Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Samstag stellen wir Euch ein Urteil aus dem Saarland vor. Bekanntlich existiert dort die Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken, der sogenannten „Freymann-Kammer“. Diese Rechtsprechung der „Freymann-Kammer“ wurde bereits durch das Revisionsgericht gekippt. Ich erinnere an die Einhundert-Euro- Deckelung der Nebenkosten. Da die Rechtsprechung der 13. Zivilkammer aus verschiedenen Gründen nicht immer akzepziert werden kann, richten sich auch nicht immer die nachgeordneten Amtsgerichte danach. Nachstehend stellen wir Euch ein Urteil des nachgeordneten Amtsgerichts Saarlouis zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG und deren Versicherungsnehmer vor. Erfreulicherweise folgen nicht alle blind der „Schrott-Rechtsprechung“ des LG Saarbrücken, sondern richten sich nach der Rechtsprechung des OLG Saarbrücken. Damit ist der Rechtsprechung des LG Saarbrücken wieder einmal die Gefolgschaft – zu Recht – verweigert worden. Das LG Saarbrücken hält es noch nicht einmal für nötig, in seinen Entscheidungen auf die zutreffende Rechtsprechung des Obergerichtes des Landes Saarland einzugehen. So abgehoben scheint der Vorsitzende der 13. Zivilkammer zu sein? Umso erfreulicher ist es, wenn Amtsrichter der nachgeordneten Gerichte die Rechtsprechung des LG Saarbrücken schlichtweg ignorieren.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
28 C 45/16 (70)
Amtsgericht Saarlouis
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
Kfz-SV …
Kläger
gegen
1. …
2. HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Saarlouis
im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO
nach rechtlichem Gehör für die Parteien
den Richter am Amtsgericht S.
am 26. April 2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 67,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.2.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht (Abtretungsvertrag vom 8.2.2012) Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in geltend gemachter Höhe von 67,- € zu.
Der Kläger wurde aufgrund eines Unfallgeschehens vom 2.2.2012 in Saarlouis mit der Erstellung eines Haftpflichtgutachtens beauftragt. Seine Leistungen liquidierte der Kläger mit einem Gesamtbetrag von 587,- € netto, worauf die Beklagte zu 2) 520,- € regulierte.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. II BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2014, 3151, BGHZ 115, 364, 369, 160, 377, 383). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlichereren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadenbeseitigung aufzuwenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, zum einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Wahrt der Geschädigten den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadenersatz-prozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH VersR 2004, 1189, BGH NJW 2007, 1450). Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2014, 13 S 109/14, Amtsgericht Saarlouis 28 C 37/15, 28 C 157/15).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadenbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages i.S.v. § 249 Abs. II Satz 1 BGB, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Deshalb obliegt es dem Schädiger, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies dem Geschädigten auch erkennbar war (BGH in VersR 2014, 1141).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlage ist vorliegend zunächst festzustellen, da sich das gemäß Liquidation vom 10.2.2012 in Rechnung gestellte Grundhonorar von 383,- € sich innerhalb des maßgeblichen Honorarkorridors V. der vorliegend anzuwendenden BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 bewegt, so dass es auch nach der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer der Höhe nach nicht zu beanstanden ist (Landgericht Saarbrücken NJW 2012, 3658, Urteil vom 19.12.2014, 13 S 41/13). Eine solche Abrechnung ist grundsätzlich zulässig und durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt (BGH VersR 2014, 474).
Demgemäß konnte das Gericht auch vorliegend gemäß § 287 ZPO den erforderlichen Aufwand des Geschädigten insofern abschätzen, ohne dass hierfür ein Sachverständigengutachten eingeholt werden musste.
Sofern sich die Beklagten maßgeblich gegen die Berechnung der Nebenkosten wenden, ist eine gesonderte Berechnungsweise zunächst höchstrichterlich akzeptiert, was auch die angegriffene gesonderte Berechnung einer EDV-Abrufgebühr betrifft (Landgericht Saarbrücken a.a.O.).
