Hallo verehrte Captain -Huk-Leserschaft,
hier und heute veröffentlichen wir für Euch noch einen Beschluss des AG Hattingen zu den Sachverständigenkosten. Geltend gemacht werden die restlichen Sachverständigenkosten als Restschadensersatzanspruch durch den Geschädigten. Leider ist uns die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung nicht bekannt. Und trotzdem ist der Beschluss des AG Hattingen mehr als lesenswert. Zum einen wegen der Bagatellgrenze, die bei Oldtimern – nach zutreffender Ansicht des Gerichts – so nicht gelten kann. Zum anderen ist der Beschluss interessant wegen der Rechtsauffassung des erkennenden Gericht zu den nach einem Verkehrsunfall erforderlichen Sachverständigenkosten. Lest selbst den Beschluss und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
5 C 157/15
Amtsgericht Hattingen
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Gerichts die Klage begründet ist.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 90,08 Euro an das Ingenieurbüro … in … gemäß den §§ 7, 18 StVG i.V.m. den §§ 249, 398 BGB zu.
Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 21.10.2014 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
Der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ist zugunsten der Klägerin ebenfalls dem Grunde nach gegeben und unstreitig.
Auch der Höhe nach hat die Klägerin noch einen weiteren Anspruch auf Zahlung von 90,08 Euro an das Ingenieurbüro … in … gegen die Beklagte.
Zunächst einmal hat die Beweisaufnahme mit Vernehmung der Zeugen Frau M. K. und Herrn M. S. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.05.2016 unzweifelhaft ergeben, dass die Klägerin Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … ist.
Außerdem hat die Beweisaufnahme mit Vernehmung des Zeugen Herrn H. R. unzweifelhaft ergeben, dass die Klägerin berechtigt ist, den Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an den Sachverständigen H. R. zu verlangen. Bedenken an der Aktivlegitimation der Klägerin bestehen daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht.
Im Übrigen durfte die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Fall ausnahmsweise auch ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung ihres Schadens einholen. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem Schaden i.H.v. 588,63 € netto
auszugehen ist, wie es der Sachverständige Herr Diplom-Ingenieur A. F. festgestellt hat. Damit ist die in der Rechtsprechung üblicherweise angenommene Grenze von Bagatellschäden bis 700 € (vergleiche Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl. 2015, § 249 BGB, Rn. 58) unterschritten. Allerdings kann in Ausnahmefällen auch bei Bagatellschäden die Einholung eines Sachverständigengutachtens „erforderlich“ im Sinne des § 249 BGB sein (vergleiche Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 398).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben.
Bei dem beschädigten Fahrzeug der Klägerin handelt es sich um ein älteres Liebhaberfahrzeug, das zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls immerhin fast 20 Jahre
alt war (vergleiche Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O.).
Außerdem hat die Versicherung der Beklagten ihrerseits ein Prüfgutachten der DEKRA eingeholt, das mit einem Betrag für schadenbedingte Aufwendungen i.H.v. 526,16 € netto endet und das nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit Einholung eines Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Diplom- Ingenieur F. ebenfalls nicht richtig ist. Der Klägerin musste insofern die Möglichkeit gegeben sein, ihrerseits ein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, um das Ergebnis des Gutachtens der Beklagten überprüfen zu können.
Schließlich wird die Bagatellgrenze von verschiedenen Gerichten teilweise auch zwischen 500,00 € und 800,00 € festgelegt (vergleiche Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung z.B. des Landgericht Düsseldorf, SP 2009, 257; Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer, SP 2013, 28; Amtsgericht Hamm, Beck RS 2012, 19417 usw.). Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an und hält daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens in dem vorliegenden Fall aus den genannten Gründen ausnahmsweise für „erforderlich“ im Sinne des § 249 BGB.
