Mit Urteil vom 03.06.2016 (410c C 26/16) hat das AG HH-Bergedorf den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 34,42 € zzgl. Zinsen und den Kosten einer Halteranfrage verurteilt. Die Kanzlei Hamburger Meile hat das Urteil erstritten.
Die Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
- Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht gemäß § 7 Abs. 1 StVG, 249 ff., 398 BGB in Höhe von 34,42 € zu.
Die Haftung des Beklagten für die dem Zedenten aus dem Verkehrsunfall am xx.xx.2015 entstandenen Schäden dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Geschädigte/Zedent hat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten auch wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.
Zu den dem Zedenten gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzenden Schäden gehören auch die Sachverständigenkosten. Sachverständigenkosten gehören zu den mit dem Schadensfall unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 23.1.2007, Az. VI ZR 67/06, zitiert nach Juris, Rn. 11, m.w.N).
Bei der Bemessung des Schadens und der Schadensschätzung nach § 287 ZPO bildet der tatsächliche Aufwand einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH a.a.O. Rn. 13). Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vergleiche BGH a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (a.a.O.; s.a. BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13). Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss; der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13; LG Hamburg, Urteil vom 19.03.2015, Az. 323 S 7/14).
Vorliegend ist bereits nicht festzustellen, dass die Sachverständigenkosten objektiv überhöht sind. Vielmehr sind die von der Klägerin geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 918,42 € brutto nach Auffassung des Gerichts erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 ZPO. Da die Haftpflichtversicherung des Beklagten mit Schreiben vom 1.09.2015 (Anlage K5) mitgeteilt hat, auf diese Forderung lediglich einen Betrag von 884,00 € zu zahlen, steht der Klägerin noch ein Anspruch auf die restlichen 34,42 € zu.
Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht bereits daran, dass die mit dem Zedenten getroffene Honorarvereinbarung nach Ansicht des Beklagten unwirksam sein soll. Ob ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vorliegt, kann schon dahinstehen. Denn bei der PAngV handelt es sich jedenfalls nicht um materielles Preisrecht, sondern um Preisordnungsrecht, sodass etwaige Verstöße die Wirksamkeit der getroffenen Abreden unberührt lassen (s. Ellenberger in Palandt, 75. Auflage 2016,§ 134 BGB Rn. 26 m.w.N.).
Für die Beurteilung, ob für den Geschädigten eine Überhöhung des Honorars ersichtlich war, kommt es nicht auf die zugrunde liegenden Einzelpositionen, sondern auf das Gesamthonorar an. Selbst wenn der Sachverständige in einer Position leicht über der üblichen Vergütung liegt, dies jedoch in anderen Positionen wieder ausgleicht, liegt insgesamt keine überhöhte Berechnung vor. Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, mit einem Sachverständigen, der in der Gesamtrechnung zu einem üblichen Honorar kommt, über die einzelne Zusammensetzung desselben zu verhandeln oder gar aufgrund einzelner Nebenkosten, die ihm überhöht erscheinen, einen anderen Sachverständigen aufsuchen zu müssen, obwohl der von ihm ausgesuchte Sachverständige insgesamt keinesfalls überhöht abrechnet.
Das LG Hamburg führt hierzu mit Urteil vom 19.03.2014 aus:
„Nach Auffassung der Kammer ist bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto-/Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Andernfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, aber deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt.“ (LG Hamburg, Urteil vom 19.03.2015, Az. 323 S 7/14). Diese Ausführungen macht sich das erkennende Gericht zu eigen.
