Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
wir bleiben in Baden-Württemberg. Nachfolgend stellen wir Euch heute ein Urteil des AG Bruchsal vom 26.10.2017 vor. Es geht wieder um Sachverständigenkosten, die die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung – trotz einhundertprozentiger Haftung – nicht in vollem Umfang ersetzen wollte. In diesem Fall war es die HUK-COBURG, die nicht bereit war, vorgerichtlich vollständigen Schadsensersatz zu leisten. Folgerichtig wurde der bei der HUK-COBURG versicherte Unfallverursacher persönlich verklagt. Entgegen mehrerer Urteile der Berufungskammer des LG Karlsruhe (die wir vor kurzem veröffentlicht hatten) kürzt das erkennende Gericht centgenau die Nebenkosten um 9,86 € netto und legt dem klagenden Sachverständigen damit 1/4 der Verfahrenskosten auf. Das Urteil ist total verfehlt, wenn das erkennende Gericht im Schadensersatzprozess überhaupt eine Preiskontrolle durchführt, obwohl der BGH eine solche untersagt hat, sofern der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat. Das hat der Geschädigte getan, als er zur beweissichernden Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzugezogen hatte (vgl. BGH VI ZR 67/06 Rn. 13). Zum weiteren nimmt das Gericht eine Schadenshöhenschätzung der branchenüblichen Vergütung vor, obwohl es im Schadensersatzprozess nicht um werkvertragliche Zahlungspflichten geht. Wenn das Gericht an Stelle des – zutreffenderen – § 249 I BGB den § 249 II 1 BGB zugrunde legt, dann hätte es auf die Erforderlichkeit abstellen müssen. Durch die Abtretung des Schadensersatzanspruchs an den Sachverständigen verändert sich der Inhalt der der Abtretung zugrundeliegenden Forderung nicht ( BGH VI ZR 491/15 Rn. 22). Auch nach der Abtretung bleibt die abgetretene Forderung eine Schadensersatzforderung. Bei so vielen Fehlern hatte der Kläger – zu Recht – eine Gehörsrüge eingelegt. Eine Reaktion des Gerichts steht noch aus. Unter dem Urteil haben wir noch die dem Urteil vorausgegangene Verfügung angefügt. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 509/16
Amtsgericht Bruchsal
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagter –
wegen Schadensersatzes aus Unfall/Vorfall
hat das Amtsgericht Bruchsal durch die Richterin H… am 26.10.2017 aufgrund des Sachstands vom 25.10.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2014 sowie 3,00 € Mahngebühren zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 47,78 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
1) Dem Kläger steht wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehens vom 02.08.2013 aus abgetretenem Recht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes gem. §§ 7, 18 StVG in der zugesprochenen Höhe zu.
Zwischen den Parteien war lediglich die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten A. L. hinsichtlich der geltend gemachten Sachverständigenkosten (siehe Rechnung des Klägers vom 07.08.2013, Anlage K1, AS. 41) streitig.
a) Der Geschädigte hat seine Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Gutachterkosten wirksam an den Kläger abgetreten (siehe Anlage K2, AS. 43).
b) Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Mit der Zustellung des Mahnbescheids am 19.03.2014 wurde die Verjährung gehemmt. Die Hemmung dauerte bis sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung, dem Eingang des Widerspruchs am 24.03.2014, an. Die Verjährung wäre daher erst Anfang Juli 2017 eingetreten, die Klage wurde bereits am 26.05.2017 zugestellt.
c) Es wurde nicht vorgetragen, dass der Geschädigte eine Honorarvereinbarung mit dem Kläger getroffen hat. Die gem. § 632 Abs. 2 BGB geschuldete Vergütung ist daher gem. § 287 ZPO zu schätzen. Für die Bestimmung des branchenüblichen Honorars legt das Gericht der Rechtsprechung des LG Karlsruhe folgend die BVSK-Honorarbefragungen zu Grunde (siehe LG Karlsruhe, Urteil vom 31.08.2016, Az. 20 S 18/16). Maßgeblich ist vorliegend die BVSK-Honorarbefragung 2013.
d) Daraus ergeben sich folgende Abzüge in Bezug auf die Rechnung des Klägers:
Die Fotokostenpauschale von 24,00 € liegt 2,66 € über der Obergrenze von 21,34 €. Die Fahrtkostenpauschale von 28,80 € liegt 2,07 € über der Obergrenze von 26,73 €. An Schreibkcsten inklusive Porto und Telefon können pauschal bis zu 29,87 € abgerechnet werden, hier waren es mit insgesamt 35,00 € 5,13 € zu viel. Die Rechnung ist damit 9,86 € netto und 11,73 € brutto zu hoch. Um diesen Betrag wurde die Hauptforderung in Höhe von 47,78 € reduziert.
