Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
gleich als zweiten Beitrag im neuen Jahr stellen wir Euch hier ein „Schrotturteil“ aus Halle an der Saale zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Versicherungsnehmerin der HUK-COBURG vor. Das erkennende Anmtsgericht Halle misst die berechneten Sachverständigenkosten zu Unrecht an der BVSK-Honorarbefragung, obwohl der BGH entschieden hatte, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Honorumfrage dieses Berufsverbandes nicht kennen muss (vgl. BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – Rn. 10). Das erkennende Gericht begrenzt fehlerhaft die Höhe der Nebenkosten nach dem bereits durch BGH VI ZR 225/13 überholten Urteil des OLG Dresden 7 U 111/12. Also Fehler über Fehler. Überdies wurde die Berufung nicht zugelassen, obwohl das Urteil gegen die BGH-Rechtsprechung verstößt. Lest aber selbst das kritisch zu betrachtende Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Halle (Saale)
105 C 2197/15
Im Namen des Volkes#
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
Frau …
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 30.11.2015 am 24.05.2016 durch die Richterin am Amtsgericht L.-M. für Recht erkannt:
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes Aschersleben vom 18.06.2015 bleibt mit der Maßgabe aufrecht erhalten, als dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 50,12 € zzgl. 5 % Jahreszinsen hieraus seit dem 03.05.2015 sowie 2,50 € Mahnkosten zzgl. 5 % Jahreszinsen hieraus seit dem 29.05.2015 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
und beschlossen:
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 116,42 € festgesetzt.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlicher Gutachterkosten in Höhe von 50,12 € aus abgetretenem Recht des Herrn … aus dem Verkehrsunfall vom 10.11.2014 in Halle (Saale) gemäß §§ 398 BGB i.V.m. 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 2 BGB, 115 VVG zu.
Die Abtretungserklärung vom 12.11.2014 (Anlage KS 1, Bl. 28 der Akte) ist im Unterschied zu dem vom BGH am 07.06.2011 (VI ZR 260/10, zit. nach juris) entschiedenen Fall auf denjenigen Teil des Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft in Höhe der Gutachterkosten beschränkt. Sie ist damit hinreichend bestimmt, da sie den abgetretenen Anspruch nach Art und Umfang konkret bezeichnet, eine Bezifferung ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH Urteil vom 05.03.2013, VI ZR 245/11, zit. nach juris).
Der Geltendmachung steht auch nicht entgegen, dass die Abtretung erfüllungshalber geschah. Denn der Gläubiger, hier also der Kläger, soll dadurch bei Fortbestehen der bisherigen Forderung regelmäßig nur eine weitere Befriedigungsmöglichkeit erhalten (vgl. BGB Palandt/Grüneberg, 74/2015, Rz. 7 zu § 364 BGB).
Der Kläger kann über die bereits erfolgte Zahlung von 593,45 € weitere 50,12 € entsprechend der Rechnung vom 13.11.2014 ersetzt verlangen, denn die Abtretung ist wirksam und dessen Aktivlegitimation ist gegeben.
Zu Recht durfte der Geschädigte … auch das Kfz Sachverständigenbüro … als Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw mit amtlichen Kennzeichen … beauftragen, weshalb von dem Beklagten als Unfallverursacherin im Rahmen von § 249 Abs. 2 BGB die als Herstellungsaufwand anfallenden, objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten zu ersetzen sind.
Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger auch zur Erfüllung der noch offenen und in Höhe von nur 50,12 € begründeten Forderung verpflichtet.
Als erforderlichen Herstellungsaufwand kann der Geschädigte grundsätzlich nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, VersR 2007, 560 f.).
Der Geschädigte ist zwar nicht verpflichtet, durch Markterforschung und Einholung verschiedener Vergleichsangebote einen für den Schädiger besonders preisgünstigen Sachverständigen zu ermitteln. Er trägt dann aber das Risiko, einen Sachverständigen zu beauftragen, der sich im späteren Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, a.a.O.).
Die Erforderlichkeit des Herstellungsaufwandes ist dabei nach schadensrechtlichen Gesichtspunkten aus der Sicht des Geschädigten zu beurteilen, wobei er seiner Darlegungslast grundsätzlich durch Vorlage einer Rechnung des Sachverständigen genügt. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs.2 S.1 BGB. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend.
Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwandes mit der Rechnung, sofern diese bzw. die ihr zugrunde liegende Preisvereinbarung nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt, weswegen ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages grundsätzlich nicht ausreicht, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 1029, 1030 ff. m.w.N).