Soweit die Nebenkosten den nach der neueren Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken maßgeblich unter Zugrundelegung eines Vergleichs mit dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) anerkannten Betrag übersteigen, ist jedenfalls z. Zt. nicht festzustellen, dass mit der Berechnung dieser Kostenpositionen für den Geschädigten eine erkennbare Überhöhung von Kosten einhergeht. Hier kann diesem kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden, als den mit der Materie rechtlich befassten Entscheidungsträger. Hierzu existieren jedoch unterschiedliche unterinstanzliche Bewertungen saarländischer Gerichte, aber auch des Landgerichts Saarbrücken einerseits und des saarländischen Oberlandesgerichtes andererseits (Saarländisches Oberlandesgericht 4 U 61/13, 4 U 46/14).
Nach alledem sind die Beklagten zur Erstattung der vollen Sachverständigengebühren (gemeint sind wohl: Sachverständigenkosten, Anm. des Autors!) verpflichtet, weshalb der geltend gemachte Restanspruch zur Zahlung offensteht und die geltend gemachten Nebenforderungen aufgrund Verzugs der Beklagten mit deren Erstattung gerechtfertigt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlagen in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
dein einleitender Kommentar ist zweifelsohne ebenso informativ, wie die Entscheidungsgründe dieses Urteils, obwohl beispielsweise hinsichtlich der zu beurteilenden Erforderlichkeit eine Bezugnahme auf die Honorarbefragung eines Berufsverbandes, der zudem mit seinen Mitgliedern einen Marktanteil von weniger als 6% repräsentiert, entbehrlich war. Eine solche partielle Honorarbefragung ist eben keine Gebührenordnung.
„Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. II BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2014, 3151, BGHZ 115, 364, 369, 160, 377, 383).“
Also „in der Lage des Geschädigten“ und nicht in der viel komfortableren Lage des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers.
Schadenersatzrechtlich kommt es demnach nicht darauf an, was die Haftplichversicherung des Schädiges für „zweckmäßig“ und „angemessen“ hält.
Die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung für ein versicherungsunabhängiges „Schadengutachten“ entstehenden Kosten sind zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht bekannt und sind auch nicht ex post nach nach einer solchen „Honorarbefragung“ in Stein gemeißelt. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers kann also vom Geschädigten überhaupt nichts verlangen, denn 100 % Haftung bedingen auch 100 % Schadenersatz gem. § 249 BGB.
Das angesprochene „Wirtschaftlichkeitsverbot“ ist generell überflüssiger Ballast in den Entscheidungsgründen, denn der Geschädigte kann regelmäßig die Höhe der für die Schadenbeseitigung aufzuwenden Kosten bekanntlich nicht beeinflussen. Ja, und das „im Rahmen des ihm Zumutbaren“ erlaubt die Frage, ob dazu auch gehört, dass der Geschädigte durch ex post Zubilligung von normativ geprägten Schadenersatz auf Basis eines nicht existierenden Pauschalpreis“vertrages“ mit der Vers. des Schädigers nach dem HUK-Coburg Tableau die versicherungsseitig damit angestrebte Arbeitsvereinfachung für die anonymen Schadenteams der HUK-Coburg Vers. zu stützen verpflichtet werden kann auf dem Weg eines rechtswidrigen Regulierungsboykotts, der zudem das Grundgesetz ignoriert ?
Dann weiter im Text:
„Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, zum einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist.“
Zunächst ein nicht zu umgehendes Zugeständnis bezüglich keiner bestehenden Verpflichtung und dann der verunsichernde Bumerangeffekt, der beginnt mit „wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er „ohne nähere Erkundigung“……
Im Zugeständnis und der anschließenden Rücknahme bzw. Einschränkung liegt ein Widerspruch par excellence, wobei dem VI. Zivilsenat des BGH bewusst gewesen sein muss, welche Verwirrung er damit anstiftet. Wieso unterstellt ansonsten von vornherein die HUK-Coburg-Versicherung, dass ein Geschädigter „ohne nähere Erkundigung“ einen Sachverständigen beauftragt haben könnte und dazu noch einen, der – zumindest nach Meinung der HUK-Coburg-Versicherung etwas abrechnen wird, was nicht erforderlich ist? Das „ohne nähere Erkundigung“ ist eher eine Ausnahme als die Regel! Und in welcher Art von Prozess soll er sich denn möglicherweise als „zu teuer“erweisen?
