Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
eigentlich wollten wir dieses negative Urteil des AG Münster gar nicht veröffentlichen. Damit uns aber nicht der Vorwurf gemacht werdden kann , unliebsame Urteile nicht zu veröffentlichen, stellen wir Euch hier ein mehr als kritisch zu betrachtendes Urteil aus Münster zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen bzw. für die LVM Versicherung vor. In diesem Urteil wurde – gegen alle gesetzlichen Bestimmungen und die herrschende Rechtsprechung – eine willkürliche Kürzung der Fotokosten und der Schreibkosten nach Gutsherrenart mit dem Ziel der Klageabweisung im Schadensersstzprozess vorgenommen. Bereits am 23.1.2007 hatte der BGH entschieden, dass eine Preiskontrolle der Sachverständigenkostenrechnung durch den Schädiger und das Gericht zu unterlassen ist, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt (BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Das zur Wiederherstellung Erforderliche wahrt der Geschädigte, wenn er zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe ein Gutachten eines regionalen qualifizierten Kfz-Sachverständigen seiner Wahl einholt, denn er selbst ist in der Regel nicht in der Lage, den Schaden zu beziffern und hinsichtlich des Umfangs anzugeben. Bekanntlich trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang und die Höhe seines Schadens. Den Umfang und die Höhe des Schadens beweist er durch das qualifizierte Kfz-Schadensgutachten, wobei das Gutachten die Grundlage für die Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes ist. Daher ist auch vom BGH anerkannt, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH VI ZR 67/06; BGH VI ZR 357/13 Ls. a); BGH VI ZR 491/15 Ls. 1; BGH VI ZR 76/16 Ls. 1). Diese Rechtsprechung wird bewußt vom Amtsgericht Münster ignoriert. Man beachte aber, dass das AG Münster das Hausgericht der LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. ist. Das AG Münster ist auch mit diesem Urteil offensichtlich wieder einmal wunschgerecht der in Münster ansässigen LVM entgegen gekommen. Lest aber selbst das Urteil aus Münster und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch ein schönes regenarmes Wochenende.
Willi Wacker
49 C 3538/16 Verkündet am 13.03.2017
Amtsgericht Münster
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
die LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., v.d.d.VV Dr. Mathias Kleuker, Kolde-Ring 21, 48151 Münster,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Münster
im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 24.02.2017
durch den Richter Dr. O.
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Ohne Tatbestand gem. § 313a ZPO.
Entscheidungsgründe
A)
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat gem. §§ 7, 18 StVG, § 823, 249, 398 BGB i. V. m. § 115 VVG gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Gutachterkosten in Höhe von 45,15 EUR.
1.
Der Kläger dürfte allerdings aktivlegitimiert sein. Die Abtretung von Schadenersatzansprüchen durch den Geschädigten aus dem konkret bezeichneten Schadenereignis auf Erstattung der Sachverständigenkosten ist im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten wirksam.
Eine Abtretung ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (vgl. BGH VI ZR 260/10, VersR 2011, 1008). Dies ist der Fall, weil nach dem Wortlaut der Abtretungen konkret die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Sachverständigenkosten nach dem konkret benannten Schadensereignis abgetreten wurde. Eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs war im Zeitpunkt der Abtretungserklärung weder möglich noch erforderlich. Eine pauschale Abtretung sämtlicher Ersatzansprüche nach einem Unfallereignis, die zur Unwirksamkeit der Abtretung führen könnte, hat gerade nicht stattgefunden.
2.
Nachdem die Haftung des Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, hat er gem. § 249 Abs. 2 BGB den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören dabei zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und im Sinne der genannten Vorschrift auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit diese Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen, wobei nicht zu beanstanden ist, wenn der Sachverständige sein Honorar pauschaliert.
Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlich.keitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.
Die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten nach diesen Maßstäben sowie den Anforderungen des § 287 ZPO ist zunächst durch den Geschädigten bzw. den Zessionar genügend darzulegen. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Dabei verkennt der Kläger, dass nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags bildet (BGH, Urteil vom 19.07.2016, NJW 2016, 3363, 3364).