Auch wenn das Gericht insofern die Auffassung vertritt, dass es dem Sachverständigen regelmäßig aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt ist, überhöhte Vergütungsansprüche aus abgetretenem Recht gegen die Versicherung des Schädigers oder direkt gegenüber dem Schädiger durchzusetzen, § 242 BGB, ist vorliegend eine derartige Überhöhung ganz überwiegend nicht erkennbar.
Da keine Preisvereinbarung zwischen Geschädigtem und Sachverständigem ersichtlich ist, ist gem. § 632 Abs.2 BGB die übliche Vergütung geschuldet. Üblich ist eine Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen nach Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (vgl. BGH, NJW 2001, 151 f.).
Als Grundlage für die Schadensschätzung wird in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gem. § 287 ZPO wie auch für die Ermittlung der ortsüblichen Taxe vorliegend auf den Honorarkorridor HB V der BVSK- Honorarerhebung für 2013 Bezug genommen, in dem jeweils die Mehrzahl der befragten Gutachter ihr Honorar berechnen. Mit 840 an der Befragung teilnehmenden Standorte des BVSK und ca. 95 % der Mitglieder liegt darin auch eine ausreichende Datenbasis zur Bestimmung des üblichen Honorars vor (vgl. dazu auch Vuia, NJW 2013, 1197, 1200; so auch LG Halle, Beschluss vom 02.02.2015, 2 S 117/14).
Die Heranziehung von Listen und Tabellen zur Schadensschätzung ist im Rahmen des § 287 ZPO zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2008, VI ZR 164/07, zit. nach juris). Angesichts der Anzahl und des Umfangs der Befragung bietet die BVSK- Befragung auch einen besseren Anhaltspunkt für die Üblichkeit des Honorars, als eine ggf. auch sachverständig vorgenommene, lokale Befragung. Das gilt umso mehr, als bei der Auswertung der Befragung des BVSK keine wesentlichen Niveauunterschiede zwischen z.B. ländlichen und städtischen Regionen festgestellt wurden. Da sich der Unfall im November 2014 ereignete, bietet die aktuellste Befragung von 2013 den besten Überblick über die im Auftragszeitpunkt üblichen Honorare. Insoweit wird zur Schadensschätzung wie auch zur Ermittlung der ortsüblichen Taxe jeweils auf den Korridor HB V und im Fall der Überschreitung dieser Werte auf das arithmetische Mittel der Werte des Korridors HB V zurückgegriffen, um sowohl besonders hohe wie auch besonders niedrige Werte in den Angaben der Mehrzahl der befragten Sachverständigen zu vermeiden.
Zwar liegen die hier geltend gemachten Grund- und Nebenkosten jedoch mit Ausnahme der Position „digitale Ausarbeitung und Online- Versand sowie Restwertermittlung“ von 6,00 € und 39,90 € innerhalb des vorgegebenen Korridors, dennoch sind sie nicht in Gänze als ersatzfähig anzusehen, weil die Summe der Nebenkosten 45% des Grundhonorars ausmacht.
Die fehlende Ersatzfähigkeit folgt aus der vom Gericht gleichfalls vertretenen Auffassung, dass von Nebenkosten im eigentlichen Sinn nur gesprochen werden kann, wenn es sich um eine im Verhältnis zur Hauptforderung stehende Kostenposition von untergeordneter Bedeutung handelt, da anderenfalls unter dem Begriff der Nebenkosten letztlich versteckte Kostenpositionen des Grundhonorars geltend gemacht werden, was vorliegend anzunehmen ist, zumal in den vom Kläger abgerechneten Nebenkosten Positionen enthalten sind, die nicht einmal Gegenstand der BVSK-Befragung sind. Gemeint sind die Positionen digitale Aufarbeitung und Online- Versand sowie die Restwertermittlung bzw. Restwertbörse. Von Nebenkosten im zulässigen Rahmen ist deshalb nur auszugehen, soweit diese sich in Höhe von rund 25 % in Relation zum Grundhonorar bewegen (vgl. OLG Dresden, Urt. vom 19.02.2014, 7 U 111/12, m.w.N.).
Die abgerechneten Nebenkosten erreichen jedoch ca. 45 % des für die Gutachtenerstellung selbst abgerechneten Grundhonorars.
Das Grundhonorar des Klägers beläuft sich vorliegend auf 410,95 €, wobei 25 % einem Betrag i.H.v. 100,25 € entsprechen. Die Summe der abgerechneten Nebenkosten beläuft sich auf 185,58 €.
