AG Leipzig verurteilt HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 19.5.2016 – 111 C 9671/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

wir melden uns, wie angekündigt, nach den Weihnachtsfeiertagen zurück und veröffentlichen hier ein im Ergebnis recht positives Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherzungs AG. Das erkennende Amtsgericht Leipzig hat zu Beginn der Urteilsgründe recht gute Ansätze zum Schadensersatzrecht gezeigt, ist dann aber, bedingt durch die Schriftsätze der Anwälte der HUK-COBURG, auf die werkvertragliche Angemessenheitsprüfung eingeschwenkt. Zu allem Überfluss ist dann auch noch die Angemessenheitsprüfung an Hand der Honorarbefragung des BVSK erfolgt, obwohl der BGH entschieden hatte, dass der Geschädigte die Ergebnisse dieses Sachverständigenverbandes nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 Rn. 10). Im Übrigen haben werkvertragliche Gesichtspunkte im Schadensersatzrecht nichts zu suchen. Es kommt nämlich nicht auf die Angemessenheit im Sinne des Werkvertragsrechts im Schadensersatzprozess an, sondern auf die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Was erforderlich ist, hat der BGH in verschiedenen Grundsatzentscheidungen festgestellt (vgl. BGH VI ZR 67/06 und BGH VI ZR 225/13). Auch unangemessene Sachverständigenkosten können schadensersatzrechtlich erforderlich sein. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 111 C 9671/15

Verkündet am: 19.05.2016

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg, vertreten durch den Vorstand Dr. Wolfgang Weiler

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richterin am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2016 am 19.05.2016

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 59,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 07.10.2015 zu zahlen.

2.        Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von nicht gesondert festsetzbaren Kosten anwaltlicher Beauftragung gem. Rechnung der … Rechtsanwälte vom 21.10.2015 in Höhe von 70,70 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit durch Zahlung an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.

3.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 59,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gemäß §§ 115 VVG, 398 BGB einen Anspruch auf Bezahlung von 59,92 EUR.

Die Abtretungserklärung ist wirksam. Die Beklagte kann vorliegend mit ihrem Einwand die Abtretung sei unwirksam, nicht gehört werden. Die Beklagte hat bereits eine Teilzahlung an die Klägerin geleistet und damit konkludent die Berechtigung der Forderung der Klägerin dem Grunde nach anerkannt. Bei der Beklagten, die über eine Rechtsabteilung verfügt, ist davon auszugehen, dass sie die Ansprüche die gegen sie erhoben werden prüft, bevor sie diese reguliert. Dadurch, dass die Beklagte einen Anspruch teilweise erfüllt lässt sie erkennen, dass sie diesen Anspruch dem Grunde nach für begründet hält. Im Übrigen ist es auch rechts-missbräuchlich, wenn sich die Beklagte im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, wenn sie vorprozessual bereits Zahlungen hierauf geleistet hat. Insoweit verstößt die Beklagte gegen das Gebot des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), wenn sie zuerst eine nach ihrer Auffasung angemessene, abschließende Zahlung leistet, sich jedoch im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe (vgl. insoweit auch LG Leipzig, Urteil v. 20. Januar 2016, Az.: 8 S 334/15).

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist anzumerken, dass vorliegend kein Werklohnanspruch des Sachverständigen, sondern ein (abgetretener) Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich ist. Schon aus diesem Grund sind die Ausführungen der Beklagten zu der üblichen Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB nicht entscheidungserheblich. Die Ausführungen unter Ziffer 3 des Schriftsatzes vom 13.04.2016, (Seite 2 des Schriftsatzes, Blatt 110 d.A) sind demnach ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

Erheblich ist allein, ob die Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören. Dies ist zu bejahen.

Die von der Klägerin abgerechneten Nebenkosten sind nicht, wie vom OLG Dresden in seiner Entscheidung vom 19.02.2014 Az.: 7 U 111/12 vorgenommen, auf 25 % des Grundhonorars zu beschränken (vgl. LG Leipzig a.a.O.).

Eine Überhöhung der geltend gemachten Nebenkosten liegt nicht vor. Die einzelnen Nebenkostenpositionen stellen den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dar.

Im Leipziger Raum ist es ortsüblich, neben dem Grundhonorar weitere Nebenkosten für Fotos, Fahrt, Porto und Telefon sowie Schreibgebühren in Rechnung zu stellen.

Zwar können die Beklagten der Klägerin ein überhöhtes Honorar nach § 242 BGB entgegenhalten, da die Klägerin im Falle der Zahlung überhöhter Sachverständigenhonorare seitens der Beklagten, das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsste. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist nämlich, vergleichbar mit dem Pflichten der Mietwagenunternehmer, eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber darüber anzunehmen, dass sein Honorar ggf. über den üblichen Abrechnungssätzen liegt und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von  der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet wird. Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen und kann deshalb Schadensersatz beanspruchen, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die, wie bei der o.g. Hinweispflicht, auch zu Gunsten der Haftpflichtversicherung bestehen.

