Mit Urteil vom 02.06.2010 (919 C 571/09) hat das AG Hamburg-St. Georg die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 160,96 € zzgl. Zinsen verurteilt. In der instruktiven Begründung wird ausdrücklich auf die falsche Rechtsansicht des AG Coburg Bezug genommen und insoweit deutlich Kollegenschelte betrieben.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Der Kläger kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht Ersatz des restlichen Gutachterhonorars verlangen (§ 115 VVG, § 7 StVG, §§ 823, 249 BGB i.V.m. § 398 BGB).
a. Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. st. Rspr. BGH, Urteil vom 23.1.2007, Az. VI ZR 67/06, m.w.N., zitiert nach juris). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.
Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, Urteil vom 23.1.2007, a.a.O., Rz. 16). Da es aber bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich ermöglichen würden, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung vorliegen, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.6.2008, Az: 1 U 246/07, zitiert nach juris).
b. Vorliegend ist die Geltendmachung des Grundhonorars im Verhältnis zur Schadenhöhe nicht zu beanstanden. Ob nach der Empfehlung des BVSK nurEUR 366,11 als Brutto-Endhonorar für die Begutachtung angesetzt werden, ist aus den oben genannten Gründen ohne Belang. Selbst
wenn das Honorar vorliegend überhöht sein sollte, ist es bei der gebotenen subjektiven Schadenbetrachtung regelmäßig als der „erforderliche“ Aufwand anzuerkennen (vgl, OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 74). Dass das Grundhonorar evident überhöht ist, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Die Tatsache, dass die Forderung an Erfüllung statt abgetreten wurde, führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es hinsichtlich der Höhe nicht auf die Angemessenheit oder allgemeine Üblichkeit an, sondern allein darauf, ob die Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens erforderlich waren. Durch Abtretung der Forderung des Geschädigten an den Gutachter wandelt sich diese nicht in einen Vergütungsanspruch des Sachverständigen um, der ggf. nach den Kriterien Angemessenheit und Üblichkeit zu messen wäre. Das Gericht folgt aus diesen Gründen auch nicht dem Amtsgericht Coburg in der von der Beklagten zitierten Entscheidung (Urteil vom 14.1.2010, Az. 12 C 453/09, Bl. 35-39 d.A.). Aufgrund der Abtretung ist kein anderer Prüfungsmaßstab anzulegen.
c. Was die Nebenkosten betrifft, so machen diese zwar über 40 % des Grundhonorars aus. Ein auffälliges Missverhältnis liegt aber hier auch noch nicht vor. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Nebenkosten – zumindest teilweise – unabhängig von der Schadenhöhe anfallen, so dass das Verhältnis der Nebenkosten zu dem Grundhonorar bei einem niedrigeren Schaden zwangsläufig ungünstiger ausfällt als bei einem höheren Schaden und darauf basieren dem höheren Grundhonorar.
Auch sind die jeweils geltend gemachten Nebenkosten (EDV-Kosten, Fahrtkosten, Post- und Telekommunikationspauschale, Fotokosten, Schreibkosten) nach Ansicht des Gerichts nicht derart evident überhöht, dass dies dem Kläger hätte auffallen müssen. Gegen die Pauschalierung der Nebenkosten ist grundsätzlich nichts einzuwenden, soweit die Pauschalen nicht offensichtlich überhöht sind. Auch insoweit folgt das Gericht nicht dem Amtsgericht Coburg in der zitierten Entscheidung, wonach aufgrund der geltend gemachten Grundhonorarpauschale keine weiteren Nebenkostenpauschalen geltend gemacht werden dürfen.
Dass Sachverständige digitale Fotos auch zu einem Preis von EUR 1,40 erstellen lassen können, dass die Schreibkosten so gering sind, dass nach Feststellung der Stiftung Warentest pro Textseite im Durchschnitt Druckkosten in Höhe von lediglich 6,32 Cent anfallen, wie die Beklagte behauptet, gehört aber in den Bereich der Marktforschung, zu der der Kläger nicht verpflichtet ist. Dass Fotokosten für einen zweiten Fotosatz geltend gemacht wurden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Es liegen schließlich auch keine offensichtlichen Unrichtigkeiten in der Abrechnung vor. Rechenfehler werden nicht behauptet. Dass EDV-Kosten bereits im Grundhonorar enthalten sind, ist nicht offensichtlich. Vielmehr werden diese in der Honorarliste des Sachverständigen als „fallspezifische EDV-Kosten“ angegeben. Ohne Erfolg behauptet die Beklagte schließlich, dass die Kosten für die Fotos zu hoch seien, weil auf eine DINA4-Seite je zwei Fotos passten. In der Honorarliste, nach der der Sachverständige abgerechnet hat (Anlage K4), werden die Fotos pro Stück und gerade nicht pro DINA4-Seite angegeben.