Bezüglich der Höhe des Honorars des Sachverständigen Herrn H. R. nach der Schadenshöhe ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Der BGH führt hierzu in seinem Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/07, aus, ein Kfz-Sachverständiger überschreite allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornehme, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht. Schadensgutachten dienten i.d.R. dazu, die Realisierung von Schadenersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages werde als Erfolg geschuldet; hierfür hafte der Sachverständige. Deshalb trage eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten sei.
Dabei könne jedoch der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen seien. Er sei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen könne. Dabei sei bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich sei, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch sei der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibe, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftrage, der sich später im Prozess als zu teuer erweise.
Die Frage, ob das von dem Sachverständigen berechnete Honorar zu teuer ist, muss entweder durch Durchführung einer Beweisaufnahme mit Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ermittelt oder von dem Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.
Vorliegend hält das Gericht eine Schätzung anhand der sogenannten BVSK-Honorarumfrage 2015 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. und der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 der Verbände der unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V. und des Bundesverbandes öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kfz-Sachverständiger e.V. für angemessen. Das Gericht kommt unter Berücksichtigung der genannten Honorarumfragen zu folgendem Ergebnis:
Nach der aktuellen Honorarbefragung 2015 des BVSK berechnen 90% der BVSK-Mitglieder oberhalb des Wertes HB II und 95% unterhalb des Wertes HB III. Innerhalb dieses Bereiches wird also ganz überwiegend abgerechnet.
Außerdem wird der sog. HB V Korridor angegeben, in dem immerhin 50 % bis 60 % der Mitglieder ihr Honorar berechnen, also ebenfalls die Mehrheit.
Die von dem Sachverständigen abgerechneten Kosten liegen vollständig innerhalb dieser Werte, also unterhalb HB III bzw. innerhalb des HB Korridors. Auszugehen ist insoweit von der Netto-Schadenhöhe i. H. v. 588,63 €. Danach beträgt das Grundhonorar nach HB III des BVSK 244,00 €.
Nach der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 ergibt sich bei einem Gegenstandswert bis 750,00 EUR brutto ein Grundhonorar-Korridor von 150,00 bis 245,00 EUR.
Der Durchschnitt der Höchstbeträge aus diesen beiden Honorarumfragen, also von 244,00 EUR und 245,00 EUR beträgt 244,50 EUR. Diesen Betrag schätzt daher das Gericht gemäß § 287 ZPO auf Grundlage der vorgenannten Honorarumfragen als erforderlich und angemessen im Sinne des § 249 BGB.
Geltend gemacht hat der Sachverständige ein Grundhonorar i.H.v. 232,92 €, so dass dieses nicht zu beanstanden ist.
An diesem Ergebnis ändert auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357 /13, nichts. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht Saarbrücken die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden. Das Landgericht Saarbrücken, so der Bundesgerichtshof, hat das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bereits deshalb nicht als geeignete Schätzgrundlage für die Nebenkosten angesehen, da sie nicht hinreichend aussagekräftig sei und relevante Fragen offen lasse. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass das Landgericht Saarbrücken unter Hinweis auf die von ihm geführten zahlreichen Parallelverfahren ergänzend ausgeführt habe, die Sachverständigen würden auf dem regionalen Markt mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Das Landgericht Saarbrücken hat also die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden, da das Landgericht Saarbrücken aufgrund vor ihm geführter zahlreicher Parallelverfahren festgestellt hatte, dass die Sachverständigen auf dem regionalen Markt im Bereich Saarbrücken mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Dieses hat das Amtsgericht Hattingen für den hiesigen regionalen Markt bislang nicht feststellen können. Insofern betrifft die Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken und des Bundesgerichtshofes in dem mit dem Urteil vom 22.07.2014 entschiedenen Fall eine Entscheidung, die die spezifischen Besonderheiten des regionalen Marktes in Saarbrücken berücksichtigt, auf den vorliegenden Fall aber nicht zwingend anzuwenden ist. Außerdem hat der Bundesgerichtshof auch in seinem Urteil vom 22.07.2014 eindeutig festgestellt, dass das Gericht die Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen kann, wenn der Schätzung tragfähige Anknüpfungspunkte zugrundeliegen. Vorliegend hat das Gericht sowohl die BVSK-Honorarbefragung 2015 berücksichtigt als auch die VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013. Damit hat das Gericht tragfähige Anknüpfungspunkte für seine Schätzung zur Verfügung gehabt (vgl. auch Landgericht Arnsberg, Urteil vom 21.01.2015, Az. 3 S 210 /14).
