AG Pasewalk verurteilt Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.3.2016 – 101 C 21/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende stellen wir Euch hier noch ein umfangreiches Urteil aus Pasewalk (Meckenburg-Vorpommern) zu den resatlichen, vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherungs AG vor. Sogar im Rechtsstreitsverfahren zahlte die beklagte Allianz Versicherungs AG noch weitere 14,28 €. Hinsichtlich der weiteren Differenz ließ sie es auf einen Rechtsstreit ankommen, bei dem wiederum Versichertengelder vergeudet wurden. Wiederum wurde seitens der Allianz Versicherung alles mit Nichtwissen bestritten, obwohl der Sachvortrag bezüglich eines Mitverschuldens des Geschädigten bei der Höhe der berechneten Sachverständigenkosten in der Darlegungs- und Beweislast der beklagten Allianz Versicherung lag. Auch das unsubstantiierte Bestreiten der Fahrtkosten spricht nicht für die Juristen der Beklagten. Zu Recht hat das erkennende Gericht den unsubstantiierten Vortrag der Allianz Versicherung unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) als unerheblich angesehen und der Klage in vollem Umfang statt gegeben, wobei es auch noch auf das weitere Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – ( BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) hingewiesen hatte. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Aktenzeichen:
101 C 21/14

Amtsgericht Pasewalk

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Allianz Versicherungs AG, vertr. d.d. Vorstandsvorsitzenden Severin Moser, An den Treptowers 3, 12435 Berlin

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Pasewalk durch die Richterin am Amtsgericht P. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2016 für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 157,43 Euro seit dem 24.01.2014 bis zum 27.03.2014 und auf 143,15 Euro seit dem 28.03.2014 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.        Der Streitwert wird auf 157,43 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes aus abgetretenem Recht den Differenzbetrag aus der Sachverständigenrechnung 27.11.2013 in Höhe von noch 143,15 Euro nebst Zinsen.

Die Beklagte ist die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den Schadensersatz dem Grunde nach in voller Höhe haftet. Die Geschädigte beauftragte den Kläger am 26.11.2013 mit der Kalkulation des unfallbedingten Unfallschadens und trat gleichzeitig ihren Erstattungsanspruch hinsichtlich der Sachverständigengebühren gegenüber der Beklagten an den Kläger ab.
Der Kläger erstellte ein umfangreiches Gutachten, das sowohl die Reparatur als auch die Totalschadensvariante für die Geschädigte zum Inhalt hatte. Der Kläger holte im Rahmen der Gutachtenbearbeitung Restwertgebote ein. Für seine Tätigkeit rechnete der Kläger gegenüber der Geschädigten mit Rechnung vom 27.11.2013 in Höhe von 870,84 Euro ab.
Ausweislich der Rechnung werden folgende Positionen abgerechnet:

Gutachten – Grundhonorar 530,00 Euro
Fahrtkosten je km 1,10 Euro, insgesamt 63,80 Euro (58 km)
1. Fotosatz (je Foto 2,50 Euro) insgesamt 40,00 Euro (16 Fotos)
2. Fotosatz (je Foto 1,50 Euro) insgesamt 24,00 Euro (16 Fotos)
Schreibkosten Original (je Seite 2,80 Euro) insgesamt 39,20 Euro (14 Seiten)
Schreibkosten Kopie (je Seite 1,20 Euro) insgesamt 16,80 Euro (14 Seiten)
Versand/Telefon/ EDV pauschal 18,00 Euro.

Für die Besichtigung des Fahrzeugs der Geschädigten war eine Strecke (Hin- und Rückfahrt) von 58 km zurückzulegen.

Die Beklagte zahlte auf die Rechnung zunächst 713,41 Euro, so dass noch 157,43 Euro im Streit standen. Im laufenden Verfahren zahlte die Beklagte einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 14,28 Euro und stellte die abgerechnete Grundgebühr der Höhe nach unstreitig.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass die Beklagte die Gebührenrechnung unzulässigerweise kürze. Sie sei gegenüber dem Kläger auf diejenigen Einwendungen beschränkt, die sie gegenüber der Geschädigten einwenden könnte. Gründe für ein Auswahlverschulden der Geschädigten lägen jedenfalls nicht vor.