Im Folgenden stellt das Landgericht darauf ab, dass das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten die Werte des von der Beklagten für die Beurteilung der Angemessenheit zugrunde gelegten Honorartableaus 2012 HUK-Coburg um ca. 34 % überschritt, hielt diese Überschreitung aber jedenfalls nicht für so hoch, dass die als Schadensersatz geltend gemachten Sachverständigengutachterkosten als „nicht erforderlich“ im schadensersatzrechtlichen Sinne anzusehen seien. Im vorliegenden Fall meint der Beklagte, dass die von der Klägerin abgerechneten Nebenkostenpositionen jeweils die in der BVSK-Honorarbefragung 2015 angegebenen Werte deutlich übersteigen würden, teilweise um bis zu 158%. Wie bereits ausgeführt, ist für die Bemessung einer erkennbaren Überhöhung aber ausschließlich auf die Gesamthöhe des Gutachterhonorars abzustellen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall das von der Klägerin berechnete Grundhonorar sogar unterhalb der in der BVSK Befragung 2015 empfohlenen Werten liegt.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich bei einer fiktiven Berechnung der hier geltend gemachten Sachverständigen- und Nebenkosten nach der BVSK-Honorarbefragung 2015 ein Rechnungsbetrag von 732,00 € netto inkl. Nebenkosten – ausgehend von dem Mittelwert des HB V Korridors von 594,50 € für eine Schadenhöhe bis 5.000,00 €. Unabhängig von der Frage, ob das Honorartableau überhaupt eine geeignete Grundlage zur Ermittlung der üblichen Sachverständigenkosten darstellt – was bereits bezweifelt werden kann – so liegt hier keine Überschreitung durch die vom Kläger gestellte Rechnung über 771,78 € netto (s. Anlage K4) von gerade einmal 5,4 % vor. Von „erkennbar überhöhten“ Nebenkosten kann hier bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung also in keiner Weise gesprochen werden. Auch wenn man mit dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14; s.a. AG Hamburg-Bergedorf vom 18.02.2016, 410d C 146/15 – BeckRS 2016, 04088) den Mittelwert des Grundhonorars (ohne Nebenkosten) aus der BVSK-Honorarbefragung, Korridor HB V, in Höhe von 594,50 € ins Verhältnis zum Gesamtnettobetrag der Rechnung des Kläger in Höhe von 771,78 € (mit Nebenkosten) setzt, ergibt sich lediglich eine Überschreitung von 29,8%. Auch hierbei kann von einer erkennbaren Überhöhung keine Rede sein (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14 für eine Überschreitung von 45%).
Aus diesem Grund kann der Beklagte weder mit Erfolg einwenden, dass Fotokosten überhöht und nicht erforderlich waren, noch die Kommunikationspauschale der Höhe nach oder das Anfallen der Portokosten bestreiten. Denn diese Einwände beziehen sich wiederum nur auf die einzelnen Nebenkostenpositionen und lassen außer Betracht, dass es allein auf eine offensichtliche Überhöhung der Gesamtkosten und deren Erkennbarkeit durch den Geschädigten ankommt. Im Übrigen hält das Gericht den Einwand, dass Schreib- und Fotokosten als Hauptleistungspflicht geschuldet seien und daher stets mit dem Grundhonorar abgegolten seien, schon deshalb für nicht zielführend, weil auch die vom Beklagten in Bezug genommene BVSK Honorarbefragung 2015 diese Kosten gesondert als Nebenkosten ausweist.
Es ist auch insoweit keine andere Beurteilung geboten, als die Klägerin, der der Beklagte eine überhöhte Entgeltforderung vorwirft, durch die Abtretung selbst Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten, die diese somit gegen den Beklagten geltend machen kann. Für die Frage, ob erhöhte Gutachterkosten abgerechnet wurden, kommt es allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an (vgl. i.E. LG Hamburg, Urteil vom 19.03.2015, Az. 323 S 7/14; LG Hamburg, Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14; BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13).