Im Ergebnis sind auch die geltend gemachten Nebenkosten nicht zu beanstanden. Das Landgericht Saarbrücken (vgl. Urteil vom 10.02.2012, Az. 13 S 109/10) hat Nebenkosten in Höhe von pauschal 100,00 € als erstattungsfähig anerkannt. Dieser Rechtsprechung hat sich auch das Amtsgericht Hagen in dem Verfahren mit dem Az. 14 C 29/14 angeschlossen, in dem Nebenkosten i.H.v. 218,88 € als überhöht angesehen wurden, dagegen wurden entsprechend der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken Nebenkosten in Höhe von 100,00 € als erstattungsfähig anerkannt. Der Sachverständige Herr R. hat vorliegend zwar Nebenkosten in Höhe von insgesamt 141,94 € berechnet, so dass diese leicht überhöht sind. Es ist jedoch eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige ein Grundhonorar berechnet hat, dass nicht bis an die Grenzen der genannten Honorarbefragungen geht. Wenn dann dafür auf der anderen Seite die Nebenkosten leicht überhöht sind, so ist dieses insgesamt noch gerade zu tolerieren.
Schließlich ist diesbezüglich auch noch auf einen Hinweisbeschluss der für das hiesige Gericht zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Essen hinzuweisen. In dem Beschluss vom 03. August 2015, Aktenzeichen 10 S 87/15, weist das Landgericht Essen auf folgendes hin:
„Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der vollen Sachverständigenkosten aus den §§ 7 I, 18 I StVG, 823 I BGB. Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Rechtsfrage ist, wie jedenfalls den Parteivertretern und der Beklagten bestens bekannt ist, in der Rechtsprechung des BGH hinlänglich aufgearbeitet.
Der aktuelle Stand wird beispielsweise in dem Urteil des BGH vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, Rn. 8 – 9 wiedergegeben:
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach §287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 II 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der-vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten -beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder [Nachweise]. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 II 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 II 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen. […] Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
Und weiter im selben Urteil, Rn. 10:
[…] In Streit steht die Höhe der Nebenkosten. Dass der Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, wird im Rechtsstreit nicht behauptet und hat das Berufungsgericht deshalb auch nicht festgestellt. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein. Damit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags nach § 249 II 1 BGB.
Es kommt also darauf an, ob der Kläger vor der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dieser – nach Vortrag der Beklagten – überhöhte (Neben-)kosten geltend machen wird.
Dafür spricht nach Einschätzung der Kammer nichts. Die Nebenkostenabrechnung des Sachverständigen mag ungewöhnlich hoch sein. Die Kammer kann schon nicht feststellen, dass sie überhöht ist. Unbestritten hält sich jede einzelne Position im Rahmen der VKS/BVK- Honorarumfrage, was nicht allein entscheidend für die Angemessenheit der Kosten ist, aber ein Indiz in diese Richtung. Dass der Sachverständige exzessiv von seinem Recht zur Abrechnung von Nebenkosten Gebrauch macht, lässt seine Rechnung nicht generell als überhöht erscheinen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie der Kläger vor Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dieser relativ hohe Nebenkosten geltend machen wird, ohne Vergleichsangebote einzuholen oder eine generelle Markterforschung zu betreiben. Zu beiden bestand keine Verpflichtung.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen, dass die Geschädigte vor der Beauftragung des Sachverständigen Herrn R. hätte erkennen können, dass dieser – nach Ansicht der Beklagten – überhöhte Kosten geltend machen wird.
Nach alledem ist die Klage hinsichtlich der Hauptforderung begründet.