2. Die Nebenforderung ist begründet. Verzugszinsen kann der Kläger aus §§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB verlangen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses mit dem Rechtsmittel der Berufung nicht angreifbaren Urteils ergeht aufgrund §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist angesichts der gefestigten Rechtsprechung nicht erforderlich.
Soweit das Urteil des AG Hamburg-St. Georg.
Hallo Babelfisch,
der Hamburger Amtsrichter hat vollkommen Recht, wenn er ins Urteil (sprich: ins Versicherungsbuch der Beklagten) schreibt, dass die Tatsache, dass die Forderung an Erfüllung statt abgetreten wurde, zu keiner anderen Bewertung führt. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es hinsichtlich der Höhe nicht auf die Angemessenheit oder allgemeine Üblichkeit an, sondern allein darauf, ob die Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens erforderlich waren. Durch Abtretung der Forderung des Geschädigten an den Gutachter wandelt sich diese nicht in einen Vergütungsanspruch des Sachverständigen um, der ggf. nach den Kriterien Angemessenheit und Üblichkeit zu messen wäre. Das Gericht folgt aus diesen Gründen auch nicht dem Amtsgericht Coburg in der von der Beklagten zitierten Entscheidung (Urteil vom 14.1.2010, Az. 12 C 453/09, Bl. 35-39 d.A.). Aufgrund der Abtretung ist kein anderer Prüfungsmaßstab anzulegen. Endlich einmal ein Amtsrichter, der den themaverfehlenden Schriftsätzen der HUK-Anwälte nicht auf den Leim geht. Im Schadensersatzrecht haben werkvertragliche Gesichtspunkte, auch bei Schadensersatzansprüchen aus abgetretenem Recht, nichts zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Dem AG Coburg ins Stammbuch geschrieben: AG Hamburg-St. Georg verurteilt HUK-Coburg zur Zahlung weiterer SV-Kosten
Gegenstand der Klage war ein Schadenersatzanspruch und keine werkvertraglichee Honorarforderung. Das hat das Gericht deutlich gemacht und ist zutreffend weiter von folgenden Überlegungen ausgegangen:
[] Da es aber bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich ermöglichen würden, wird der Geschädigte „in aller Regel“ von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen.
[] Ob nach der Empfehlung des BVSK nur EUR 366,11 als Brutto-Endhonorar für die Begutachtung angesetzt werden, ist aus den oben genannten Gründen ohne Belang.
[] Selbst wenn das Honorar vorliegend überhöht sein sollte, ist es bei der gebotenen subjektiven
Schadenbetrachtung regelmäßig als der “erforderliche” Aufwand anzuerkennen (vgl, OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 74).
[] Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es hinsichtlich der Höhe nicht auf die Angemessenheit oder allgemeine Üblichkeit an,…
[] Durch Abtretung der Forderung des Geschädigten an den Gutachter wandelt sich diese nicht in einen Vergütungsanspruch des Sachverständigen um, der ggf. nach den Kriterien Angemessenheit und Üblichkeit zu messen wäre.
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Das Gericht hat damit deutlich gemacht, dass die Argumentation der HUK-COBURG schadenersatzrechtlich neben der Sache liegt und nach Rechtsgrundsätzen abwegig ist.
Das Ziel der versicherungsseitig beachtlichen Aktivitäten ist wohl in erster Linie darin zu suchen, mit Hilfe der Gerichte eine Quasi-Gebührenordnung zu etablieren, gleichzeitig aber auch die versicherungsunabhängig arbeitenden Kfz-Sachverständigen zu diskriminieren , wenn andere fast willkürlich gewählte Honorare, die deutlich unter der tatsächlichen Abrechnung liegen dem unbedarften Unfallopfer suggerieren, dass der beauftragte Sachverständige nicht „angemessen“ und nach der „Erforderlichkeit“ abgerechnet habe.
Die Gerichte, die diesem Anliegen Rechnung tragen, haben möglicherweise bisher noch nicht erkannt, dass sie mit die Unabhängigkeit der Sachverständigen demontieren, wenn sie auf den Vortrag der HUK-COBURG abheben und Erwägungen anstellen, wie in Urteilen, mit denen die HUK-COBURG zu hausieren gehen versucht.
Hier hat in der Tat das AG Hamburg St. Georg einmal deutliche Worte gesprochen und sich nicht von irreführenden Emotionen beeindrucken lassen.
Wenn man die „Problematik“ einmal übertragen würde auf die Abrechnung von Reparaturkosten, wird deutlich, zu welcher unverfrorenen Unsinnigkeit die Gerichte hier motiviert werden sollen.
Fazit: Ein Fall für den Staatsanwalt, die Wettbewerbszentrale und die BAFIN.-
Mit freundlichen Grüßen
J.U.