Hallo verehrte Captain-Huk-leserinnen und -Leser
nachdem wir jetzt über das Wochenende die beiden interessanten Beiträge von Hans Dampf oben gehalten haben, setzten wir jetzt unsere Urteilsreihe fort. Nachfolgend stellen wir Euch ein Urteil aus St. Ingbert zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die HUK-COBURG (gegen welche Versicherung denn sonst?) vor. Da hat der erkennende Amtsrichter der 9. Zivilabteilung des AG St. Ingbert im Saarland aber der HUK-COBURG so richtig ins Versicherungsbuch geschrieben, was geht und was nicht geht. Insbesondere hat er der HUK-COBURG mit den Begriffen „freie Marktwirtschaft und Sittenwidrigkeit“ mal so richtig Nachhilfe gegeben. Hierfür hat der erkennende Amtsrichter ein deutliches Bravo verdient! Wir finden, dass das Urteil im Wesentlichen super begründet ist. Allerdings hätte er sich den kleinen Seitenhieb mit „seinem Ärger als Privatperson“ wohl sparen können? Der Autor selbst ärgert sich auch über die hohen Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung, der privaten Krankenversicherung, Betriebshaftpflichtversicherung, Sanitärbetrieben, Dachdecker, Kaminfeger oder über die GEZ oder, oder, oder. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
9 C 105/16 (10) Verkündet am 14.07.2016
Amtsgericht St. Ingbert
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertr. d.d. Vorstand, Schanzenstraße 30, 51063 Köln
Klägerin
gegen
HUK Coburg Allgemeine Versicherungs AG, vertr. d.d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96442 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht St. Ingbert durch den Richter am Amtsgericht G. im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 01.07.2016 am 14.07.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagt wird verurteilt, an die Klägerin 116,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 02.04.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Bei der Geltendmachung des Restbetrages des Anspruches auf Ersatz von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall liegt kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vor.
Der Sachverständige ließ sich die Ansprüche von dem Geschädigten abtreten und hat an demselben Tage die Ansprüche an die Klägerin weiter abgetreten.
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordern. Eine Rechtsdienstleistung liegt zunächst vor, wenn objektiv eine rechtliche Prüfung erforderlich ist und auch erfolgt. Dies ist bei den vorliegenden Abtretungen nicht der Fall. Weder ist eine rechtliche Prüfung der Schadensersatzansprüche erforderlich noch erfolgt durch die Abtretung eine solche Prüfung. Die Abtretung per se ist ein neutrales Geschäft, welches nicht gegen ein Verbotsgesetz verstößt.
Im Übrigen ist im vorliegenden Falle die Haftung dem Grunde nach unstreitig, streitig ist lediglich, ob der geschädigte Verkehrsteilnehmer bei der vertraglichen Vereinbarung des tatsächlich abgerechneten Honorars inklusive Nebenkosten gegen eine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen hat.
Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Obliegenheitsverletzung ist die Beklagte.
Die Beklagte hätte darzulegen, dass eine überhöhte Vergütung zum einen vorliegt und diese Überhöhung zum anderen für den geschädigten Verkehrsteilnehmer erkennbar war. Nichts hierzu ist vorgetragen. Die Beklagte übersieht – gerichtsbekannt wiederholt – dass die örtlichen Verhältnisse bei der Bemessung der örtlichen Vergütung maßgebend sind, so dass bereits deshalb nicht weiterführend ist, Rechtsprechung aus dem gesamten Bundesgebiet zu bemühen. Die Beklagte übersieht ferner, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Marktwirtschaft gilt. So lange die Preisbildung nicht in den Bereich des Sittenwidrigen abgleitet, ist sie hinzunehmen; wem das nicht passt, der muss den Gesetzgeber bemühen, damit ggfs. wie für andere Berufe auch, der Gesetzgeber preisgestaltend eingreift, beispielsweise durch Anforderungen an das Berufsbild des Sachverständigen und durch Bestimmung einer Gebührenordnung.
Das erkennende Gericht verkennt durchaus nicht, dass im Saarland gewisse Dienstleistungen recht teuer sind und das erkennende Gericht ärgert sich als Privatperson darüber genauso wie die Beklagte als Leistungspflichtige. Als erkennendes Gericht hat das Gericht jedoch die zulässigen Preisbildungsmechanismen zu beachten.
Genau dies hat im Übrigen auch das Berufungsgericht, das Landgericht Saarbrücken, getan, indem es umfangreiche Ermittlungen hinsichtlich des Grundhonorars und der Nebenkosten angestellt und dieses Ergebnis seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. An dieser Rechtsprechung hat sich der Sachverständige bei der Bemessung des geforderten Honorars orientiert. Wäre überhaupt die Preisbildung für einen Geschädigten nachvollziehbar, dürfte er sich doch ohne weiteres an der Rechtsprechung seines Berufungsgerichts orientieren. Der geschädigte Laie, auf den die Beklagte wiederholt in ihren Schriftsätzen abhebt, muss doch nicht schlauer sein als (s)ein zuständiges Berufungsgericht nach umfangreicher Recherche.
Das erkennende Gericht hat allerdings nicht übersehen, dass die Orientierung des Berufungsgerichts am JVEG bereits vor der Rechtsprechung des Berufungsgerichts vom Bundesgerichtshof so nicht gebilligt worden ist. Der Bundesgerichtshof hatte nämlich angemerkt, dass zwischen der Tätigkeit eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und eines privaten Sachverständigen erhebliche Unterschiede bestehen. Der tragende Unterschied ist der, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige nur nach Amtshaftungsansprüchen haftet und der freie Sachverständige praktisch unbeschränkt für Fehlleistungen. Allein dieser grundsätzliche haftungsrechtliche Unterschied führt dazu, dass auch eine wirtschaftliche Differenzierung wegen des höheren Haftungsrisikos jedenfalls nicht von vorneherein von der Hand zu weisen ist. Berücksichtigt man auch diesen Rechtsprechungsaspekt, bestehen keine Zweifel daran, dass die Vorgaben des Landgerichts Saarbrücken zugleich rechtlich zutreffend als auch überaus praktikabel sind. Das erkennende Gericht kann dies bereits daran erkennen, dass die Anzahl der Rechtsstreite um die Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach der klägerseits zitierten Rechtsprechung signifikant zurückgegangen ist.
Die Nebenforderungen sind gem. § 291 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 713 ZPO.