Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier ein Berufungsurteil des OLG Dresden zu den Rechtsanwaltskosten gegen die AachenMünchener Versicherung und den bei ihr Versicherten vor. Im Streit war eine 1,8-Gebühr. Das der Berufung zugrundeliegende Urteil des LG Leipzig hatten wir bereits am 06.11.2016 hier veröffentlicht. Die Entscheidung wird der eine oder andere Rechtsanwalt wohl mit Interesse zur Kenntnis nehmen? Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch die Kanzlei Uterwedde in Leipzig. Hier noch die Erläuterungen des Einsenders:
„Führt man Gespräche mit der Gegenseite, ist man schon bei 1,5 (weil es auch zu BRAGO-Zeiten schon eine 15/10. Gebühr gab). Demnach kann der Versicherer wegen der Toleranzgrenze es nicht beanstanden, wenn eine 1,8-Gebühr gefordert wird. Ob die 1,8-fache Gebühr tatsächlich angemessen war, darauf kommt es nicht an.“
Lest selbst das Urteil des OLG Dresden und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Oberlandesgericht Dresden
Zivilsenat
Aktenzeichen: 7 U 1027/15
Landgericht Leipzig, 04 0 2771/13
Verkündet am: 16.12.2015
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
in dem Rechtsstreit
…
– Kläger und Berufungskläger –
gegen …
1. …
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
2. …
– Beklagter und Berufungsbeklagter –
wegen Schadensersatz
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberiandesgericht Dr. K.,
Richter am Oberlandesgericht G. und
Richter am Oberlandesgericht W.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2015 am 16.12.2015
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 01.06.2015 – Az: 4 0 2771/13 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.295,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seitdem 21.10.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von der Begleichung der Kostenrechnung … von Rechtsanwalt … in verbleibender Höhe von 145,89 € freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,8-fachen Geschäftsgebühr aus 19.150,18 € zuzüglich Postpauschale und Umsatzsteuer zu erstatten.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 15 % zu tragen, die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
IIl. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
A.
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Dabei geht es im hiesigen Berufungsverfahren ausschließlich noch um Nebenkosten in Form von vorgerichtlichen Geschäfts- bzw. Terminsgebühren, welche zudem durch Teilzahlungen der Beklagten in der Berufungsinstanz bereits in Höhe von 490,52 € von den Parteien einer übereinstimmenden Teilerledigung zugeführt worden sind.
Die daraufhin angepassten Berufungsanträge des Klägers aus dem Schriftsatz vom 07.09.2015 sind vollumfängüch begründet.
Denn der Senat gelangt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass die (vorgerichtliche) Tätigkeit des Klägervertreters ais umfangreich bzw. schwierig und damit überdurchschnittlich gemäß Nr. 2300 W-RVG angesehen werden kann. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Klägervertreter diesen überdurchschnittlichen Umfang auch mit seinen Schriftsätzen vom 04.03. und 09.04.2014 (Anlagen K15 und K16) durchaus im Einzelnen nachvollziehbar begründet. So waren u.a. mehrfache Besprechungen mit der Schadensabteilung der Beklagten zu 1) erforderlich, die im Ergebnis auch aus Kiägersicht teilweise Erfolg zeitigten, weil hierauf Teilzahlungen der Beklagten noch vor Klageerhebung erfolgten. Der Senat folgt insoweit der von der Sächsischen Rechtsanwaltskammer vertretenen Rechtsauffassung, wonach eine Mittelgebühr (1,5) regelmäßig bereits dann angemessen ist, wenn es zu einer oder mehreren derartigen – ggf. auch telefonischen – Besprechungen kommt. Bei Annahme der Angemessenheit einer Mittelgebühr greift aber hier – worauf die Kiägerseite zu Recht hingewiesen hat – (anders als bei der Regelgebühr von 1,3, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 05.02.2013, Az: VI ZR 195/12) zwingend die Toleranzgrenze von 20 %, weshalb die vom Klägervertreter angesetzte 1,8-Gebühr im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Toleranzrechtsprechung besagt nämlich, dass dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der hier eingeschlägigen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W-RVG ein Ermessensspielraum zusteht, so dass die Gebühr nicht unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr – wie hier – innerhalb dieser Toleranzgrenze bewegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91a, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht .zuzulassen, weil Zuiassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind.
Dr. K. G. W.