AG München verurteilt die Halterin des unfallverursachenden Fahrzeugs zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten im Schadensersatzprozess mit Urteil vom 25.5.2016 – 322 C 1047/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

die Urteisreise geht weiter nach München. Nachfolgend stellen wir Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Müchen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Sixt GmbH & Co. KG vor. Der das Schadensgutachten erstellende Gutachter nimmt aus abgetretenem Recht den Fahrzeughalter des unfallverursachenden Kraftfahrzeuges wegen der restlichen Sachverständigenkosten in Anspruch. Zu Recht, wie das Gericht entschied. Die  Entscheidung aus München ist im Ergebnis zwar positiv mit recht guter Begründung, leider jedoch auch wieder teilweise fehlerhaft, indem wekvertragliche Gesichtspunkte wie die Angemessenheit nach der BVSK-Honorarbefragung geprüft wurden. Ganz zu schweigen vom Gebrauch des Wortes „Gebühren“. Solche berechnet der Sachverständige nicht. Lest aber selbst das Urteil des AG München und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht München

Az.: 322 C 1047/16

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, Zugspitzstraße 1, 82049 Pullach

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin H. am 25.05.2016 auf Grund des Sachstands vom 09.05.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

1.        Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht – Mahngericht – Mayen vom 22.12.29015 Az. 15-6830809-0-7 wird aufrecht erhalten.

2.        Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 322,79 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 322,79. Unstreitig haftet die Beklagte für die Schäden aus dem dem Streit zugrunde liegenden Verkehrsunfall.

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht den Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Sachverständigenkosten geltend. Die Geschädigte hat ihren Anspruch auf Schadensersatz betreffend die Sachverständigenkosten an den Kläger, der das Gutachten erstellt hat, abgetreten.

Streitig war allein, ob die noch ausstehenden Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 322,79 erstattungsfähig sind.

I.

Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten durch den Schädiger ist nicht, ob der Sachverständige nach dem zwischen ihm und dem Geschädigten geschlossenen Werkvertrag einen Anspruch auf die in Rechnung gestellten Gebühren hat; dies wird bei den vorgerichtlich bei der Abwicklung von Haftpflichtschäden abgerechneten Gebühren nicht immer der Fall sein. Entscheidend dafür ist nämlich meist mangels Honorarvereinbarung die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB. Der Sachverständige hat daher in der Regel nur Anspruch auf Ersatz der üblichen Gebühren.

Bei der hier zu entscheidenden Frage, welche Sachverständigengebühren der Geschädigte vom Schädiger ersetzt verlangt werden kann, ist der Beurteilungsmaßstab ein anderer.

Entscheidend ist gemäß § 249 BGB, welche Aufwendungen „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und geboten halten darf“ (BGHZ 115, 364/369).

„Auch bei der Beauftragung eines KFZ-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen.   Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nachdem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.“ (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13).“

Selbst wenn die Rechnung insgesamt oder einzelne Positionen tatsächlich überteuert sein sollten, trägt das Risiko hierfür grundsätzlich nicht der Geschädigte.

Der Sachverständige ist auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm zugerechnet würde (vgl. z.B. OLG Naumburg, Urteil vom 20.1.2006, 4 U 49/05).

Es ist also weder Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen oder den billigsten Sachverständigen auszuwählen, noch ist es Aufgabe des Geschädigten, einzelne Positionen der Rechnung nach Überhöhung/Plausibilität zu durchforsten.

Dies wäre nur der Fall, falls eine eventuelle Überhöhung derart evident wäre, also soweit vom Angemessenen in einem Maß abweicht, dass eine Monierung vom Geschädigten verlangt werden kann.

Der 10. Zivilsenat des OLG München hat in seinem Beschluss vom 12.03.2015 (Az. 10 U 579/15) ausgeführt:

„Wie das Urteil des BGH vom 11.02.2014 (NJW 2014, 1947) zeigt, rechtfertigt selbst ein Sachverständigenhonorar, das die Hälfte der ausgewiesenen Reparaturkosten ausmacht und Nebenkosten, die die Hälfte des Gesamthonorars betragen, nicht in jedem Fall, die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten zu verneinen. (…)

Gerade bei Beachtung der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens von Gebührenordnungen (vgl. etwa RVG, HOAI oder GOÄ) verbietet sich eine Pauschalierung.  Gibt es selbst für den Fachmann keine verlässlichen Größenordnungen, ist für den Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze „die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen“ (BGH NJW 2014, 1947), Deshalb wird die vom Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen in der Regel zu erstatten sein (vgl. hierzu BGH, NJW 2014, 1947; AG Frankfurt, Der Verkehrsanwalt 2014, 253).