In einem Schadenersatzprozess des Geschädigten gegen den Verursacher oder seine Versicherung doch wohl sicher nicht, bei Beachtung der dabei entscheidungserheblichen Randbedingungen. Kann also wohl nur ein Prozess des Haftpflichtversicherers gegen den vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen gemeint sein oder ein Prozess auf Grund einer „Abtretung an Erfüllung statt“. Allein die Tatsache, dass der VI. Zivilsenat des BGH bis heute nicht bemüht war, dieses durch die Wortwahl ausgelöste Verwirrspiel aufzuklären spricht für sich, wenn sie noch nicht einmal zwischen angeblich „nicht erforderlich“ und angeblich „zu teuer“ unterscheidet und entscheidungserhebliche BGH -Beschlüsse unberücksichtigt lässt.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu erstaunlich, dass Amtsgerichte, wie im konkreten Fall auch wieder das AG Saarlouis, die Schadenersatzverpflichtung dennoch zu verdeutlichen wissen.
Noch ein schönes Wochenende
Lisa v. S.
Wieder einmal wurde die Freymann-Kammer des LG Saarbrücken durch einen Amtsrichter abgewatscht. So muss Rechtsprechung sein.
@Lisa v.S.
Das „zu teuer erweist“ in der VI ZR 67/06 war schon immer bezogen auf die Werklohnforderung des SV gegen seinen Kunden.
Die Wortwahl „zu teuer“ beschreibt einen zu hohen Preis;den Preis für eine Werkleistung nennt das Gesetz Werklohn.
Dagegen kann man mit der Wortwahl „zu teuer“ eine Schadensersatzforderung nicht beschreiben.
Eine Schadensersatzforderung dagegen kann man als „zu hoch“ oder als „nicht mehr erforderlich“ beschreiben.
Man muss daher genauestens auf die Wortwahl des BGH achten um zu verstehen,was gemeint sein sollte.
Umkehrschluss aus VI ZR 67/06:
Wenn der Werklohn nicht „zu teuer“ ist (Beurteilung erfolgt nach der Werklohnrechtsprechung des X. Senates in der X ZR 42/06),dann handelt es sich jedenfalls um eine vollständig ersatzpflichtige Schadensposition.
Die Gerichtssprache ist „Deutsch“,nicht „Umgangsdeutsch“!
@RA Imhof
„Man muss daher genauestens auf die Wortwahl des BGH achten, um zu verstehen,was gemeint sein sollte.
Umkehrschluss aus VI ZR 67/06:
Wenn der Werklohn nicht „zu teuer“ ist (Beurteilung erfolgt nach der Werklohnrechtsprechung des X. Senates in der X ZR 42/06),dann handelt es sich jedenfalls um eine vollständig ersatzpflichtige Schadensposition.
Die Gerichtssprache ist „Deutsch“,nicht „Umgangsdeutsch“!
Sehr interessant – jedenfalls für mich – Herr RA Imhof, erklärt. Vor diesem Hintergrund geht es eben nicht um Zubilligung von normativem Schadenersatz, denn es ist nur logisch, dass ein Schadengutachten mit einer Schadenhöhe von beispielsweise 2000,00 € nicht von Nord bis Süd, aber auch nicht von West bist Ost überall das Gleiche kosten kann. Lediglich nach einem PAUSCHALPREISVERTRAG könnte man das zumindest vermuten. Das ist das, was die HUK-COBURG-Versicherung ex post als schadenersatzpflichtig mit dem HUK-Coburg Tableau unterstellt, obwohl sie überhaupt nicht Vertragspartner ist. Wer das allerdings nicht beachtet, ist ein nicht vernünftiger und nicht wirtschaftlich denkender Mensch, denn ansonsten wären es die bundesweiten Kürzungen bis runter auf weniger 4,00 € nicht erklärlich.
Dip.-Ing. Harald Rasche
Bochum & Tangendorf
Sehr geehrter Herr Rasche,
so etwas, dass eine Sache bzw. ein Artikel immer das Gleiche kostet, gab es einmal zu DDR-Zeiten und nannte sich EVP = einheitlicher Verbraucherpreis.
Scheinbar hat die HUK als auch einige Gerichte nicht realisiert, dass sich die Zeiten bisweilen geändert haben. 😉