Die von dem Kläger gestellte Rechnung ist hingegen unstreitig nicht durch den Geschädigten beglichen worden. Da der Kläger seiner Darlegungslast nach diesen Grundsätzen somit nicht genügt hat, sind die erforderlichen Kosten nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Frage, ob die äußeren Grenzen eines angemessenen Honorars überschritten sind, wäre demgegenüber nur für die Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht, nicht für die vorgelagerte und hier streitentscheidende Frage der Erforderlichkeit der Kosten relevant. Die nach § 287 ZPO erforderlichen Sachverständigenkosten übersteigen jedenfalls den bereits regulierten Betrag nicht. Hierzu im Einzelnen:
a) Fotodokumentation
Es kann dahinstehen, ob alle fünf erstellten Lichtbilder erforderlich waren. Jedenfalls erscheint angesichts der in Zeiten der Digitalfotografie geringen Aufwände für die Erstellung und den Ausdruck eines Fotos erscheint allenfalls ein Betrag in Höhe von 1 € je Foto erforderlich und angemessen, wobei das Gericht sich an den üblichen Kosten für eine Farbkopie in entsprechenden Kopiergeschäften orientiert (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014, r+s 2014, 630, Rz. 19, wonach die Bewertung von Kosten i. H. v. 2,45 € je Foto als erkennbar deutlich überhöht als revisionsrechtlich nicht zu beanstanden gewertet wurde). Die Unkosten für den Verschleiß der Kamera und den Zeiteinsatz für die Anfertigung des Fotos werden dadurch berücksichtigt, dass der Kläger jeweils zwei Fotos auf einer Seite ausgedruckt hat, was die reinen Druckkosten auf 0,50 € pro Foto reduziert.
Damit waren für die gefertigten Lichtbilder allenfalls 5,00 € in Ansatz zu bringen. Für den zweiten Fotosatz sind lediglich 1,00 € pro Druckseite, bei fünf Fotos mithin 3,00 € in Ansatz zu bringen.
Damit belaufen sich die erforderlichen Kosten für die Fotodokumentation selbst bei Unterstellung der Erforderlichkeit aller fünf Lichtbilder auf insgesamt 8,00 €.
b) Schreibgebühren/Bürokosten
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten stellen vier Seiten des Gutachtens lediglich Ausdrucke aus dem Kalkulationsprogramm dar. Der Aufwand für das Erstellen eines solchen Ausdrucks wird auf die in Kopiergeschäften üblichen 0,10 € pro Seite geschätzt. Ebenso hoch sind die Kosten für die weiteren Ausfertigungen des Gutachten.
Daraus ergeben sich selbst bei unterstellter Erforderlichkeit einer dritten Gutachtenausfertigung und der Üblichkeit von 2,75 € pro geschriebener Seite allenfalls erforderliche Schreibkosten in Höhe von 18,90 € (6 x 2,75 € + 4 x 0,10 € + 20 x 0,10 €).
c) Ergebnis
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die übrigen Rechnungspositionen zu niedrig angesetzt sind, sodass sich die Sachverständigenkosten bei einer Gesamtbetrachtung insgesamt als erforderlich erwiesen. Unabhängig von der Frage, ob die übrigen Rechnungspositionen sogar ebenfalls übersetzt sind, ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden ein die Klageforderung übersteigender Kürzungsbetrag in Höhe von 48,60 € netto (= 57,83 € brutto).
II.
Mangels Hauptforderung bestehen auch die Nebenforderungen nicht, §§ 286, 288 BGB.
B)
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
C)
Der Streitwert wird auf 45,15 EUR festgesetzt.
Mit den mehr als dürftigen Entscheidungsgründen hat dieser Richter Dr. O. gegen geltendes Recht die LVM -Versicherung rechtswidrig zu Lasten des Unfallopfers begünstigt. Es ist ihm offenbar verborgen geblieben, dass die LVM-Versicherung auch in diesem Verfahren ex post nur die sog. Nebenkosten für überhöht hielt und diese entgegen der BGH-Rechtsprechung nach wie vor auf 100,00 € begrenzen will. Es war auch keine Schätzung der Gutachterkosten gemäß § 287 ZPO veranlasst, denn es lag eine Rechnung vor und diese ist größtenteils sogar von der Beklagten reguliert worden. Zu der unkritischen Bewertung „moderner“ BGH-Rechtsprechung, die auf diesen Fall überhaupt nicht anwendbar ist, kann man nur nachdenklich den Zeigefinger an die Stirn legen, denn auch hier waren die entstandenen Gutachterkosten nicht fiktiv, sondern nach ihrem tatsächlichen Aufwand konkret gemäß § 249 S.1 BGB bei voller Haftung mit 100% ungekürzt zu regulieren. In schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevanter Ausrichtung und Begrenzung sind die Überlegungen dieses Richters Dr. O. sowohl logisch als auch sachlich verfehlt. Das Urteil stützt sich nicht auf die Berücksichtigung objektiver Beurteilungskriterien, sondern ist geprägt durch zweckorientierte notwendig subjektive Wertentscheidungen. Der ex post wertende Richter ist damit nicht an das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines im Wege der Beweisaufnahme durch Erfahrung zu erkennenden realen Schadens gebunden, sondern er dekretiert durch eine ideale „Gesamtschau“, d.h. von einer eingebildeten Idee her, ob ein Schaden existiert oder nicht existiert.
