Mit Urteil vom 20.09.2017 (921 C 150/17) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg die HUK-Coburg zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkoste in Höhe von 84,41 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Urteil wurde erstritten von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Urteilsgründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz aus §§ 7 StVG, 115 VVG, 249, 398, 823 BGB.
Die Haftung aus dem Verkehrsunfall vom 09.02.2017 ist dem Grunde nach unstreitig, die Parteien streiten allein um die Höhe der Sachverständigenkosten. Die Sachverständigenkosten sind generell erstattungsfähig, der Geschädigte kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947 m.w.N).
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er macht Ansprüche geltend, die die Geschädigte Meral Cakar mit Abtretungsvereinbarung vom xx.xx.2017 wirksam an den Kläger abgetreten hat (Anlage K 1).
Die Geschädigte hat dem Kläger einen Auftrag mit konkreter Honorarvereinbarung erteilt (Anlage K 1). Das Grundhonorar ist bestimmt und lässt sich anhand der Tabelle ermitteln. In der Klage rechnet der Kläger das Grundhonorar und die Nebenkosten (Fotokosten, Schreibkosten, Kommunikationspauschale, Portokosten und Restwertanfrage) entsprechend der Vereinbarung ab. Für die Frage der Erstattungspflicht dieser Positionen kommt es darauf an, ob das Entgelt „deutlich erkennbar“ (vgl. BGH, a.a.O., 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (vgl. BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt.
Danach ist das geforderte Entgelt erstattungsfähig. Die ortsübliche Vergütung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO nach dem Mittelwert des Korridor V der BVSK Honorarbefragung 2015.
Die Vergütung nach der BVSK-Honorarbefragung bemisst sich aus einer Grundgebühr und Nebenkosten. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch die Abrechnung einer Pauschale für Nebenkosten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der geltend gemachten Positionen überschreitet die nach dem Mittelwert des Korridor V der BVSK-Befragung 2015 geschätzte ortsübliche Vergütung nicht erkennbar für einen Laien. Dabei ist nicht auf die Einzelpositionen abzustellen, sondern eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die sich am Rechnungsendbetrag orientiert. Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 26. April 2016, Az. VI ZR 50/15, zitiert bei juris, die Schadensschätzung des Tatrichters auf Ermessensfehlgebrauch zu überprüfen. Die Frage, ob im Rahmen der Schadensschätzung eine Gesamtbetrachtung erfolgen kann, hatte der Bundesgerichtshof nicht zu entscheiden.
Die beanstandeten Fotokosten waren vereinbart und führen – wie oben erläutert – im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu einer erkennbaren erheblichen Überhöhung der üblichen Preise. Der Einwand der Beklagten, dass nicht alle Bilder notwendig seien, um die Beschädigung ausreichend zu dokumentieren, verfängt nicht. Zur Begutachtung des unfallbedingten Schadens kann auch die Dokumentation von nicht beschädigten Fahrzeugteile erforderlich sein. Zudem können Fotos gleicher Fahrzeugbereiche unter Verwendung anderer Entfernungenwinkel erforderlich sein, um den Schaden zu dokumentieren.
Hinsichtlich der Schreibkosten verfängt der Einwand der Beklagten nicht, das Gutachten habe nur 12 Seiten. Das als Anlage K 6 vorliegende Gutachten hat vielmehr 17 Textseiten, danach sind Fotos angefügt. Eine doppelte Berechung erfolgt mithin nicht.
Die beanstandete Kommunikationspauschale, die Portokosten und die Restwertanfrage waren vereinbart und führen nicht zu einer erkennbaren erheblichen Überhöhung der üblichen Preise.
Soweit die Beklagte auf eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.06.2017 – Az. VII ZR 95/16 – verweist, so besteht diese Aufklärungspflicht nur bei einer Vergütungsvereinbarung, die deutlich über dem üblichen Honorar liegt. Dies liegt hier gerade nicht vor.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-St. Georg.
„Soweit die Beklagte auf eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.06.2017 – Az. VII ZR 95/16 – verweist, so besteht diese Aufklärungspflicht nur bei einer Vergütungsvereinbarung, die deutlich über dem üblichen Honorar liegt. Dies liegt hier gerade nicht vor.“
Da setzt die HUK-Coburg Versicherung wohl auf das falsche Pferd, denn die IX. Zivilkammer des BGH hat die Maßstäbe für eine eine solche Maßnahme durch den hier schon mehrfach angesprochenen Beschluss deutlich in eine Region verlagert, die so gut wie nie die hier abgreifbaren Relationen betrifft. Unabhängig davon sind allenfalls erhebliche Honorarbandbreiten feststellbar. Vielmehr sollten „angepasste“ Honorare viel eher ein gesundes Misstrauen der Gerichte erwecken und den Hintergrund der rechtswidrigen Versuche einer Schadenersatzkürzung sorgfältig auf den Grund gehen. Es kann nicht sein, dass den Gerichten hier massiv eine vermeintliche Aufgabe zur Erledigung angedient wird, die allenfalls vom Gesetzgeber wahrgenommen werden könnte und so ist auch der „Brückenschlag“ zum Justizvergütungsgesetz einzuordnen. Nahezu jeder Insider weiß jedoch, dass weder das Honorartableau der HUK-Coburg-Versicherung noch die unterschiedlich ausgestalteten Honorartableaus anderer Versicherungen und auch nicht die Honorarumfragen von Berufsverbänden der Kfz.-Sachverständigen geeignet sind, die Höhe des Schadenersatzes für entstandenen Gutachterkosten festzuschreiben, denn verkehrsfähige und vor allen Dingen unabhängige Beweissicherungsgutachten sind kein Einheitsprodukt, wie jedes Gericht aus eigener Erfahrung wissen dürfte.
HR