AG Biedenkopf verurteilt den Unfallverursacher persönlich zur Zahlung des von seiner Kfz-Haftpflichtversicherung verweigerten Schadensersatzes in Form der restlichen Sachverständigenkosten mit Urteil vom 28.9.2016 – 50 C 136/16 (70) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute wollen wir für Euch für das kommende Wochenende ein Urteil aus Biedenkopf zu den restlichen Sachverständigenkosten veröffentlichen. Geklagt hatte der Geschädigte gegen den Schädiger. Insoweit wären die Voraussetzungen des BGH-Grundsatzurteils VI ZR 225/13 gegeben. Die gegnerische Versicherung, die zu Recht nicht gerichtlich in Anspruch genommen wurde, weil sie ohnehin bereits vorgerichtlich jegliche weitere Zahlung abgelehnt hatte, ist uns leider nicht bekannt, so dass wir dieses Urteil nicht in die Urteilsliste einpflegen können. Das Urteil des AG Biedenkopf ist im Ergebnis zwar positiv, in der Begründung jedoch leider wieder fehlerhaft. Die Sachverständigenkosten wurden über § 249 Abs. 2 BGB geprüft, obwohl eine konkrete Sachverständigenkostenrechnung vorlag und damit ein konkreter Schaden nachgewiesen worden ist, der unmittelbar mit dem Unfallschaden zusammenhängt und der gemäß § 249 I BGB hätte gelöst werden können. Darüber hinaus wurde die Angemessenheit auf der Grundlage von BVSK geprüft, obwohl die werkvertragliche Angemessenheit im Schadensersatzprozess nichts zu suchen hat. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Biedenkopf                                                             Verkündet am 28.09.2016
Aktenzeichen: 50 C 136/16 (70)

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Biedenkopf durch Richter am Amtsgericht W.-S. im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO am 28.09.2016 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.08.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:
(Abgekürzt nach § 313b, 495a ZPO)

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Kosten für das Gutachtenhonorar in Höhe von 113,66 € gegen die Beklagte. Unstreitig ist, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger als Unfallgeschädigter dem Grunde nach für die durch den Verkehrsunfall am 18.08.2014 entstandenen Schäden haftet. Das Gericht ist der Auffassung, dass die geltend gemachten Sachverständigenkosten ebenfalls in voller Höhe durch die Beklagte zu erstatten sind. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Unfallgeschädigte den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind die Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Kann ein Geschädigter die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei ist im Einzelfall auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Rücksicht zu nehmen. Der Kläger musste im Vorfeld keine Marktforschung nach einem honorargünstigen Sachverständigen betreiben, sondern durfte einen ihm ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen wählen. Einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch den Kläger ist vorliegend nicht ersichtlich.

Das Gericht ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger eine mögliche überhöhte Gutachtenhonorarrechnung nicht hätte erkennen müssen. Dem Kläger als Laien und mit den Abrechnungssystemen der verschiedenen Gutachter nicht vertraut, konnte ein starkes Missverhältnis bezüglich Preis und Leistung zueinander nicht auffallen. Weder ein Auswahlverschulden noch eine willkürliche Kostenfestsetzung des Sachverständigen durch den Kläger sind vorliegend ersichtlich. Das Gericht hat insoweit auch auf der Grundlage der BVSK-Honorarbefragung 2013 im Rahmen seiner Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO keine Veranlassung zu der Annahme, dass die vom Kläger eingeforderten Gutachterkosten gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erforderlich sind.

Das vom Sachverständigen geforderte Grundhonorar ist zwar nahe dem Maximalwert des HB V der BVSK-Befragung, es ist jedoch noch als ortsüblich und angemessen anzusehen. Dergleichen verhält es sich mit den gesondert aufgeführten Nebenkosten. Die einzelnen Aufführungen der Nebenkosten liegen zwar am oberen Rand, aber noch innerhalb des Korridors. Die Berechnung der Foto-, Fahrt- und Nebenkosten als gesonderte Aufzählungen in der Rechnung sieht das Gericht als zulässig an. Die vom Sachverständigen berechneten Nebenkosten sind durchlaufende Posten für die Anschaffung und Fertigung der für die Begutachtung erforderlichen Gerätschaften. Diese tatsächlich angefallenen Kosten kann der Sachverständige neben dem pauschalierten Grundhonorar berechnen. Dass die pauschale Abrechnung dieser Kosten nicht unüblich ist, ergibt sich bereits aus dem diesbezüglich in der Honorarbefragung angegebenen Werten.

Wären derartige Kosten nicht üblich, hätten hierzu keine Werte angegeben werden können. Es ergeben sich daher vorliegend keinerlei Anhaltspunkte, dass die Gutachtenhonorarrechnung überhöht ist.

Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Eine Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache weder von grundsätzlicher Bedeutung noch zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung dienlich ist.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. HR sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    mit diesem Urteil wurde der Geschädigte nicht diskriminierend zu einem nicht vernünftigen und nicht wirtschaftlich denkenden Menschen herabgewürdigt. Ihm wurde auch kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht unterstellt. Allerdings sollte im beurteilungsrelevanten immer angestrebt werden, dass die Frage eines Auswahlverschuldens auch beleuchtet wird und nicht unter den Tisch fällt. Wenn § 249 I BGB dann noch registriert und respektiert wird, so ist bei 100 % Haftung auch von 100 % Schadenersatz auszugehen, denn weniger als 100 % nach den Vorstellungen einiger Autoversicherer ist schlichtweg gesetzeswidrig, weil er sich ersichtlich auf einen anderen Zustand bezieht. Das ist immer dann festzustellen, wenn in einem solchen Rechtsstreit das Gericht sich dazu verführen lässt, fälschlicherweise die Rechnungshöhe mit vergleichender Abstellung auf Einzelpositionen unter werkvertraglichen Gesichtspunkten zu überprüfen und nicht subjektbezogen die Erforderlichkeit des eingeholten Gutachtens. Genau an dieser Stelle ist schadenersatzrechtlich der Einwand einer Überhöhung weder dem Geschädigten, noch dem von ihm beauftragten Sachverständigen vorzuhalten, denn der Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten und alle aus dieser Konstellation zu beachtenden Rechtsfolgen dürfen dem Geschädigten deshalb nicht zu seinem Nachteil angelastet werden (OLG Naumburg). Mit vorliegender Rechnung – auch wenn noch unbezahlt – ergibt sich kein tragfähiger Rechtsgrund für eine ex post Schätzung nach § 287 ZPO, denn es kommt nicht auf werkvertragliche Angemessenheitsgesichtspunkte an sowie nicht auf eine Üblichkeit oder Ortsüblichkeit, weil diese nicht existent sind.

    HR

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