Mit Entscheidung vom 31.05.2016 [3 C 647/15 (IV)] wurde die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung durch das Amtsgericht Aschersleben zum Ausgleich der außergerichtlich (willkürlich und rechtswidrig) durch die Versicherung gekürzten Sachverständigenkosten verurteilt. Geklagt hatte der Sachverständige aus abgetretenem Recht.
Offensichtlich wurde wieder alles bestritten einschl. der Aktivlegitimation des Sachverständigen. Im Prozess hatte die Beklagte u.a. auch auf die (geringeren) Sachverständigenkosten eines ortsansässigen Sachverständigen hingewiesen, der jedoch schon seit 10 Jahren gar nicht mehr tätig ist. Das Gericht hat sich jedoch nicht auf´s Glatteis führen lassen und sämtliche (faulen) Einwendungen der beklagten Versicherung bravourös pariert sowie folgerichtig den rechtmäßig zustehenden Schadensersatz ohne wenn und aber zugesprochen.
Von dieser Begründung könnte sich der eine oder andere Richter eine Scheibe davon abschneiden.
Amtsgericht Aschersleben
3 C 647/15 (IV) Verkündet am: 31.05.2016
In Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 111,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2015 und weitere 70,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Gutachterkosten gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB zu.
Die Beklagte hat diese bereits zu über 80 % an den Kläger erstattet. Dabei hat sie in ihrem Abrechnungsschreiben vom 01.06.2015 weder die Wirksamkeit der Abtretung noch die Aktivlegitimation des Klägers aus sonstigen Gründen in Abrede gestellt. Ihr steht es nun nicht mehr zu, die Wirksamkeit der Abtretung anzuzweifeln. So stellt die erfolgte Zahlung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis mit der Folge dar, dass die Beklagte mit allen Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen ist, die sie bei der Teilregulierung bereits kannte oder mit denen sie zumindest rechnen musste (BGH, NJW-RR 2004, 1475). Auch ist es rechtsunerheblich, insofern die Beklagte davon ausgeht, dass der Geschädigte die Gutachterkosten zwischenzeitlich vollständig beglichen habe. Wenn sie dies tatsächlich prozessual beachtlich behaupten wollte, hätte sie es bei dem Geschädigten erfragen, sodann substantiiert darlegen und unter Beweis stellen müssen. Dies ist nicht erfolgt.
Die Beklagte hat ihre Leistungskürzung mit Schreiben vom 01.06.2015 allein mit dem pauschalen Einwand begründet, dass die berechneten Kosten über dem Betrag liegen, der üblicherweise abgerechnet werde. Was jedoch üblicherweise abgerechnet wird, ist weder in diesem Schreiben noch in dem vorliegenden Rechtsstreit dargelegt worden. Sie wirft dem Geschädigten ein Auswahlverschulden mit der Begründung vor, dass der in Aschersleben ansässige Sachverständige … angeblich keine Kosten verlange, wie sie von dem Kläger geltend gemacht werden. Welche Kosten bei dem Sachverständigen …. jedoch entstehen oder sonst in Aschersleben und Umgebung üblich sind, wurde nicht vorgetragen. Diese Rechtsverteidigung ist rechtsunerheblich, aber auch nicht verwunderlich. Denn hätte die Beklagte sich der Mühe unterzogen, die bei dem Sachverständigen … entstehenden Kosten zu erfragen, wäre ihr sicherlich mitgeteilt worden, dass der Sachverständige bereits seit etwa 10 Jahren gar nicht mehr gutachterlich tätig ist. Dies sei jedoch lediglich am Rande und für die Entscheidung unerheblich angemerkt.
Wie die Beklagte weiß, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht zu einer Marktforschung nach einem preisgünstigen Sachverständigen verpflichtet. Er ist zudem auch nicht verpflichtet, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (OLG München, 10 U 579/15). Die zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten getroffene Vereinbarung ist für den Erstattungsanspruch gegenüber dem Schädiger maßgeblich (BGH, X ZR 122/05). Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind auch nicht ersichtlich überhöht. Ein Laie, der das Preisgefüge bei derartigen Kosten nicht kennt, kann nicht beurteilen, welche Sachverständigenkosten angemessen und welche Sachverständigenkosten schon deutlich überhöht sind.
Die zuerkannten Nebenansprüche folgen aus §§ 286, 288, 291 BGB. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.10.2015 ist die Beklagte in Verzug gesetzt worden. Dies war auch erforderlich. Eine endgültige Leistungsverweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist dem Schreiben der Beklagten vom 01.06.2015 nicht zu entnehmen gewesen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Ohne jedwedes Brimborium hat hier mal wieder ein qualifizierter Richter in der gebotenen Kürze Klartext gesprochen und ist nicht dem Überprüfungswahn anheim gefallen. Er hat sich durch die Fülle unqualifizierter und damit schadenersatzrechtlich nicht erheblichr Einwendungen auch nicht aufs Glatteis führen lassen.
Eigentlich sollte die Überprüfung der Einwendungen auf ihre Nichterheblichkeit immer ganz am Anfang solcher Prozesse stehen, in denen es um rechtswidrig gekürzte Gutachterkosten geht.
Olaf G.