Jetzt wird es völlig verrückt – K+L-Betriebe zukünftig in Beweisnot?

Die Karosserie und Fahrzeugbauer-Innung Wirtschafts GmbH (Geschäftsführer: Robert Paintinger) in München bietet „Ausbildung zum Unfallschadenmanager“ an. Sprichwörtlich fällt mir dazu ein: „K+L-Betriebe sollen sich – wieder einmal und zum Wohle einiger weniger – sehenden Auges in`s Knie schießen“. Wer sich auf diese Art von Schadenfeststellung auf eigene Kosten einlässt, um nach erfolgter Reparatur seine Handwerksleistung beim Versicherer abzurechnen, wird sich wundern. Ohne unabhängige Beweissicherung kann der Schädiger alles behaupten, um keine bzw. so wenig wie möglich an Schadensersatzleistungen erbringen zu müssen. Dann darf sich der K+L-Betrieb an seinen langjährigen treuen Kunden wenden, um diesen die nicht erstatteten Beträge in Rechnung zu stellen. Mithin demjenigen, der wohl möglich feststellt, dass ihm weitere Ansprüche verloren gegangen sind, weil wegen der fehlenden, für ihn verpflichtenden Beweissicherung, die Rechtsvertretung, falls überhaupt hinzugezogen, allein dem Schadenmanagement-Lager dienlich war.

Und dann auch noch dies: Öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger hilft dabei, seinen Berufsstand abzuschaffen.

Modul 2:
Schadensanalyse und Schadenskalkulation – fair und vollständig
Referent: Mike Hartmann,
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk

All dies vor dem Hintergrund, dass die von Control Expert entwickelte App Easy Claim laut Herrn Witte dazu dient, den Unfallschaden anhand einiger vom Autofahrer angefertigten Fotos zu kalkulieren. Allerdings nicht allein zur fiktiven Schadenabrechnung. Sondern im Falle der Reparatur, der Kfz-Betriebe auf Basis dieser Kalkulation zu reparieren hat.

Wirtschaft bedeutet Krieg, habe ich letztens jemanden sagen hören. Rund um den Unfallschaden wollen sich, wie oben bereits festgestellt, einige wenige – aus Sicht der Unfallopfer, entbehrliche – bereichern. Beim Handwerksbetrieb verleibt selbstredend allein das unternehmerische Risiko. Derweil wir Autofahrer uns auf höhere Prämien einstellen dürfen.

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4 Antworten zu Jetzt wird es völlig verrückt – K+L-Betriebe zukünftig in Beweisnot?

  1. Kfz-Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    @virus

    Für die Sicht der Dinge sind oft mehrere Perspektiven greifbar und die Gewichtung ist nun einmal sehr unterschiedlich, wobei man sich dem artikulierten Anliegen der K + L-Betriebe nicht verschließen sollte.
    Das Geknabbere an der lt. Gesetz zu erbringenden Schadenersatzleistung wird auf absehbare Zeit auch kein Ende nehmen und bei allen Aktivitäten ist zu beobachten, dass die berechtigte Interessenlage des Unfallopfers leider zu kurz kommt.

    Anwaltskosten und Kosten für ein qualifiziertes und verkehrsfähiges Beweissicherungs-Gutachten gehören auch zum Schadenersatz. Darauf wollen die Autoversicherer aus verständlichen Gründen verzichten. Die Perspektive der Unfallopfer ist indes eine andere und wer deren Unwissenheit zum eigenen Vorteil missbraucht, sollte sich überlegen, ob er überhaupt von optimierter Servicequalität
    reden kann.

    Unabhängig davon ist ein weiteres Missverständnis zu beobachten. Ein Kostenvoranschlag ist bekanntlich kein ausreichendes Beweismittel und sei er auch noch so sorgfältig erstellt. Gleichwohl favorisieren ihn die Autoversicherer, weil er preisgünstiger ist als ein unabhängiges Schadengutachten und damit zum eigenen Vorteil die eigentliche unumgängliche Beweissicherung ausgehebelt wird. Das Risiko trägt indes der Geschädigte und in den meisten Fällen wird er dann auch auf eine marktorientierte Regulierung der Merkantilen Wertminderung verzichten müssen, denn wer sollte diese auch objektiv feststellen?

    Auch die Werkstatt ist in erster Linie an einer Schätzung des Reparaturkostenbedarfs interessiert , die jedoch unvergleichlich wichtigere Beweissicherung, als Bestandteil eines qualifizierten und unabhängigen Beweissicherungsgutachtens ist für die Werkstatt zweitrangig. Nun mag der Einwand kommen, dass man ja den Schaden auch fotografiere. Das ist jedoch nach den sog. Mindestanforderungen nicht ausreichend, zumal jeder Betrachter einen fotografierten Schaden unterschiedlich bewertet und so nicht unerhebliche Missverständnisse erwachsen können.