Die BVSK-Honorarabfrage 2013 stellt nach den Ausführungen des Landgerichts Leipzig (a.a.O.) eine geeignete Schätzgrundlage dar. Ein Sachverständigengutachten ist daher nicht einzuholen, vielmehr kann das Gericht die Sachverständigenkosten gem. § 287 ZPO auf Grundlage der BVSK-Honorarbefragung 2013 schätzen.

Die Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung belaufen sich auf 2.135,46 EUR netto, so dass ausgehend vom HBV V Korridor, ein Grundhonorar bis zu 391,00 EUR berechtigt ist. Fotokosten bei 10 Bildern je 2,55 EUR; 25,50 EUR, Fahrtkosten pauschal von 26,73 EUR, Pro-to Telefon pauschal 18,17 EUR, Schreibkosten 2,86 EUR; bei 10 Seiten 28,60 EUR. Demzufolge ergibt sich folgende Berechnung:

Grundhonorar                                                             391,00 EUR
Fahrtkosten pauschal                                                   26,73 EUR
Fotokosten (10 Bilder je 2,55 EUR)                               25,50 EUR
Schreibkosten (10 Seiten x 2,86 EUR)                           28,60 EUR
Porto Telefon pauschal                                                  18,17 EUR
Gesamtbetrag:                                                            490,00 EUR netto
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer                                       93,10 EUR
Gesamtsumme:                                                         583,10 EUR
abzüglich bezahlter                                                     497,00 EUR
Restbetrag:                                                                  86,10 EUR

Demzufolge liegt der von der Klägerin abgerechnete Betrag in Höhe von 556,92 EUR (brutto) unter dem vom Landgericht als zulässig angesehene Schätzung unter Zugrundelegung des HBV Korridors einschliesslich der dort ausgewiesenen Nebenkosten der BVSK-Honorarabfrage2013.

Die von der Klägerin verlangten Gutachterkosten sind daher in vollem Umfang erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Zudem hat die Beklagte zur Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht bislang nicht substantiiert vorgetragen. Die Nebenkosten können grundsätzlich neben der pauschalierten Grundvergütung geltend gemacht werden (vgl. BGH in NJW 2006, S. 2472). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit weiterer Einzelpositionen ist zwar, dass gerade die Nebenforderungen von dem pauschalen Grundhonorar nicht erfasst werden und im vorliegenden Schadensfall auch tatsächlich angefallen sind. Hier war der Ansatz der berechneten Nebenkosten vereinbart und ist entsprechend abgerechnet worden. Für Gegenteiliges, insbesondere dass das Fahrzeug fahrbereit war ist die Beklagte beweisbelastet. Das diesbezügliche Schweigen in einem Sachverständigengutachten hat anders als bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben, keinerlei Erklärungswert (Palandt, 74. Auflage, Rz. 8 zu § 147 BGB). Eine entsprechende Auskunft des Sachverständigen wurde von der Beklagten nicht eingeholt, ebensowenig wurde der Sachverständige als Zeuge benannt. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht ist die Beklagte daher als beweisfällig anzusehen.

Unabhängig davon würden die Fahrtkosten angesichts der obigen Berechnung nicht entscheidungserheblich ins Gewicht fallen.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäß § 249 BGB. In dieser Höhe ist die Klägerin von den Anwaltskosten freizustellen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziffer 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Kurz & Schmerzlos sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    Du hast auch hier zutreffend ausgeführt:

    “ Im Übrigen haben werkvertragliche Gesichtspunkte im Schadensersatzrecht nichts zu suchen.

    Es kommt nämlich nicht auf die Angemessenheit im Sinne des Werkvertragsrechts im Schadensersatzprozess an, sondern auf die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB.

    Was erforderlich ist, hat der BGH in verschiedenen Grundsatzentscheidungen festgestellt (vgl. BGH VI ZR 67/06 und BGH VI ZR 225/13). Auch unangemessene Sachverständigenkosten können schadensersatzrechtlich erforderlich sein.“

    Auch das muss offensichtlich unabdingbar in jeder Klagebegründung immer wieder herausgestellt werden.

    Man sieht an der Dimension der beabsichtigten Verführung, also an der massiven „Umformung von Begrifflichkeiten“ deutlich, wie manche Gerichte in diese bewusst ausgelegte Falle stolpern, wie auch bei diesem Vorgang. Weg von schadenersatzrechtlichen Beurteilungskriterien, hin zu einer werkvertraglich ausgerichteteten Überprüfung der Rechnungshöhe. Verkehrsfähige Beweissicherungsgutachten sind jedoch keine „Routinegutachten“ mit einer ex post Honorarbewertung auf Basis von angeblichen Durchschnittswerten nach dem HUK-Honorartableau und Hononorarbefragungungen von Berufsverbänden muss ein Geschädigter ebenfalls nicht kennen. Die Anwendung, wie eine Art Gebührenordnung, dürfte beweisrechtlich unzulässig sein.

    Kurz & Schmerzlos

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