründen könnten, nicht vorgetragen sind.
Auch war für die geschädigte Zedentin eine willkürliche Honorarfestsetzung durch den Kläger nicht ersichtlich. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung liegt nicht vor.
Dies gilt zunächst für die Grundgebühr (gemeint ist das Grundhonorar).
Sachverständige sind grundsätzlich berechtigt, für das Gutachten eine pauschale Grundgebühr zu berechnen. Dies folgt aus dem Haftungsrisiko des Sachverständigen für die richtige Ermittlung des korrekten Schadensbetrages. Die Einholung eines Schadensgutachtens dient in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzansprüchen zu ermöglichen; das Sachverständigenhonorar ist mithin die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung (BGH NJW 2006, 2472; LG Bonn, Urteil vom 18.09.2013, 5 S 26/13). Soweit die Beklagte dagegen anführt, der Zeitaufwand zur Erstellung des Gutachtens sei deutlich geringer und belaufe sich auf 1 3/4 Stunden, wird dies der beschriebenen Interessenlage nicht gerecht; maßgeblich ist eben nicht allein der Zeitaufwand.
Hieraus folgt, dass der Sachverständige berechtigt ist, das Honorar an der Schadenshöhe zu orientieren und diesem Maßstab entsprechend auch zu pauschalieren.
Diesem Maßstab wird die klägerseitige Berechnung gerecht. Bei dem Fahrzeug der Geschädigten entstand ein Reparaturschaden von 2.601,01 € netto sowie eine Wertminderung vom 210,08 € netto. Das Honorartableau der HUK-Coburg vom 1.11.2011 sieht bei entsprechenden Schadenshöhen Endbeträge des Sachverständigenhonorars – also mit Nebenkosten – von bis zu 561,00 € brutto vor. Die diesbezügliche, durch die zusätzliche, insbesondere nicht pauschalierte Einbeziehung von Nebenkosten entstehende Kostensteigerung ist indes nicht als erkennbar überhöht anzusehen. Das Grundhonorar beträgt 405,00 € netto und beläuft sich damit auf etwa 16 % des Schadens.
Dem Kläger stand es auch frei, die Nebenkosten neben der pauschalierten Grundvergütung gesondert geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 4.4.2006, X ZR 122/05; LG Bonn, Urteil vom 18.9.2013, 5 S 26/13).
Die Nebenforderungen sind in dem pauschalierten Grundhonorar nicht enthalten und tatsächlich angefallen. Die entsprechende Leistungsbeschreibung der Honorarvereinbarung ist diesbezüglich klar und unmissverständlich.
Insbesondere die Schreibkosten sind gesondert erstattungsfähig. Die Honorarvereinbarung führt die Schreibarbeiten als nicht vom pauschalen Grundhonorar erfasst an. Eine doppelte Berechnung ist nicht ersichtlich. Soweit eine eigenständige Beschreibung des Grundhonorars in der Honorarvereinbarung fehlt, steht dies einer gesonderten Berechnung der Schreibarbeiten allerdings auch nicht entgegen. Denn soweit Nebenkosten gesondert berechnet werden, müssten, so das Landgericht Bonn (Urteil vom 18.9.2013, 5 S 26/13), diese Nebenkosten insgesamt Berücksichtigung finden, da von einem Laien nicht erwartet werden könne, dass er hinsichtlich der Nebenkosten differenziert zwischen Porto-, Telefon-, Foto- und Fahrkosten, die der Sachverständige gesondert abrechnen soll dürfen und Schreib-, Kopier- und weiteren Zusatzkosten, bei denen dies nicht der Fall sein solle. Maßgeblich sei, so das Landgericht Bonn in der zitierten Entscheidung weiter, dagegen die Gesamtbetrachtung; hätte eine mögliche doppelte Abgeltung der Kosten durch die weiteren Nebenkosten dem Geschädigten nicht auffallen müssen, so seien sämtliche Kosten erstattungsfähig. Dieser Ansicht schließt sich das Amtsgericht an.
Die geltend gemachten Nebenkosten sind auch der Höhe nach berechtigt.
Erstattungsfähig sind hiernach zunächst die Fahrkosten einschließlich der Fahrzeit von insgesamt 17,00 €; sie sind nicht evident überhöht. Die Fahrtkosten belaufen sich auf 1,10 € je gefahrenen Kilometer. Insbesondere lag dies in dem Korridor der VKS Honorarumfrage 2011, die einen Korridor von 0,60 € bis 2,20 € vorsah.
Dies gilt auch für die weiteren Positionen Schreibkosten (3,00 € je Seite), Foto- (2,60 € je Foto des 1. Fotosatzes), Kopierkosten (0,75 € je Seite) sowie Portokosten (1,25 € je Poststück). Alle diese Positionen sind ausdrücklich in der Honorarvereinbarung genannt worden. Sie bewegen sich auch innerhalb der VKS-Honorarumfrage, die für Fotos des ersten Fotosatzes Preise bis 3,30 €, für Porto bis 3,00 € je Poststück, für Schreibarbeiten je Seite bis zu 4,00 € und für Kopien bis zu 1,50 € angab.
Unerheblich ist dabei die Aussagekraft der Honorarumfrage als solcher. Denn andere Tabellen sind nicht vorgelegt und andere Vergleichssätze insbesondere für den damaligen Zeitraum nicht vorgetragen worden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Geschädigten eine Überhöhung der vom Sachverständigen angegebenen Preise deutlich erkennbar sei musste. Da nicht ersichtlich ist, dass der Geschädigten andere als die nun vorliegenden Vergleichswerte vorgelegen hätten, kann nicht angenommen werden, dass ihr eine evidente Überhöhung der Nebenkosten auffallen hätte können oder sogar müssen. Dass die derzeitigen Vorgaben im Rahmen der BVSK-Befragung niedriger liegen, konnte der Geschädigten 2011 nicht bekannt sein.
Dem widersprechen auch beispielsweise nicht die deutlich niedrigeren Sätze des JVEG. Allgemein bekannt ist, dass Sachverständige auf dem freien Markt deutlich höhere Entgelte berechnen und berechnen dürfen als in der Eigenschaft als gerichtlich bestellte Sachverständige.
Letztlich belaufen sich die Nebenkosten auf 25% des Grundhonorars, was sich ebenfalls als angemessen darstellt (vgl. LG Köln, Beschluss vom 21.7.2014, Az. 9 S 160/14 – juris).
Dieser Wertung steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.7.2014 (Az. VI ZR 357/13) nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof stellte hierin gerade nicht die deutliche Überhöhung beispielsweise eines Kilometergeldes von 1,05 € und von Fotokosten in Höhe von 2,45 € fest, sondern ließ lediglich die diesbezüglichen Ausführungen des Oberlandesgerichts Koblenz unbeanstandet.
Da die Beklagte auf die klägerische Forderung vom 651,05 € lediglich einen Betrag von 488,00 € zahlte, steht der Restbetrag als berechtige Forderung noch offen.
Die geltend gemachten Zinsen beruhen auf §§286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
Dein einleitender Kommentar ist nachvollziehbar. Ist es deshalb nicht geradezu zwingend erforderlich, hinsichtlich der oft voraussehbar schadenersatzrechtlich falschen Beurteilungsansätze eindeutig auch vorzutragen?
Mit freundlichen Grüßen
H.R.