Dass der Kläger tatsächlich seine Nebenkosten nach Aufwand und nicht als Pauschalen berechnet haben will, wie nun erstmals mit Schriftsatz vom 23.10.2017 vorgetragen wird, geht aus der Rechnung in keiner Weise hervor und kann daher für die Frage der Höhe des angemessenen Honorars nicht berücksichtigt werden.
e) Das Grundhonorar liegt innerhalb des HB V Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2013 und ist daher nicht zu beanstanden.
2) Der Anspruch auf die Nebenforderungen besteht gem. §§ 286, 288 BGB. Der Anfall der Mahngebühren in Höhe von 3,00 € wurde schlüssig vorgetragen. Die beantragten 2,00 € Kosten für Vordruck/Porto sind bereits von den Verfahrenskosten des Mahnverfahrens umfasst und können daher keine eigenständige Nebenforderung darstellen. In Bezug auf die Mahngebühren wurden die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen sind vorgetragen.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO.
4) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Amtsgericht Bruchsal Bruchsal, 04.10.2017
3 C 509/16
Verfügung
In Sachen
…/…
wg. Schadensersatzes aus Unfall/Vorfall
Das Gericht schlägt den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO folgenden Vergleich vor:
1. Der Beklagte zahlt an den Kläger 36,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2014.
2. Damit sind sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche abgegolten.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.
Beide Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25.10.2017.
Der Vergleichsvorschlag beruht auf folgender vorläufiger rechtlicher Würdigung:
1. Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Mit der Zustellung des Mahnbescheids am 19.03.2014 wurde die Verjährung gehemmt. Die Hemmung dauerte bis sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung, dem Eingang des Widerspruchs am 24.03.2014, an. Die Verjährung wäre daher erst Anfang Juli 2017 eingetreten.
2. Es wurde nicht vorgetragen, dass der Geschädigte eine Honorarvereinbarung mit dem Kläger getroffen hat. Die gem. § 632 Abs. 2 BGB geschuldete Vergütung ist daher gem. § 287 ZPO zu schätzen. Hierfür legt das Gericht entsprechend der Rechtsprechung des Landgerichts Karlsruhe die BVSK-Honorarbefragung zu Grunde. Nach hier zu Grunde zu legenden Befragung von 2013 liegt das Grundhonorar von 330,00 € im Bereich des HB-V-Korridors (317,00 € bis 352,00 €). Die Fotokostenpauschale von 24,00 € liegt 2,66 € über der Obergrenze von 21,34 €. Die Fahrtkostenpauschale von 28,80 € liegt 2,07 € über der Obergrenze von 26,73 €. An Schreibkosten inklusive Porto und Telefon können pauschal bis zu 29,87 € abgerechnet werden, hier waren es mit insgesamt 35,00 € 5,13 € zu viel. Die Rechnung ist damit 9,86 € netto und 11,73 € brutto zu hoch. Um diesen Betrag wurde die Klageforderung (47,78 € wie im Mahnbescheid und in der Klageschrift abweichend vom Klageantrag angegeben) für den Vergleichsvorschlag reduziert.
H.
Richterin
So geht es aus, wenn der gesunde Menschenverstand in den Hintergrund rückt und Grundsätze des Schadenersatzrechts unberücksichtigt bleiben.
Knut B.
Hallo Willi,
ist also n u r dann zu schätzen, wenn keine rechtsgültige Honorarvereinbarung vorliegt? Wenn dem so ist, dann würde dies auf eine Unzahl von Fehlurteilen schließen lassen, die auch hier in NRW ergangen sind und immer noch im Namen des Volkes ergehen bis auf Landgerichtsebene mit einer vom BGH nicht zugestandenen Überprüfung der Rechnungshöhe und Vernachlässigung der Tatsache, dass die Sachverständigen nicht Erfüllungsgehilfen der Geschädigten sind. Dennoch zu schätzen unter Berücksichtigung von……. zu Lasten der Geschädigten ist also reiner Mummenschanz.
