Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
von Hamburg geht es weiter nach Leipzig. Nachfolgend stellen wir Euch – auch heute etwas verspätet – hier ein Urteil des AmtsgerichtsLeipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Die beklagte HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG ist zwar im Ergebnis zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten verurteilt worden, jedoch mit schwacher sowie schadensersatzrechtlich bedenklicher Begründung, und zwar völlig anders als in der Entscheidung vom 28.06.2016 (114 C 9526/15), das wir am 25.01.2017 veröffentlicht hatten. Zuerst wird der (mir unbekannte) § 249 Abs. 1 Satz 2 zitiert. Und dann wird eine Angemessenheitsprüfung von Einzelpositionen der Nebenkosten auf Grundlage von BVSK vorgenommen. Eine Einzelpostenprüfung geht im Rahmen des § 287 ZPO schon gar nicht, da es sich bei § 287 ZPO um eine Schadenshöhenschätzung handelt. Maßgeblich ist einzig und allein der Gesamtbetrag. Aber zu dem Ergebnis der BVSK-Umfrage hat der BGH entschieden, dass der Geschädigte diese Ergebnisse nicht kennen muss (vgl. BGH VI ZR 225/13 Rn. 10). Wenn der BGH das JVEG als Schätzungsgrundlage zulässt, dann muss selbstverständlich auch BVSK zulässig sein? Ist doch eigentlich logisch, oder? Wen interessiert dann noch VI ZR 225/13? Für die Versicherungen ist augenscheinlich nur noch das Pinocchio-Urteil des BGH maßgeblich, das man allerdings mehr als kritisch betrachten muss. Lest aber selbst das Leipziger Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 114 C 9523/15
Erlassen am: 05.08.2016
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht …
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO am 05.08.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2012 zu zahlen, sowie die Klägerin von nicht gesondert festsetzbaren Kosten anwaltlicher Beauftragung gemäß Rechnung der … Rechtsanwälte vom 21.10.2015 in Höhe von 70,20 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2016 durch Zahlung an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das Amtsgericht Leipzig ist sachlich gemäß §§ 23 ff. GVG und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
II.
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe noch nicht von der Beklagten gezahlten Sachverständigenhonorars in geltend gemachter Höhe aus dem Unfallereignis vom 17.06.2012 gemäß §§ 823, 249 BGB, 7, 17, 18 StVG i. V. m. 115 VVG.
1.)
Die Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Geschädigten ist wirksam.
Durch diese Vereinbarung hat die Geschädigte, … , ihre der Beklagten zustehenden Schadenersatzansprüche, die dem Grunde nach unstreitig sind, wirksam an die Klägerin abgetreten gemäß §§ 398 ff. BGB.
Die Beklagte hat auf die Sachverständigenkosten eine Teilzahlung erbracht in Höhe von 793,00 EUR. Die Rechnung der Klägerin an die Geschädigte beläuft sich auf 875,84 EUR.
Da die Beklagte bereits eine Teilleistung erbracht hat in Höhe von 793,00 EUR , hat sie nach Auffassung des Gerichts die Forderung der Klägerin dem Grunde nach anerkannt.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein großes Versicherungsunternehmen, das über eine Rechtsabteilung verfügt, und daher davon auszugehen ist, dass sie die Ansprüche, die gegen sie erhoben werden, dem Grunde nach prüft, bevor sie – wenn auch nur teilweise – die Regulierung veranlasst.
Die Beklagte verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB, wenn sie zuerst eine nach ihrer Auffassung angemessene und abschließende Zahlung an die Klägerin leistet, sich dann aber später im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach wegen einer nicht wirksamen Abtretung oder einer fehlenden Eigentümerstellung der Geschädigten insgesamt nicht besteht (vgl. insoweit LG Leipzig, Urteil vom 20.01.2016, Az: 8 S 334/15).
Bei dem Anspruch, den die Geschädigte des Unfallereignisses an die Klägerin abgetreten hat, handelt es sich um einen originären Schadenersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung, in diesem Fall der Beklagten. Im Bezug auf diesen Anspruch hat die Geschädigte den Anspruch auf Erstattung von entstandenen, vorgerichtlichen Gutachterkosten an die Klägerin abgetreten. Es handelt sich somit nicht um einen Werklohnanspruch, den die Geschädigte abgetreten hat, sondern um ihren eigenen Schadenersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall.