Der „Ausgewogenheit“ halber sollte man allerdings nicht die Frage vergessen, ob schadenersatzrechtlich schlüssig und plausibel sowie sequentiell ausreichend verständlich von der Klägerseite vorgetragen wurde? Da zur Zulassung der Berufung in diesem Urteil nichts zu finden ist, steht zu vermuten, dass eine solche auch nicht beantragt wurde.
G.v.H.
@ G.v.H.
Abstrakte Schadensabschätzungen mit Zubilligung von Schadenersatz können nicht auf § 287 ZPO gestützt werden und auch nicht auf § 249 S.1 BGB. Die Beweiserleichterung für den Kläger gem. § 287 ZPO soll diesem nicht zum Nachteil gereichen, was hier allerdings unbeachtet blieb. Diese Urteil ignoriert auch ein methodisches Erkennen des Schadens und den Inhalt der Schadenersatzverpflichtung vor dem Hintergrund, dass der vom Geschädigten in Anspruch genommene Schadengutachter nicht sein Erfüllungsgehilfe ist. Man erkennt daran , dass die Wertungsjurisprudenz zunehmend im Schadenersatzrecht an Einfluss gewinnt.
Olga P.
Hallo, Willi Wacker,
angesichts der Sammlung klageabweisender Urteile am AG und am LG Münster liegt zumindest die Vermutung nahe, dass die LVM-Versicherung aus Münster es versteht, massiven Einfluss auf die Ergebnisse von Klageverfahren zu nehmen. Sollte darüber hinaus eine Absprache erkennbar sein, so wäre das ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
H.U.
Moin, Willi Wacker,
zunächst stehen der Abrechnungsweise des Klägers keine gesetzlichen Verbote entgegen. Hier hat der zuständige Dezernent des AG Münster, der Richter Dr.O., wiederum nur aus werkvertraglicher Sichtweite nicht die gesetzliche Erstattungsverpflichtung gem. § 249 S.1 BGB durchleuchtet , sondern plagiathaft und entsprechend unkritisch die Rechnungshöhe nach Angemessenheitsgesichtspunkten „überprüft“ in Verkennung des Umstandes, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, einen „gerechten“ Preis festzulegen (X ZR 80/05, X ZR 122/05). Genau das ist aber auch hier erfolgt und der Richter Dr. O. hat sich offenbar durch den auf Abweisung der Klage gerichteten Schriftsatz der Beklagtenseite mit Erfolg schwängern lassen.
Auch gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte im Zusammenhang mit der Schadensregulierung die Kosten verlangen, die ein verständiger wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf, was auch im Urteil angesprochen wurde.
Diese in der Rechtsprechung immer wieder fast wortgleich wiederholte Feststellung bedeutet, dass der Unfallgeschädigte nicht nur das verlangen kann, was objektiv erforderlich ist, sondern was e r in seiner konkreten Situation für erforderlich halten darf.
Demzufolge kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob das von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar „objektiv ortsüblich“ und „angemessen“ ist, sondern ob dem Unfallgeschädigten der Vorwurf gemacht werden kann, er habe bei der Auswahl des Sachverständigen im Hinblick auf das Honorar seine Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verletzt.
Hierzu ist grundsätzlich die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
(Aus ).