Gegenstand der Kostenposition Versand/Telefon/EDV seien EDV-Kosten, die zur Kommunikation im Auftragsverhältnis erforderlich seien. Die EDV-Kosten für die Erstellung der Fotoanlagen werden unter der Kostenposition Fotosatz kalkuliert. Die EDV für die Erstellung des Gutachtens selbst werde unter der Kostenposition Schreibkosten kalkuliert. Der Kläger erstelle im Regelfall eine Vielzahl an Bildaufnahmen, um im Büro eine Auswahl derjenigen Bilder vornehmen zu können, die das Schadensbild bestmöglich und ausreichend wiedergeben. Vor der Auswahl der Bilder werden zunächst Spiegelungen und Farbeffekte bearbeitet, um den Schaden bestmöglich sichtbar zu machen. Sodann erfolgt eine Auswahl derjenigen Bilder die ausreichend das Schadensbild ausweisen. Das Auswahlverfahren habe zum Ergebnis, dass nur etwa 1/3 der gefertigten Bildaufnahmen tatsächlich dem Fotosatz beiliegen. Abgerechnet werden nur diejenigen Bilder, die dem Gutachten beigefügt wurden. Die Bearbeitung der Bilder, die durch den Sachverständigen selbst vorgenommen wird, erfordere einen vergleichbar hohen Zeitaufwand. Der Zeitaufwand habe sich im Vergleich zur Analogfotografie erhöht.

Im Rahmen der Kostenposition würden die reinen Schreibkosten, d.h. das Eintragen der Daten in die Software und die Materialkosten kalkuliert. Ebenso seien im Kostenpunkt – Schreibkosten Kopie – die Arbeitskosten seiner Arbeitskraft für die Erstellung der Kopiekosten einkalkuliert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 143,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 157,43 Euro vom 24.01. Bis 27.03.2014 und auf 143,15 Euro seit dem 28.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die nicht anerkannten Kosten seien dem Kläger nicht zu erstatten, weil diese zur Wiederherstellung nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB seien.

Die Beklagte bestreitet die Nebenkostenpositionen mit Nichtwissen. Die Abrechnung des Klägers sei nicht nachvollziehbar und Nebenkosten überhöht, d.h. weder ortsüblich noch angemessen. Es seien erhebliche Kostenreduzierungen aufgrund technischen Fortschrittes zu erwarten. Zum einen reduziere sich der Bearbeitungsaufwand für Digitalfotografien, da  der Sachverständige sich der Programmfunktionen der Bild-EDV bedienen könne. Fotokosten seien nicht abrechenbar. Das Erkennen des Schadens und die sachgerechte Dokumentation sei Kembestandteil des Gutachtenauftrags und unterfalle der Grundgebühr. Entsprechendes gelte auch für die Schreibkosten. Auch seien die Schreibkosten nicht nachvollziehbar. Der Kläger nutze standardisierte Software, so dass das Gutachten nach Eingabe der Daten automatisch erstellt werden kann. Es erfordert insoweit keines weiteren Schreibaufwandes.

Die Entstehung von Fahrtkosten wird bestritten. Für gewöhnlich suche der Geschädigte die Räumlichkeiten des Sachverständigen auf.

Die Nebenkosten betragen etwa 40 Prozent der Sachverständigenkosten und stünden im krassen Missverhältnis zum Grundhonorar.

Entscheidungsgründe

1.   Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann aus abgetretenem Recht die Erstattung der Sachverständigenkosten in vollem Umfang verlangen.

Die Beklagte haftet nach §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG. Sie hat gemäß § 249 Abs. 1 BGB den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Dabei sind jedoch nur die zur Herstellung erforderlichen Aufwendungen erstattungsfähig. Erforderlich sind bei Heranziehung eines privaten Sachverständigen nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nur diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob erden Schaden selbst zu tragen hätte. Erforderlich ist eine subjektbezogene Schadenbetrachtung (vgl. u.a. BGHZ 115, 369; OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15 -juris).