Freddy
„Für die Bestimmung des branchenüblichen Honorars legt das Gericht der Rechtsprechung des LG Karlsruhe folgend die BVSK-Honorarbefragungen zu Grunde (siehe LG Karlsruhe, Urteil vom 31.08.2016, Az. 20 S 18/16).“
Nach der BGH-Definition lässt sich ein branchenübliches Honorar nicht feststellen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass sich das Gericht mit der Übertprüfung der Honorarhöhe befasst, weil Einwendungen hiergegen schadenersatzrechtlich unerheblich sind. Das Gerich hat jedoch die Aufgabe, alle beurteilungsrelevanten Randbedingungen bezüglich der Schadenersatzverpflichtung zu überprüfen und zwar auf Basis der Erforderlichkeit sowie unter Berücksichtigung einer Haftung von 100 % und mit Einbindung des § 249 S.1 BGB.
Das zur Wiederherstellung Erforderliche wahrt der Geschädigte grundsätzlich dann, wenn er einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen zur beweissichernden Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe beauftragt, wobei der Sachverständige sogar der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283).
Der erforderliche Geldbetrag liegt aber bereits mit der Rechnung fest, da die Rechnung eine Belastung mit der Zahlungsverpflichtung in Höhe des Rechnungsbetrages darstellt und diese Belastung bereits nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen ersatzfähigen Schaden darstellt (vgl. Offenloch ZfS 2016, 244, 245 Fußn. 9 m. w. N.).
Bei der konkreten Schadensabrechnung nach § 249 I BGB bedarf es jedoch keiner Schadenshöhenschätzung, da der über § 249 I BGB auszugleichende Vermögensnachteil bereits bei dem Geschädigten eingetreten ist durch die Rechnungsstellung bzw. die Preisvereinbarung. Denn mit der Rechnung ist der Geschädigte mit einer Zahlungsverpflichtung belastet. Diese Zahlungsverpflichtung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als ein zu ersetzender Schaden anerkannt (BAG NJW 2009, 2616 Rn. 18; BGH NJW 2007, 1809 Rn. 20; BGH NJW 2005, 1112, 1113; BGH NJW 1986, 581, 582; BGH BGHZ 59, 148, 149 f.; Offenloch ZfS 2016, 244 Rn. 2).
Sofern der Sachverständige – auch bei der Berechnung seiner Kosten – Fehler macht, ohne dass ein Auswahlverschulden des Geschädigten vorliegt, so gehen diese Fehler zu Lasten des Schädigers. Werkvertragliche Überprüfungen der Angemessenheit haben damit im Schadensersatzprozess nichts zu suchen.
Olaf Berger
Ich habe eine Verständnisfrage… zum einen erkennt die Rechtsprechung die BVSK Befragung 2013 nicht an wegen der Unschärfe der Nebenkosten und eventuell enthaltenen Gewinnanteilen und zum anderen wird diese hier als Grundlage genommen um 9,xx zu streichen und dem Sachverständigen dann noch einen Teil der Verfahrenskosten überzubügeln?
Vielleicht kann das ein Jurakundiger einmal genauer erklären, mir ist das nämlich schlicht zu hoch…
@ Freddy
Ja, so sehe ich das. Aber der VI. Zivilsenat des BGH sieht das anders. In dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – lag eine Preisvereinbarung vor. Gleichwohl hat der BGH, obwohl er in Randnummer 11 anführt, dass die Sachverständigenkosten auch zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, diese nach § 249 II 1 BGB beurteilt und eine Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO vorgenommen (Rdnr. 13) und obwohl er erklärt, dass weder Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt (auch Rdnr. 13), eine solche im Rahmen des § 287 ZPO vorgenommen. Die untersagte Preiskontrolle gilt auch für die Höhe der Sachverständigenkosten. Sag da mal einer, die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH sei logisch! Ich finde das nicht.
Angesichts von bekannten Honorarbandbreiten von ca.40 % sind die hier angestellten Überlegungen – mit Verlaub bemerkt – wirklichkeitsfremd und die Handhabung, eine Honorarbefragung wie eine Gebührenordnung anzuwenden, spricht für sich. Ein Gericht hat in Verfahren dieser Art keinen „gerechten“ Preis ,und das auch noch aus einer subjektiven ex post Betrachtung, zu bestimmen. Das hat der BGH ausdrücklich und aus guten Gründen quasi verboten.
Conny J.
In Bruchsal darf man nicht im schriftlichen Verfahren entscheiden lassen, das weiß man…
Es gab ein Urteil (müsste auch hier im Blog sein), da hat der Sachverständige mit seinem Rechtsanwalt die Berufung gegen ein Urteil mit Streitwert um die 5 Euro durchgesetzt.
Das Berufungsurteil des LG Karlsruhe ist auch hier im Blog veröffentlicht.
Viele Grüße
Kai
@A.Oberländer
Antwort:
Doofer Richter?