Im Übrigen betont auch der BGH, beispielsweise in dem vom Beklagten in seiner Klageerwiderung in Bezug genommenen Urteil, dass die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist. Insbesondere sei es „nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben“ (BGH, Urteil vom 22.07.2014, NJW 2014, 3151, 3152). Bei der Bemessung der Schadenshöhe habe der Tatrichter allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zu Grunde liegen müssten (BGH, a.a.O.). Aus diesem Grund erachtete der BGH die Schätzung des Landgerichts Saarbrücken für fehlerhaft, das in Routinefällen pauschal von einer Angemessenheit von Nebenkosten bei einer Höhe bis zu 100,00 € netto ausgegangen war. In diesem Zusammenhang sprach der BGH aber lediglich davon, dass es entgegen der Revision nicht zu beanstanden sei, verschiedene vom Sachverständigen festgesetzte Pauschalen für Nebenkosten – wie etwa das Kilometergeld oder Fotokosten – als erkennbar deutlich überhöht zu werten. Dass dies in jedem Fall so geschehen muss, impliziert der BGH gerade nicht. Vielmehr betont der BGH die tatrichterliche Schätzungsfreiheit nach § 287 ZPO, die lediglich nicht völlig abstrakt erfolgen dürfe und jedem Einzelfall Rechnung tragen müsse (BGH, a.a.O.). Auch nach den Maßstäben des BGH dürfte die Vorgehensweise des Landgerichts Hamburg, die sich am Einzelfall orientiert und einen prozentualen Vergleich mit den nach der BVSK Honorarbefragung im konkreten Einzelfall fiktiv angefallenen Kosten anstellt (s.o.), nicht zu beanstanden sein.
- Zinsen auf die Hauptforderung schuldet der Beklagte gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB, 10 Abs. 5 AKB seit dem 12.09.2015. Die Verweigerung weiterer Zahlungen durch die Versicherung des Beklagten war diesem gemäß § 10 Abs. 4, 5 AKB 2007, jetzt A.1.1.4. AKB 2008, zuzurechnen. Die dort vorausgesetzte Verfügungs- und Vertretungsbefugnis wird auf die gesamte Schadensregulierung mit Außenwirkung zum geschädigten Dritten ausgedehnt, sodass der Versicherungsnehmer an das Regulierungsverhalten und die vom Versicherer abgegebenen Erklärungen gebunden ist (Knappmann in Prölss/Martin, WG, 29. Auflage 2015, AKB 2008, A.1.1.Rn. 20).
Unter dem Gesichtspunkts des Verzuges steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Erstattung aufgewendeter Kosten in Höhe von 5,10 € für eine Halterabfrage zu. Weder der Klägerin noch dem Geschädigten war der Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs bekannt. Die Kosten für die Halterabfrage waren dementsprechend gemäß § 249 BGB erforderlich. Das Gericht kann auch nicht nachvollziehen, inwiefern die Abtretung der Kosten für die Halterabfrage versteckt unter Verstoß gegen § 305c BGB erfolgt sein soll. Der Hinweis, dass die Abtretung auch die Erstattung von Kosten für Auskünfte umfasst, befindet sich ebenso ausdrücklich und an gleicher Stelle in der Abtretungserklärung wie die Spezifizierung der übrigen abgetretenen Forderungen auch. Im Übrigen werden die Kosten der Halterabfrage von der Klägerin im vorliegenden Fall als eigene Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht. Es steht dem der Klägerin auch frei, welchen von mehreren Gesamtschuldnern sie in Anspruch nehmen möchte. Es kann daher nicht beanstandet werden, dass die Klägerin zur Klageerhebung gegen den Halter des Fahrzeugs dessen Identität ermittelte, obwohl ihr die Versicherung des Beklagten und der Unfallgegner bekannt waren. Anders als im Urteil des LG Hamburg (Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14) war der Klägerin die Person des Halters gerade nicht bekannt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. II, 713 ZPO.
III. Im Hinblick auf die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärten Rechtsfragen und ihre Konkretisierung in der Rechtsprechung des zuständigen Berufungsgerichts ist eine Zulassung der Berufung nicht veranlasst.
Soweit das AG HH-Bergedorf.