Die Hinzuziehung des Klägers zur Begutachtung des Sachschadens war erforderlich.

Auch sind die von dem Kläger abgerechneten Rechnungsbeträge der Höhe nach erstattungsfähig. Festzuhalten ist zunächst, dass eine konkrete Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und dem Kläger – zur Abrechnung des Klägers – nicht vereinbart wurde. Es steht lediglich fest, dass das Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe berechnet wird. Mangels konkreter Vereinbarung zur Abrechnung des Werklohnanspruches des Klägers ist das Sachverständigenhonorar gemäß § 632 Abs. 2 BGB erstattungsfähig, soweit es angemessen und üblich ist.

Der Kläger hat vorliegend angemessen abgerechnet. Zumindest kann dem Anspruchsteller kein Verschulden bei der Auswahl des Sachverständigen vorgeworfen werden. Insoweit gilt auch im Verhältnis aus abgetretenen Recht die subjektbezogene Schadenbetrachtung.

Hinsichtlich des Grundhonorars des Sachverständigen kann jedenfalls ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstattet verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007, VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450), die Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands allein kann bei der Schadensschätzung aber nicht herangezogen werden, um das Honorar des privaten Sachverständigen zu kürzen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014, VI ZR 225/13, NJW 2014,1947, OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15 -, juris). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Bezugnahme des Klägers auf die BVSK-Honorarumfrage 2013 zulässig ist. Das Grundhonorar wurde zuletzt der Höhe nach anerkannt.

Soweit die abgerechneten Nebenkosten die in der Region für entsprechende Sachverständigengutachten abgerechneten Gebühren übersteigen, wäre ein Überschreiten vorliegend unschädlich. Eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten kann im Ergebnis nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Ein Sachverständigenhonorar ist selbst dann noch als angemessen anzusehen, wenn es im oberen Bereich des Erwartbaren angesiedelt ist; auf einen Mittelwert ist nicht abzustellen (vgl. OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15 -, juris).

Die Beklagte hat keine durchgreifenden Einwände gegen die Angemessenheit der abgerechneten Gebühren vorgetragen. Voraussetzung für eine substantiierte Einwendung seitens des Schädigers oder der Versicherung ist die Darlegung a) der üblichen Sätze für das Grundhonorar und ggf. b) der üblichen Sätze für Nebenkosten, c) jedenfalls bezogen auf das nähere örtliche Umfeld, und d) auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss (vgl. OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15 -, juris).

Die Einwendungen der Beklagten sind zwar grundsätzlich nachvollziehbar, weil insoweit für die Beklagte unklar ist, welche Leistungen ein einzelner Sachverständiger unter dem Kostenpunkt Grundgebühr und unter den Kostenpunkten (Nebenkosten) subsumiert und abrechnet. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, welche der von ihr ermittelten Durchschnittswerte auch die Sachverständigenkosten abbilden, die in der Region des Klägers als angemessen und üblich abgerechnet werden und auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unprobLematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss.

Schließlich sind die Nebenkosten nicht zu beanstanden. Auch hier gilt, dass die Abrechnung der Nebenkostenpositionen nicht konkret vereinbart wurde. Auch insoweit gilt, dass nach Angemessenheit und Üblichkeit abzurechnen ist.

Die Fahrtkosten sind entsprechend der gefahrenen Strecke abgerechnet. Eine Pauschale nach dem JVEG war vorliegend nicht zu berücksichtigen, weil der Sachverständige für die Fahrtzeit Arbeitszeit aufwendet und dieses nicht im Grundhonorar vergütet wird. Dies schließt sich bereits deshalb aus, weil das Grundhonorar in Anlehnung an die Schadenhöhe berechnet wird, und die Fahrtzeit nicht abbildet. Darüber hinaus steht es der Geschädigten frei, den Sachverständigen in die Kfz-Werkstatt zu beauftragen.