Eine Kürzung des berechneten Kostenendbetrages ist dem Schädiger nicht erlaubt, denn eine Preiskontrolle ist dem Schädiger dann untersagt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 BGB gewahrt hat (BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450). Das ist dann der Fall, wenn der Geschädigte zu Recht einen Kfz-Sachverständigen zur Feststellung des Schadensumfangs zur Beweissicherung und der Schadenshöhe beauftragen durfte. Das durfte er, wenn er selbst nicht in der Lage ist, den Schadensumfang und die -Höhe zu bestimmen. Dann darf er sachverständige Hilfe – auch zu Lasten des Schädigers – in Anspruch nehmen, denn der Sachverständige ist Erfüllungsgehilfe des Schädigers (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; OLG Naumburg DS 2006, 283 ff = NZV 2006, 546, 548; AG Nürnberg NZV 2010, 627; AG Nürnberg SP 2008, 306; AG Bonn Urt. v. 22.10.2007 – 2 C 339/07 -; vgl. auch Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff., 154).
Eventuelle Fehler in der Rechnung des Sachverständigen gehen daher zu Lasten des Schädigers. Gegebenenfalls kann der Schädiger den Vorteilsausgleich suchen (vgl. hierzu Imhof/Wortmann aaO.).
Bezeichnenderweise wird in diesem Urteil BGH VI ZR 225/13 mit keiner Silbe erwähnt; so übrigens auch nicht in VI ZR 50/15.
Fazit:
Praktisch hat das erkennende Gericht eine Preiskontrolle durchgeführt, die nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH aber gerade verboten ist (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1451 = DS 2007, 144 ff. m. zust. Anm. Wortmann).
Einzelpreise im Rahmen des § 287 ZPO zu schätzen ist ohnehin mit dem Grundgedanken des § 287 ZPO unvereinbar, denn es handelt sich um eine Schätzung des Schadensbetrages unter dem Strich.
Lediglich der Rechnungsendbetrag kann einer Schätzung unterworfen werden. Hat der Geschädigte aber eine Rechnung vorgelegt, so ergibt sich sein Schaden bereits aus dem Rechnungsbetrag, denn diesen auszugleichen ist er gegenüber dem Sachverständigen (werkvertraglich) verpflichtet.
Mithin handelt es sich um einen Vermögensnachteil, der fest mit dem Unfallschaden verbunden ist und über § 249 S. 1 BGB vom Schädiger auszugleichen ist (vgl. im Ergebnis dazu auch: Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff; v. Ullenboom NJW 2017, 849, 852).
Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine begrenzende Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten in der Art und Weise, wie von der LVM-Versicherung rechtswidrig praktiziert und hat dazu ausgeführt:
„Die, losgelöst von den Umstanden des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer tragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).“
Der Richter Dr. O. hat außerdem übersehen, dass es im vorliegenden nicht darauf ankommt, ob der Geschädigte diese Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen bezahlt hat oder nicht, weil zumindest für den vorliegenden Einzelfall unerheblich, denn der BGH wollte in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, ersichtlich nicht seine vorangegangene Rechtsprechung aufgegeben, sondern den Erfordernissen des zugrunde liegenden Einzelfalles Rechnung tragen.
Die Besonderheit der Entscheidung vom 22.07.2014 war gerade die, dass der Geschädigte seine Ansprüche dort an Erfüllung statt, nicht erfüllungshalber, abgetreten hatte und damit eine lndizwirkung der Rechnungserstellung für das zu beurteilende Rechtsverhältnis zwischen Sachverständigem und gegnerischer Versicherung nicht weiter von Bedeutung war (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 28.11. 2014, Az. 124 C 3091/14).
Da die Ansprüche erfüllungshalber abgetreten worden sind, sind die Erwägungen aus dem Urteil des BGH vom 22.07.2014 nicht heranzuziehen, so dass es auf eine Bezahlung der Rechnung vorliegend nicht ankommt.
Denn generell gilt nach der Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die Entscheidung vom 11.02.2014 nach wie vor für Sachverhalte, in denen die Ansprüche erfüllungshalber abgetreten wurden, dass, da der Geschädigte jederzeit noch mit der Inanspruchnahme der Forderung zu rechnen hat, die Rechnungserstellung ein geeignetes Kriterium zur Bemessung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB darstellt, ohne das eine Zahlung nachgewiesen sein müsste.
Knurrhahn
Danke, Knurrhahn,
jetzt verstehe ich, was da für ein unseriöses Spiel getrieben wird, an dem offenbar auch Richter beteiligt sind, denn so blöd kann ansonsten ein gestandener Jurist wohl kaum sein. Wenn ich in den Entscheidungsgründen die Überlegungen dieses Richters zu den Fotokosten lese, so gehört allein deswegen dieser Richter in den Ruhestand versetzt, bevor er noch mehr Unheil anrichtet und unseren Rechtsstaat anbohrt.