Der Zinsanspruch ist gemäß den § 288 Abs. 1 BGB begründet.
Das Gericht weist darauf hin, dass es die Berufung nicht zulassen wird, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache kann genauso wenig festgestellt werden, wie die Notwendigkeit einer Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insofern wird insbesondere auf die oben zitierte Rechtsprechung der Berufungskammer des Landgerichts Essen Bezug genommen.
Das Gericht beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses ergänzend und abschließend vorzutragen sowie ggf. Beweise anzubieten oder vorzulegen.
Den Parteien wird aufgegeben, binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob sie auf ein Absetzen der Entscheidungsgründe des Urteils gemäß § 313a Abs. 1, S. 2 ZPO verzichten.
Hattingen, 14.02.2017
K.
Richter am Amtsgericht
Der Tenor „könnte überhöht sein aber wie soll dass der Geschädigte erkennen“ passt zwar nicht zur VKS/BVK Befragung und dem realen Markt und ist auch logisch falsch (Arbeitszeit!) aber wenn man das subjektive weglässt so ist es eine gute Begründung, oder?
Ein Richter, wie es einige Hundertschaften mehr davon in der BRD geben sollte.
Käpt´n Kirk
Das Ergebnis ist sehr gut.
Allerdings reitet das Gericht zu lange auf BVSK, VKS, BVK, Angemessenheit etc. herum. Da hat der Versuch der Versicherung zumindest gefruchtet, die Richterschaft aufs Glatteis zu führen.
Die Frage der Angemessenheit ist in solchen Verfahren nicht zu diskutieren.
Das kann die Versicherung im Zuge des Vorteilsausgleichs gerne im separaten Verfahren als Klägerin dann ja selber tun.
Top wäre es, wenn man Einwände der Beklagten wegen fehlender Rechtsgrundlage und falschem Rechtsweg damit gleich zurückweist. Das würde viele Verfahren deutlich abkürzen und den Richtern viel Zeit ersparen.
Denn: „…wenn man erst einmal auf das Glatteis gezogen wurde, ist es schwer die Balance zu halten und an das rettende Ufer zurück zu gelangen, ohne einzubrechen“ wie jüngst sogar der BGH eindrucksvoll im negativen Sinne gezeigt hat.
BG
Hinsichtlich der Infragestellung einer Begutachtungsnotwendigkeit bei vermuteten Bagallschäden hat sich das Gericht erkennbar nicht an starren Betragsgrenzen orientiert, sondern der schadenersatzrechtlichen Betrachtung des Einzelfalls den Vorzug gegeben,was unter Berücksichtigung der Tatsache, dass „Grenzbeträge“ zur Schadenhöhe lediglich den Prognosebereich eines ansonsten verkehrsfähigen Beweissicherungsgutachtens betreffen, die Basis eines solchen Gutachtens, die Qualität und den Umfang der beweissichernden Tatsachenfeststellung jedoch nicht berühren. Vor diesem Hintergrund ist es deshalb auch verständlich, dass ein Kostenvoranschlag keine beweissichernde Tatsachenfeststellung beinhaltet und deshalb von Gerichten auch nicht als ausreichendes Beweismittel angesehen wird. Deshalb muss man der Empfehlung bzw. dem Ratschlag von Versicherern gegenüber Werkstätten und insbesondere Geschädigten reserviert gegenüberstehen, wenn damit der Eindruck erweckt wird, die Hereingabe eines Kostenvoranschlages und ein paar Fotos würde für eine vollkommene Schadenregulierung genügen, was sich in der Praxis regelmäßig als Trugschluss herausstellt, denn zunächst scheinbare „Bagatellschäden“ sind es bei genauerem Hinsehen zu 90 % n i c h t. Unabhängig davon geht bekanntlich ein Prognoserisiko nicht zu Lasten des Geschädigten, denn der beauftragte Sachverständige ist nicht sein Erfüllungsgehilfe.
R-REPORT-AKTUELL