Die Schreibkosten sind nach Anzahl der Seiten abgerechnet. Hierfür berechnet der Kläger eine Pauschale, die nicht im krassen Missverhältnis zur Leistung stehen. Abgedeckt werden die tatsächlichen Leistungen zum Einstellen der Daten und der Schlussfolgerungen, die Ergebnis der Begutachtung sind, sowie der EDV-Kosten. Auch die Kosten der Schreibkopie, d.h. Arbeitskostren für die Erstellung der Kopie sind nicht zu beanstanden. Im übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit es sich hier bereit um Leistungen handeln soll, die dem Grundhonorar unterfallen. Es gilt zu beachten, dass eine Gebührenordnung für Sachverständige nicht besteht, folglich eine gesetzliche Festlegung der in der Gebühr und den Auslagen (Nebenkosten) enthaltenen Tätigkeitsanteile nicht vorliegt. Eine Analogie zum RVG oder zum JVEG verbietet sich. Vielmehr kommt es auf die vorgenannten Grundsätze (siehe zu OLG München) an.

Die Fotokosten sind ebenfalls noch angemessen. Nachvollziehbar ist die von dem Kläger geschilderte Bearbeitungszeit zur Auswahl und Nachbearbeitung von Bildern. Hier gilt, dass von dem Kläger eine Leistung mittlerer Art und Güte verlangt wird, so dass die von dem Kläger auzuwendende Bearbeitungszeit und Bearbeitungsschritte der Sache angemessen sein müssen. Keinesfalls ist der Kläger gehalten, ein „Billiggutachten“ zu erstellen.

Eine Pauschale für Telefon/Porto/EDV in Höhe von 18,00 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der Klage war vollumfänglich stattzugeben.

2. Die prozessuale Nebenentscheidung folgt aus §§ 91, 708 Ziffer 11 ZPO.

3. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Pasewalk verurteilt Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.3.2016 – 101 C 21/14 -.

  1. Salvatorbruder sagt:

    Hallo, Willi Wacker,

    das Interessanteste an diesem Vorgang ist u.a.das Bestreiten der Beklagten, wie folgt:

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    „Die nicht anerkannten Kosten seien dem Kläger nicht zu erstatten, weil diese zur Wiederherstellung nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB seien.

    Die Beklagte bestreitet die Nebenkostenpositionen „mit Nichtwissen“.
    Die Abrechnung des Klägers sei nicht nachvollziehbar und Nebenkosten überhöht, d.h. weder ortsüblich noch angemessen.
    Es seien erhebliche Kostenreduzierungen aufgrund technischen Fortschrittes zu erwarten.
    Zum einen reduziere sich der Bearbeitungsaufwand für Digitalfotografien, da der Sachverständige sich der Programmfunktionen der Bild-EDV bedienen könne.
    Fotokosten seien nicht abrechenbar. Das Erkennen des Schadens und die sachgerechte Dokumentation sei Kembestandteil des Gutachtenauftrags und unterfalle der Grund“gebühr“.
    Entsprechendes gelte auch für die Schreibkosten. Auch seien die Schreibkosten nicht nachvollziehbar. Der Kläger nutze standardisierte Software, so dass das Gutachten nach Eingabe der Daten automatisch erstellt werden kann. Es erfordert insoweit keines weiteren Schreibaufwandes.
    Die Entstehung von Fahrtkosten wird bestritten.
    „Für gewöhnlich“ suche der Geschädigte die Räumlichkeiten des Sachverständigen auf.
    Die Nebenkosten betragen etwa 40 Prozent der Sachverständigenkosten und stünden im krassen Missverhältnis zum Grundhonorar.“