Oliver B.
In Coburg lief das genauso bis das OLG Bamberg in einer Sammelklage dieses „miese Spiel“ beendete(siehe „Game Over“ hier im Blog).
Also:Sammelklage an´s LG Münster-Eingangsinstanz (nicht Berufungskammer) und dann ab an´s OLG.
Wer hat die nötigen „Eier in der Hose“?
RA Joachim Otting?
@Deschavü
Im Saarland hat diese Strategie leider nicht funktioniert. Die pfeifen auf das saarländische OLG und untergraben beim AG und LG weiterhin das Rechtssystem, mit tatkräftiger Unterstützung des VI. Zivilsenats.
Der eine oder andere erinnert sich bestimmt noch an den „Evergreen“ von Rainhard Fendrich aus den 80ern. Hat doch an Aktualität nichts verloren, oder? Eher im Gegenteil. Es wird jeden Tag noch schlimmer. Wer hätte damals für möglich gehalten, dass man BGH-Richter kaufen kann?
@ Oliver B.
Warum gehst Du unnötigerweise so schroff diesen Richer frontal wegen der Fotokosten an? Der weiß das nicht besser und schreibt deshalb das ab, was er irgendwo gelesen hat. Ist doch garnicht so schlecht, wenn der Sachverständige 2-3x am Tag mit seinem gesammten Equipment den preiswerten Drogeriemarkt aufsuchen muss. Fahrzeitaufwand, Betriebskosten, Parkhauskosten, Fußmarsch Wartezeiten und sonstige Kostenstellen ergeben in Umlage schnell einen Fotostückpreis zwischen 11,50 € und 14,50 €. Nur das Pizza-Taxi ist da etwas billiger, liefert dafür aber auch keine Fotos bzw. Fachfotografien. Ja und dann werden Fotos wieder geklebt, wie eh und je und die Gerichtsakten werden auch wieder schwerer und deutlich dicker. Bleibt die Frage, von welcher Größe und Qualität wir überhaupt reden?
Luis J.
Zur Abkürzung für dieses Horrorszenarios sei das AG Saarlouis Urteil vom 10.12. 2015 – 28 C 1434/15 (70) zitiert:
„Das Gericht vermag jedoch derzeit im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen unterinstanzlicher saarländischer Gerichte, aber auch des Landgerichts Saarbrücken einerseits und des Saarländischen Oberlandesgerichtes andererseits (Saarländisches Oberlandesgericht 4 U 61/13, 4 U 46/14) in Verbindung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, ebenfalls bereits zitiert, nicht festzustellen, dass mit der Inrechnungstellung der Nebenkostenpositionen für den Geschädigten eine erkennbare Überhöhung von Kosten einherging. Hier kann dem Geschädigten kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden, als den mit der Materie rechtlich befassten vorgenannten Entscheidungsträgern, die zu unterschiedlichen Bewertungen kommen.“
Und weiter AG Saarlouis mit Urteil vom 18.3.2015 – 26 C 419/14 (11) -.