Anhand des Vorbringens des Klägers ist jedoch nicht erkennbar, welcher vom Honorar für die Gutachtenerstellung selbst abweichende Aufwand mit der Position „Digitale Aufarbeitung und Online- Versand“ berechnet wird. Fotokosten werden bereits gesondert geltend gemacht. Eine Restwertbörse bzw. die digitale Aufarbeitung und der Online Versand werden im Gutachten gar nicht ausgewiesen. Ebenso sind sie nicht Bestandteil der BVSK-Befragung.
Bei der BVSK- Befragung wurden zudem ausschließlich Schadensgutachten berücksichtigt, die mittels DAT- oder Audatex- Kalkulationen gefertigt wurden. Die letztgenannten Kosten sind also bereits im Befragungsergebnis berücksichtigt und mit dem Grundhonorar, das im Bedarfsfall auch die Restwertermittlung umfasst, abgegolten.
Wegen des überhöhten Anteils der Nebenkosten im Verhältnis zu dem Grundhonorar hat das Gericht unter Berücksichtigung des ermittelten arithmetischen Mittels der Werte des Korridors HB V der BVSK-Befragung wie folgt die Nebenkosten des Klägers berechnet und der Höhe nach eingestellt:
1. Fotosatz je Foto i.H.v. 2,38 € x 8 Stück = 19,04 €
2. Fotosatz je Foto i.H.v. 1,45 € x 8 Stück = 11,60 €
Schreibkosten je Seite i.H.v. 2,65 € x 15 = 39,75 €
Schreibkosten je Kopie i.H.v. 1,27 € x 15 = 19,05 €
Fahrtkosten je Kilometer 1,04 € x 24 km = 24,96 €
Porto/Telefonpauschale 16,33 €
was zu Nebenkosten in Höhe eines Gesamtbetrages von 130,73 € führt.
Bei einem Grundhonorar i.H.v. 410,09 € zuzüglich der ermittelten Nebenkosten i.H.v. 130,73 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer (102,75 €) ergibt dies einen Gesamtbetrag i.H.v. 643,57 €, worauf die Beklagte unstreitig eine Zahlung i.H.v. 593,45 € geleistet hat, so dass 50,12 € offen geblieben sind und demnach an den Kläger noch auszukehren sind.
Demzufolge ist die Klageforderung nur in Höhe von 50,12 € begründet und war in Höhe von 66,30 € der Hauptforderung abzuweisen.
Die Zinsforderung ergibt sich in gesetzlicher Höhe aus §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1, 291 BGB. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 92 Abs. 1 letzter Halbsatz S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Streitwertbemessung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG.
Anmerkung: Gegen das Urteil wurde Gehörsrüge eingelegt und Befangenheitsantrag gegen die Richterin gestellt.
Siehe hierzu: CH-Beitrag vom 15.03.2017
Wie viel judikatives Unrecht verträgt ein/der so genannte Rechtsstaat Deutschland?
Boykott Quelle: http://www.rechtslexikon.net/d/boykott/boykott.htm
Versucht eine Gruppe von Kaufleuten einen Wettbewerber dadurch auszuschalten, daß sie ihn nicht mehr beliefern oder nicht mehr von ihm kaufen, zum Beispiel weil er ihre Preise unterbietet, begeht sie einen unzulässigen Boykott (§ 26 GWB).
Wettbewerbsrecht: die organisierte Absperrung oder Ausschließung eines Marktteilnehmers vom Geschäftsverkehr. Der Boykott setzt mindestens drei Beteiligte voraus: jemanden, der zum Boykott aufruft (Verrufer oder Boykottierer), jemanden, der den Boykott durchführen soll (Adressat oder Sperrer), und jemanden, der boykottiert werden soll (Verrufener oder Boykottierter). Ein Boykottverbot enthält § 21 GWB. Der Boykott ist eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG (i. V. m. § 4 Nr.10 UWG) und beinhaltet regelmäßig eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Boykottierten nach § 826 BGB.
1) der zum Boykott aufruft (Verrufer oder Boykottierer) – der/die (Kfz.) Versicherer
2) der den Boykott durchführen soll (Adressat oder Sperrer) – der/die Richter/innen bis zum Bundesverfassungsgericht
3) der boykottiert werden soll (Verrufener oder Boykottierter) – der unabhängige (Kfz.) Gutachter/Sachverstand
Virus, danke für diesen Beitrag und allen die sich an Recht und Gesetz halten wünsche ich ein gesundes und friedliches 2017. Den Anderen nicht…, da die Stufe zum Verbrechen meine Unterstützung nicht bekommt.