Verlässliche Maßstäbe für die Bestimmung ortsüblicher Nebenkosten liegen nicht vor. Zu Recht hat das AG  Oldenburg darauf hingewiesen,   dass  der Gutachter nicht dazu verpflichtet ist,   Lichtbilder nach  Discountpreisen  abzurechnen,  gleiches gilt für die Fahrtkosten; auch EDV-Kosten können gesondert abgerechnet werden, (vgl. AG Oldenburg, Der Verkehrsanwalt 2014,  125)“.

II.

Eine Ausnahme von der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ist nach der Auffassung des OLG München dann zu machen, wenn nicht der Geschädigte selbst, sondern eine Werkstatt oder ein Rechtsanwalt den Sachverständigen auswählt. Dafür sind vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar.

Das Gericht orientiert sich für die Angemessenheit der Sachverständigenkosten an der BVSK-Honorarbefragung für die Jahre 2014/2015. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 23.1.2007, VI ZR 67/06) hat ausgeführt, soweit sich ein Gutachter auf allgemeine Tabellen beziehe, die von anerkannten Berufsverbänden ermittelt worden seien, wie dem BVSK, der DEKRA oder der IHK, sei zu vermuten, dass der Gutachter einen angemessenen Marktpreis in Ansatz gebracht habe. (Das Landgericht München I hat in einem Urteil vorn 01.09.2011 (19 S 7874/11) ausgeführt: „Die Angriffe der Beklagten gegen die vom Amtsgericht bei der Ermittlung des üblichen Honorars zugrunde gelegte BVSK-Honorarbefragung greifen nicht. Diese Tabelle findet in der Rechtsprechung breite Anerkennung und hat in der Praxis für die Ermittlung der üblichen und konkreten Honorarhöhe besondere Bedeutung. Die dort genannten Sätze – auch für Nebenkosten – geltend als üblich.“)

„Der Senat hält es jedoch für rechtsfehlerfrei,  wenn davon ausgegangen wird, dass ein Honorar, das sich im Bereich des BVSK-Korridors befindet, als branchenüblich angesehen wird.“ (vgl. OLG München Beschluss vom 12.03.2015, Az. 10 U 579/15).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kosten des Gutachtens hinsichtlich ihrer Angemessenheit nur insgesamt betrachtet werden können und nicht das Grundhonorar und die Nebenkosten jeweils isoliert.

Hinsichtlich der Nebenkosten ist zu berücksichtigen, dass die Forderung von „Nebenkosten“, die u.U. nicht genau den tatsächlichen Aufwand abbilden, sondern „versteckte Gewinnanteile“ enthalten, in Deutschland/München von zahlreichen, wenn nicht allen Sachverständigen erfolgt, also absolut üblich ist.

Es gibt auch keinerlei gesetzliche Grundlage, wonach ein Sachverständiger gehalten ist, seine Aufwendungen besonders gering zu halten. Auch sein Honorar kann er grundsätzlich – innerhalb der Grenzen des § 138 BGB – frei bestimmen.

Eine in Deutschland/München übliche Abrechnung der freien Sachverständigen nach JVEG ist dem Gericht auch hinsichtlich der Nebenkosten nicht bekannt. Das JVEG ist auf die freien Sachverständigen nicht anwendbar. Diese befinden sich in einer gänzlich anderen Situation, als die seitens des Gerichts beauftragten. Letztere haften schon nicht für jede Fahrlässigkeit und haben z.B. einen stets solventen Schuldner.

„Eine Beschränkung des Sachverständigenhonorars bezüglich aufgeführter Nebenkosten unter Verweis auf BVSK-Umfragen (…) oder unter Heranziehung des JVEG (…) ist abzulehnen.“ (vgl. OLG München Beschluss vom 12.03.2015, Az. 10 U 579/15).

Bezüglich der Nebenkosten ist eine Pauschalierung zulässig. Diese Nebenkosten können neben dem Grundhonorar geltend gemacht werden. Sie können auch einen nicht unerheblichen Anteil an den Gesamtgutachtenskosten ausmachen, ohne dass dies gegen die Pflicht zur Schadensminderung verstößt.