„Zunächst einmal ist es ohne einen Kartell- oder monopolrechtlichen Prüfungsauftrag nicht Aufgabe der Gerichte, hinsichtlich der vertraglichen Preisabsprachen von Marktteilnehmern (hier zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen) für eine Vielzahl von Fällen verbindliche Vorgaben zur Honorarstruktur, zur Abrechnungshöhe und zur grundsätzlichen Höhe einzelner Abrechnungsunterpositionen zu machen, solange der Gesetzgeber den Gerichten hierfür keinen gesetzlichen Prüfungsspielraum eröffnet. Eine Preiskontrolle hat durch die Gerichte in der Regel nicht stattzufinden (vergleiche BGH NZV 2007, 455 = DS 2007, 144).“
„Dass das Verhältnis der Höhe des Grundhonorars zu der Höhe der abgerechneten Nebenkosten keine Veranlassung für Überlegungen zu einer wucherischen Überhöhung bietet, belegt ein Blick in die Entscheidung BGH VI ZR 225/13. Dort wurden Nebenkosten in Höhe von 73 % des Grundhonorars als üblich akzeptiert (Grundhonorar in Höhe von 260 € sowie Nebenkosten in Höhe von 189,20 €).“
„Allerdings ist das, was zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen als Honorar vereinbart wurde, nicht zwangsläufig mit dem gleichzusetzen, was nach Schadensersatzkriterien als der gemäß § 249 BGB zur Herstellung erforderliche Geldbetrag anzusehen ist. Insoweit verweist der Kläger jedoch zu Recht darauf, dass der Geschädigte seiner Darlegungs- und Beweislast zur erforderlichen Schadensersatzhöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensermittlung in Anspruch genommenen Sachverständigen genügt (vergleiche BGH VI ZR 357/13 Rn. 16; VI ZR 225/13 Rn. 8 und die oben zitierten Entscheidungen des saarländischen Oberlandesgerichtes und des Landgerichtes Saarbrücken).“
„Einem Laien bezogen auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung im November 2013 bessere Erkenntnismöglichkeiten als den Mitgliedern der zuständigen Fachgerichte zu unterstellen, ist aus der Sicht des erkennenden Gerichtes zurückhaltend formuliert lebensfremd.“
„Das bloße Nennen eines Betrages unter Negierung der tatsächlichen Marktverhältnisse und der einschlägigen Rechtsprechung zur Abrechnungsstruktur ist jedoch eine bereits vom Ansatz her verfehlte Vorgehensweise und stellt daher kein substantiiertes Bestreiten dar (vgl. z. B. Saarl. OLG 4 U 21/14).“
„Soweit die Beklagte und auch die Berufungskammer des Landgerichtes Saarbrücken zu einzelnen Nebenkostenpositionen niedrigere Einzelkostenansätze für marktüblich erachten und hieraus die Befugnis zur Rechnungskürzung ableiten, ist dies nach Auffassung des erkennenden Gerichtes im vorliegenden Fall weder mit Blick auf die Erforderlichkeit unter Einbeziehung einer subjektbezogenen Betrachtungsweise noch viel weniger im Falle einer unterstellten Kostenüberhöhung mit Blick auf ein von der Beklagten darzulegendes Mitverschulden gemäß § 264 BGB zu rechtfertigen. Bereits vom Ansatz her verfehlt ist es im Zusammenhang mit Prüfung der Erforderlichkeit der Schadensersatzhöhe, die Preisansätze einzelner Nebenkostenabrechnungsunterpositionen zu überprüfen, ohne zunächst einmal die Erforderlichkeit des Gesamthonorars zu prüfen. Denn zum einen ist die Festlegung der Preisstruktur Sache der Vertragsparteien und unterliegt in der Regel keiner Kontrolle durch die Gerichte, sondern alleine derjenigen des Marktes (vergleiche BGH an angegebenen Ort).“
Nach BGH VI ZR 357/13 Rn. 15 ist dem Geschädigten aber ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nur dann vorwerfbar, wenn er die Kostenhöhe überhaupt beeinflussen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass dies möglich ist, da Sachverständige in der Regel nicht über Einzelpositionen ihrer betriebswirtschaftlichen Gesamtkostenkalkulation und Gesamtkostenabrechnung verhandeln und dass die Höhe solcher Einzelpositionen in der Endabrechnung für den Laien bei Auftragserteilung absehbar wäre, da ein Laie meist keinerlei Vorstellungen von dem Gesamt- und noch viel weniger von dem Einzelkostenaufwand einer Begutachtung hat.“
L.B.
@ Dolle
Ist schon bedenklich, wenn sich ein LG nicht mehr an der Rechtsprechung des übergeordneten OLG richtet. Da kann man hinsichtlich der Freymann-Kammer schon ins Grübeln kommen, ob strafrechtliche Vorschriften (Rechtsbeugung) verletzt sind?
@RA.Pfalz
Das OLG ist der Berufungskammer nicht übergeordnet!
Über der Berufungskammer ist nur noch der blaue Himmel.
Anlaß für die Revisionszulassung für die Berufungskammer war in der 357/13 alleine der weitere Klageantrag zu den Prozesskostenzinsen.
Ri Freymann hatte hauptsächlich das interessiert.
Mit seiner Nebenkostenpauschalschätzung auf 100€ war er sich so sicher,dass er -eher gönnerhaft- die Revision insgesamt und nicht nur bezüglich der Prozesskostenzinsen zugelassen hat.
So ist es -fast schon zufällig- gelungen, die 100-€-Pauschale zu kippen.
Zitat Bert Berkensträter:“Man merkt unserem Recht das Alter an – es ist schon gebeugt.“
MfkG