AG Dortmund spricht dem Geschädigten nach Unfall in Dortmund die Kosten für die Schleppfahrt von der Unfallstelle zum Abstellplatz in Dortmund und von dort zum Sitz der Geschädigten nach Bochum in vollem Umfang zu (AG Dortmund Urteil vom 27.4.2016 – 433 C 6355/15 -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

nachfolgend stellen wir Euch heute hier ein Urteil aus Dortmund zu den Abschleppkosten und zu den Verbringungskosten nach Bochum vor, die die eintrittspflichtige Versicherung wieder einmal nicht zahlen wollte. Das Gericht hat sich jedoch nicht aufs Glatteis führen lassen. Allerdings spiegelt das Urteil des AG Dortmund leider wieder eine Sprunghaftigkeit zwischen § 249 Abs. 1 u. 2 und eine Überprüfung der Angemessenheit wieder, obwohl es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt, dessen Höhe sich aus den Abschleppkostenrechnungen für die Schleppfahrt von der Unfallstelle zum Abstellplatz und für die weitere Verbringungsfahrt vom Abstellplatz in Dortmund zum Sitz der Klägerin in Bochum zusammensetzt. Beide Schadenspositionen hätten daher über § 249 I BGB als konkrete Schadensabrechnung vorgenommen werden können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Schleppfahrt von der Unfallstelle auch im Interesse des Schädigers lag, um weitere Unfälle auf dem vielbefahrenen Westfalendamm (Bundesstraße 1) zu verhindern, denn das total beschädigte Fahrzeug der Klägerin bildete an der Unfallstelle in nicht mehr fahrbereitem Zustand ein Verkehrshindernis und damit eine Gefahrenquelle. Der Abschleppunternehmer ist daher als Erfüllungsgehilfe des Schädigers aufgetreten, denn der Schädiger hat dafür zu sorgen, dass die Unfallstelle alsbaldigst wieder sicher befahren werden kann. Mit seiner vorherigen unerlaubten Handlung (Unfall) hat er nämlich durch vorhergehendes Verhalten eine nicht verkehrssichere Situation geschaffen, die zu beseitigen seine Pflicht ist. Lest das Urteil des AG Dortmund und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.     

Viele Grüße
Willi Wacker

433 C 6355/15

Amtsgericht Dortmund

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kligerin,

gegen

Beklagte,

hat das Amtsgericht Dortmund
Im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
27.04.2016
durch den Richter am Amtsgericht K.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt an die Kligerin € 222,33 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Verbringung ihres Kraftfahrzeuges zur Firma W. und von dort nach Bochum gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG i.V.m. § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB.

Eine Ersatzpflicht besteht dann, wenn die angefallenen Kosten „erforderlich“ waren. Dabei sind nach der Rechtsprechung nur solche Kosten erforderlich, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2011, 1947; NJW 2010, 2569). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die Kosten für die erste Verbringung waren erforderlich i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB. Die gängige Rechtsprechung (OLG Köln, Urteil vom 19. Juni 1991 – 2 U 1/91 -, juris, AG Ratingen, Urteil vom 29. November 2013 – 9 C 292/13 – juris Rn.6), die nur vorsieht, dass Kosten nur für die Abschleppmaßnahme zu einer Werkstatt vom Schädiger getragen werden müssen, ist vorliegend nicht übertragbar. Eine Abschleppmaßnahme zu einer Reparaturwerkstatt wäre gerade nicht praktikabel und erforderlich gem. § 249 Abs. 2 BGB, da das Fahrzeug einen Totalschaden bei dem Unfall erlitten hat und somit eine Naturalherstellung nicht möglich gewesen ist.

Die gefahrenabwehrende Abschleppmaßnahme war ferner erforderlich, um auf einer vielbefahrenen Straße wie dem Westfalendamm eine weitere Kollision zu vermeiden. Die Einleitung einer Abschleppmaßnabme entsprach daher auch der Schadenminderungspflicht der Klägerin gemäß § 254 Abs. 2 BGB, denn die Beklagte wäre auch für weitere Auffahrschäden an anderen Autos verantwortlich gewesen.

Die Kostenhöhe ist femer nicht zu beanstanden. Die Schadenshöhe kann grundsätzlich durch das Gericht geschätzt werden, § 287 ZPO. Neben den Tabellen basierend auf Umfragen des Verbandes der Bergungs- und Abschleppunternehmen (im Folgenden VBA abgekürzt), auf welche bei der Schätzung zurückgegriffen werden kann, sind auch Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, denen pauschale Tabellen nicht gerecht werden können. Maßgeblich sind solche Gegebenheiten des Einzelfalles, die Abweichungen des Preises nach oben oder unten zu lassen (BGH. Urteil vom 04. April 2006 – X ZR 122/05 – juris Rn.10, BGH, Urteil vom 10. Oktober 2006 – X ZR 42/06 – juris Rn. 8). So war aufgrund der Umstände zur Gefahrenabwehr im Interesse der Beklagten zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. BGB das schnellstmögliche Handeln geboten, um auf der vielbefahrenen Straße zu Hauptverkehrszeiten weitere Unfälle oder Behinderungen zu verhindern. Hinzu kommt, dass vorliegend die Polizei das Abschleppunternehmen kontaktierte und beauftragte. Eine Abwägung oder ein Vergleich mit Kosten anderer ortsansässiger Abschleppunternehmen war von der Klägerin wegen der gebotenen effizienten Gefahrenabwehr im Interesse der Beklagten nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Abschleppkosten im Fall möglicherweise leicht höher ausgefallen sind als durchschnittliche Abschleppkosten.

Die Klägerin hat femer einen Anspruch auf die Verbringungskosten für eine Fahrt nach Bochum.
Denn diese Fahrt war ebenfalls erforderlich, insbesondere unter Schadensminderungsgesichtspunkten. Bei der Firma W. fielen Standgelder in Höhe von € 10,00 pro Tag an. Zwischen der Abholung am 22.04.2015 und dem Eingang des Restwertangebotes am 19.05.2015 liegen bereits 27 Kalendertage. Daraus folgt, dass die Verbringung nach Bochum zum Sitz der Klägerin, wo keine Standgebühren anfielen, schadensmindernd geboten war.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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