Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
von Koblenz geht es weiter nach Leipzig. Auch in Leipzig müssen sich die Richterinnen und Richter mit Kürzungen der Versicherer hinsichtlich der berechneten Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall beschäftigen. Das gelang im Rechtsstreit vor dem AG Leipzig recht gut. Lest selbst das positive Urteil aus Leipzig zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherungs AG und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 104 C 6298/15
Verkündet am: 22.02.2016
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Allianz Versicherung» AG, An den Treptowers 3,12435 Berlin, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht A.
auf die mündliche Verhandlung vom 1.2.2016 am 22.02.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 144,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.09.2013 sowie 3,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten und Anwaltskosten in Höhe von 70,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.08.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 144,42 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 144,42 EUR Schadensersatz gemäß §§ 398 BGB , 7, 17 STVG, 115 VVG , 249 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 13.3.2013 in Leipzig Ecke Delitzscher Straße/Querbreite.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte gegenüber … wegen des
streitgegenstandlichen Verkehrsunfalls für sämtliche entstandenen Schäden zu 100% einstandspflichtig ist.
Die Abtretung des Schadenersatzanspruches für die Sachverstandigenkosten ist durch Erklärung vom 13.3.2013 erfolgt.
Grundsätzlich gehören die Kosten der Schadensfeststellung zum gemäß § 249 Abs.2 Satz 2 Satz 1 BGB zu ersetzenden Schaden, also auch die Kosten von Sachverständigengutachten sofern diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfblgung notwendig sind (BGH 11.2.2014 VI ZR 225/13). Diese sind hier in vollem Umfang zu erstatten. Sie waren der Höhe nach erforderlich.
Die tatsächliche Rechnungshühe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschadigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH 11.2.2014 VI ZR 225/13).
Solche Umstände sind im Streitfall nicht erkennbar. Das Honorar war zwischen dem Geschädigten und der Klägerin vereinbart, dass ergibt sich aus Anlage K1. Die Honorartabelle befindet sich auf der Rückseite des Vertrages. Das Grundhonorar liegt innerhalb der Spanne der BSKV-Befragung. Die Nebenkosten sind verhältnismäßig hoch, allerdings konnte der Zedent nicht von vornherein erkennen, dass diese Kosten überhöht sind. Bei einem geringen Sachschaden und Grundhonorar sind die Nebenkosten proportional höher Dies ist nicht überraschend. Mit Fotokosten wird nicht nur der Ausdruck abgedeckt, sondern auch die Bildbearbeitung und Anschaffung der Technik. Dass ein Gutachten kaum geschriebenen Text enthält, kann ein Unfallgeschädigter regelmäßig nicht wissen. Dass die Versand-/Telefon-/Intemet- Kosten zu hoch sind musste die Geschädigte gleichfalls nicht erkennen.
Es ist zu berücksichtigen, dass ein Verkehrsunfallereignis ein für die allermeisten Verkehrsteilnehmer einmaliges Ereignis darstellt. Man kann unterstellen, dass auch ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter nicht ansatzweise eine Vorstellung davon hat, welche Kosten für die Erstattung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall anfallen. Für die Frage, ob Sachverständigenkosten zu erstatten sind, ist daher aufgrund der regelmäßig zu unterstellenden fehlenden Sachkunde des Geschädigten auf dessen Sicht nach dem Verkehrsunfall abzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass unter diesem Gesichtspunkt dem Geschädigten die mit der Klägerin vereinbarten Entgelte unüblich oder überhöht erscheinen mussten gibt es nicht. Die Vereinbarung über die Nebenkosten ist auch nicht gemäß § 305 c BGB unwirksam, die Vereinbarung von Nebenkosten ist nicht ungewöhnlich.
Die Beklagte hat weder dargelegt noch bewiesen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286 BGB. Die Beklagte befand sich in Verzug. Für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist die Beklagtenseite darlegungs- und beweisbelastet- Dass im Zeitpunkt der Beauftragung eine anwaltliche Mahnung erkennbar aussichtslos war, ist streitig und weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt.
Die Nebenforderung ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur Entscheidung der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 , 713 ZPO.