Aufgrund dessen sind nach Auffassung des Gerichts dann auch nur solche Einwendungen für die Beklagte möglich, die auch gegen die Geschädigte hätten geltend gemacht werden können.
Gemäß § 249 BGB hat der Geschädigte gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung einen Anspruch auf Erstattung des erforderlichen Geldbetrages, der den Aufwendungen entspricht, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, in Bezug auf die Schadenbehebung.
Hinsichtlich der Sachverständigenkosten gilt die sogenannte subjektiv bezogene Schadenbetrachtung. Der Geschädigte darf sich damit begnügen, für einen Geschädigten in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss vor allem keine Marktforschung nach den honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Nur dann, wenn der Sachverständige – für den Geschädigten erkennbar – eine Vergütung verlangt, die der in der Branche üblichen Preise deutlich überschreitet, muss ein günstigerer Sachverständiger beauftragt werden. Allenfalls liegt dann ein Verstoß gegen die dem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht vor (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az: V ZR 225/13; zitiert nach Juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 1 Satz 2 BGB sind die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher (BGH, Urteil vom 26.04.2016, Az: VI ZR 50/15).
Auch unter Zugrundelegung der o. g. aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2016 ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung.
Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der bei der Begutachtung anfallenden und erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO die Bestimmungen des JVEG als Orientierungshilfe heranzieht. Andere Orientierungshilfen hat der BGH nicht ausgeschlossen.
Dies schließt deshalb nicht aus, dass auch andere Erhebungen zur Schadensschätzung herangezogen werden können, wie beispielsweise die BVSK-Honorarbefragung 2011.
Legt man diese Befragung zugrunde, so liegt das von der Klägerin abgerechnete Honorar im Bereich des Honorar-Korridors HB V.
Ebenso liegt die in Rechnung gestellte Fahrtkostenpauschale in Höhe von 28,50 EUR innerhalb des Honorar-Korridors HB V, der zwischen 22,16 EUR netto und 28,99 EUR netto als üblich ansieht.
Ausweislich des Gutachtens vom 22.06.2012 befand sich das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Gelände des … in Leipzig. Das Gutachterbüro befindet sich in … in Leipzig.
Es ist daher davon auszugehen, dass tatsächlich Fahrtkosten angefallen sind.
Die Fotokosten in Höhe von 2,45 EUR netto pro Foto für den 1. Fotosatz liegen ebenfalls innerhalb des Bereichs des Honorar-Korridiors HB V betreffend 2,06 EUR netto und 2,57 EUR netto pro Foto.
Das Gutachten muss üblicherweise mit 3 bis 4 Exemplaren versandt werden. Die Porto-, Telefon- und Schreibkosten belaufen sich in dem Honorar-Korridor HB V zwischen 13,59 EUR und 18,88 EUR netto. Zuzüglich der Abrufkosten ist der geltend gemachte Betrag in Höhe von 28,00 EUR netto nicht als überhöht anzusehen.
Auch die geltend gemachten Schreibkosten in Höhe von 3,00 EUR/Seite bewegen sich in dem Honorar-Korridor HB V von 2,47 EUR bis 3,75 EUR netto.
Die in der Honorartabelle aufgelisteten Nebenkosten sind daher nicht derart überhöht, dass jeder vernünftige Geschädigte Zweifel an der Berechtigung der Geltendmachung haben könnte.
Da die Beklagte einen Verstoß der Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht nicht dargelegt oder bewiesen hat, hat die Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Gutachterkosten in voller Höhe. Diesen Anspruch hat die Geschädigte dann wirksam an die Klägerin abgetreten. Da der Einwand der Kostenüberhöhung nicht gegenüber der Geschädigten möglich gewesen wäre, kann sie ihn auch nicht im Rahmen der Abtretung der Klägerin geltend machen, da sich der Rechtsgrund der Forderung gegenüber der Klägerin nicht plötzlich geändert hat.
Die Klägerin hat daher aus abgetretenem Recht einen weiteren Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Gutachterkosten, sowie aus dem Gesichtspunkt des Verzugs einen Anspruch auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in geltend gemachter Höhe gemäß §§280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert des Rechtsstreits beträgt: 82,84 EUR.