Es ist daher auch zulässig, dass der Geschädigte Sachverständigenkosten ersetzt verlangt, die sich aus Positionen wie Fahrt-, Foto-, Porto-/Telefonkosten etc. errechnen. Entsprechend ist in der genannten BVSK-Honorarbefragung auch eine isolierte Aufzählung von Nebenkosten enthalten, die regelmäßig von Sachverständigen in ihren Abrechnungen in Rechnung gestellt werden. Dies beinhaltet z.B. auch Schreibkosten, Fahrtkosten, Kosten für Lichtbilder und für Porto und Telefon. Solche Positionen sind im Rahmen der Sachverständigenkosten regelmäßig erstattungsfähig und zwar auch pauschal, unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall tatsächlich in dieser Höhe angefallen sind.

Das OLG München, Beschluss vom 14.12.2015, Aktenzeichen 10 U 579/15 hat ausgeführt:

„Für die noch anhängigen Altfälle vor dem 01.01.2016 wie dem Vorliegenden ist von Folgendem auszugehen:

a) In  den Fällen,  in denen dem  Geschädigten die  Vorteile der subjektiven Schadensbetrachtung zuzubilligen sind, hat der Schädiger die Kosten des Sachverständigen (falls er diesen wegen der Höhe des Schadens beauftragen durfte) voll zu übernehmen (außer der Sachverständige  macht auch für den Laien ersichtlich überhöhte Kosten geltend,  siehe hierzu Beschluss des Senats vom 12.03.2015, Ziff. II 8, a.a.O.).“

Es liegt keiner der vom OLG München benannten Fälle vor, in welchen von einer subjektbezogenen Betrachtungsweise abzurücken ist. Allein der Umstand, dass die Geschädigte dem Kläger als Sachverständigen den Honoraranspruch sofort abgetreten hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sich die Höhe des Anspruchs durch die Abtretung nicht verändert. Das Gericht geht daher von der subjektbezogenen Schadensbetrachtung aus. Darauf hat das Gericht die Parteien zuvor auch hingewiesen.
Die Beklagtenseite kann dem Kläger auch nicht die dolo-agit Einrede entgegenhalten. Dies wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn sich die Beklagte einen eventuellen Rückzahlungsanspruch der Geschädigten gegen den Kläger vorher hätte abtreten lassen. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die vorliegend vereinbarten Sätze liegen zwar außerhalb des Rahmens, der bei der – hier nicht maßgebenden – strengeren objektiven Schadensbetrachtung erstattungsfähig ist.

Die Kosten, die die Klagepartei dem Unfallgeschädigten in Rechnung gestellt hat, nämlich EUR 687,23, sind jedoch nicht für den Geschädigten erkennbar überhöht.

Abzüglich der bereits vorgerichtlich gezahlten EUR 364,44 steht dem Kläger ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 322,79 auf die geltend gemachten Sachverständigenkosten zu.

Die Klagepartei hat daher unter Berücksichtigung der vorgerichtlich geleisteten Zahlung einen Anspruch auf Zahlung von noch EUR 322,79.

Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten ist schlüssig dargetan.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf § 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. virus sagt:

    Positiv: In diesem Urteil findet sich so einiges wieder, worauf wir hier täglich hinweisen.

    Negativ – zu: „Entscheidend dafür ist nämlich meist mangels Honorarvereinbarung die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB. Der Sachverständige hat daher in der Regel nur Anspruch auf Ersatz der üblichen Gebühren.“

    Frage:

    Wie, wer oder was definiert die übliche Vergütung?

    Antwort:

    Einzig, die Honorartabelle des rechnungslegenden Sachverständigen (wer keine hat, dem ist nicht zu helfen).

    Negativ – zu: „Eine Ausnahme von der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ist nach der Auffassung des OLG München dann zu machen, wenn nicht der Geschädigte selbst, sondern eine Werkstatt oder ein Rechtsanwalt den Sachverständigen auswählt. Dafür sind vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar.“

    Bei der – Übermittlung des Auftrages – an den Sachverständigen durch eine Werkstatt oder einen Rechtsanwalt (Übermittlung – was anderes ist es nämlich nicht, da sonst Rechnungsadressat die Werkstatt oder der Anwalt wäre (übrigens, den Anwalt möchte ich sehen, der für die Rechnung des Sachverständigen gedenkt, gerade zu stehen)) verändert sich weder die getroffene Vereinbarung zur Auftragserteilung (Geschädigten – Sachverständigen = Werksvertrag) noch verändert sich die übliche Vergütung nach unternehmenseigener Honorarliste.

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