    Wenn die Beklagte die Nebenkostenpositionen mit Nichtwissen bestreitet, wie kann sie dann beurteilen,ob und in welchem Umfang diese nicht erforderlich gewesen sein sollen? Wie und in welcher Zusammensetzung erklärt sich dann der erfolgte Abzug? Die Bewertung „weder ortsüblich noch angemessen“ läßt die werkvertragliche Betrachtungsweise zur bestrittenen Rechnungshöhe erkennen , nicht jedoch die allein schadenersatzrechtlich masßgeblichen Beurteilungskriterien. Bei der vorgetragenen Behauptung, Maßstab der Ersattungsverpflichtung sei die „Ortsüblichkeit“ lässt sich relativ einfach durch eine schnelle Umfrage feststellen, dass eine solche Behauptung unwahr ist und die Beklage wider besseren Wissens vorträgt, d.h. schlicht und einfach, dass sie auch das Gericht zu täuschen versuchte.
    Zudem weiß die Beklagte sehr genau aus ihrer hauseigenen Sachverständigentätigkeit, dass sich der Bearbeitungsaufwand für digitale Fotografien keineswegs reduziert, durch eine Programmfunktion, die hier als Bild-EDV bezeichnet wird. Was soll das sein und was kann dabei herauskommen ? Müll , wie ich selbst erlebt habe. Die Beklagte mag sich vielmehr vergegenwärtigen, wie eine an den Erfordernissen der auswertbaren Beweissicherung anspruchsvolle Fachfotografie kostenverursachend zu beurteilen ist und zwar von der Objektauswahl bis zur Übertragung und abschließender Bearbeitung mit bildfüllender Bereinigung und ggf. Beschriftung und Anbringung von Pfeilmarkierungen oder auch anderer Herausstellungsmerkmale. Das sind durchschnittlich 4-4,5 Minuten. Das sind bei nur 100,00 € Stundenverrechnungssatz 1,66 € /Minute und bei 4 Minuten schon 6,66 € sowie bei 4,5 Minuten bereits 7,50 € ohne Material und Geräteeinsatz. Man vergleiche damit einmal die Fotoangebote in Fachgeschäften, die formatbereinigt leicht zwischen 10,00 – 15,00 € liegen oft jedoch auch deutlich höher.
    Selbstverständlich sind Fotografien Kernbestandteil eines Gutachtens, jedoch im Nebenkostenbereich, da sich logischerweise nur das Grundhonorar auf die Schadenhöhe beziehen kann und … gerade diese Versicherung wollte das in dieser altbewährten Art und Weise schon vor einigen Jahrzehnete so gehandhabt wissen. Hat die Allianz-Versicherung noch nie davon gehört, das Schreibkosten eine Sekretariatsleistung sind? Deshalb gibt es in qualifizierten Sachverständigenbüros nicht nur eine Sekretärin, sondern auch ein tagtäglich benutztes Diktiergerät und im Gutachten selbst eine dezidierte Schadenbeschreibung, die übrigens zu einem verkehrsfähigen Beweissicherungs-Gutachten immer gehört.
    Ich habe selten eine so neben der Sache liegende Begründung gelesen, wenn wissentlich irrtumserregend behauptet wird, dass das Gutachten mit einer standardisierten Software nach Eingabe der Daten automatisch erstellt werden könne und insoweit erfordert insoweit keinen „weiteren“ Schreibaufwand erfordere.
    Das Bestreiten von Fahrtkosten ist dann der Gipfel der Provokation und sollte eigentlichbeim nächsten Mal Veranlassung geben, den verantwortlichen Vorstand zwecks Erläuterung vor die Schranken des Gerichts zu zitieren. Wenn auch das Verhältnis der Nebenkosten zum Grundhonorar kein Maßstab für die Beurteilungsfähigkeit der Erforderlichkeit ist, so übersieht die Beklagte dennoch, dass dieses von ihr kritikführend angesprochene Verhältnis ad absurdum geführt wird durch die Tatsache, dass in dem bekannten BGH-Urteil aus Februar 2014 die Relation der Nebenkosten zum Grundhonorar vergleichsweise sogar bei ca. 73 % (!) lag und dennoch die Erstattungsverpflichtung bejaht wurde. Ob der BGH dabei möglicherweise die Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers im Auge hatte, kann dahingestellt bleiben. Schadenersatzrechtlich ist dennoch die Behauptung eines krassen Mißverhältnisses ein doppelt missglückter Münchener Schmarrn übelster Sorte.
    Salvatorbruder

  2. virus sagt:

    Die ständige groß-plakative Allianz-Werbung bei der Formel 1 hat mich auf den Gedanken gebracht, die Gutachten-Nebenkosten um die Position „Kosten für Werbung – anteilig“ zu erweitern. Was meint ihr?

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