    Allerdings muss man auch feststellen, dass ein Großteil der freiberuflich tätigen Sachverständigen auf eine detaillierte und technisch verständliche Schadenbeschreibung im Gutachten generell verzichtet und der Meinung ist, der Schadenumfang würde durch die präsentierte Repararturkostenkalkulation dargelegt.
    Diese ist allerdings nicht mehr als eine Prognose ohne jedwede beweissichernde Tatsachenfeststellung. Solche Art von Schadengutachten entsprechen nach meinen Informationen auch nicht den Richtlinien der Berufsverbände der Kfz.-Sachverständigen und können auch den berechtigten Anliegen der Autoversicherer nach einer Überprüfung der Schadenersatzforderung nicht Rechnung tragen, werden aber gleichwohl massenhaft Tag für Tag für die Unfallschadenregulierung durchgewinkt. So ist es denn nicht verwunderlich, dass das Anforderungsprofil an den Beweis für die geltend gemachte Schadenersatzforderung erheblich gelitten hat und Versicherer zunehmend veranlasst, diese oder jene Kürzung vorzunehmen. Dass da weiterführende Aufklärung angestrebt wird, ist m.E. nur eine Folge der bekannten Realität.-

    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Kfz.-Sachverständigenbüro
    für
    Unfallschadendokumentation

  2. virus sagt:

    Hallo Herr Rasche, danke für Deinen ausführlichen Kommentar.

  3. SV Wehpke sagt:

    @virus „Und dann auch noch dies: Öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger hilft dabei, seinen Berufsstand abzuschaffen.“

    Das sehe ich nicht ganz so. Es wäre anzumerken, dass der Sachverständige für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk öffentlich bestellt und vereidigt ist und nach der MSVO/DHKT diese Bestellung ausschließlich die Beurteilung handwerklich erbrachter Leistungen in diesem Handwerk umfasst. Solche Sachverständige sind meist selbstständige Handwerksmeister die ihre SV-Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben.

    Sollte dieser SV Gutachten für den Bereich Schäden & Bewertung erstellen und hier seine öffentliche Bestellung hervorheben und diese auch noch mit seinem öbv Stempel siegeln, wäre dies unzulässig und ein glatter Verstoß gegen § 132a StGB sowie gegen die §§ 3, 5 UWG. Aber meist kümmert das keinen und die Kammern schon gar nicht.

    Wehpke Berlin

  4. R.T. sagt:

    Hallo, Herr Rasche,
    das musste einmal in dieser Deutlichkeit auch angesprochen werden. Vielen Dank, dass Sie damit den Finger in die Wunde gelegt haben. Zwar unterstelle ich den Betroffenen keine Böswilligkeit, sondern allenfalls nicht ausreichend ausgelotete Überlegungen. Daran sieht man, wie wichtig auch der regelmäßige Dialog und der Gedankenaustausch mit praxiserfahrenen und vor allen Dingen seriösen und unabhängigen Kfz.-Sachverständigen wäre. Da würden die Autoversicherer auf ganz legale Art eine Menge Geld sparen und die K+L-Betriebe verantwortungsvoll bzw. eigenverantwortlich ohne erkennbar bedrückende „Steuerung“ arbeiten lassen. Eine solche erzeugt möglicherweise letztlich doch mehr Unsicherheiten und Unabwägbarkeiten als Nutzen für die Autoversicherer.

    Vielleich sollten die K+L-Betriebe ernsthaft jedoch mal der Frage nachgehen, wie es denn wäre, wenn man mit der Unabhängigkeit erfolgreich werben könnte, so wie Sie und andere unserer Kollegen es mit Erfolg praktizieren. Diese gelebte Unabhängigkeit käme letztlich auch den Versicherungen bei der Unfallschadenregulierung in einem Maße zu Gute, den diese sich offenbar bisher überhaupt nicht vorstellen können. Denen scheint aber die Kumpanei mit so manchem krummen Vogel bisher augenscheinlich vorteilhafter. Es kann durchaus sein, dass sie in dieser Handhabung durch die Statistik sogar eine Bestätigung finden. Realiter im Vergleich sieht die Lebenswirklichkeit jedoch anders aus. Danke nochmals für Ihre aufklärenden Worte, zumal ich weiß, dass Sie seit Anbeginn (seit 1962 ?) ein Verfechter der Unabhängigkeit sind und das mit erstaunlich wasserdichten Begründungen. Bitte weiter so!

    R.T.

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