AG Leipzig verurteilt im Schadensersatzprozess die HUK-COBURG Allg. Vers. AG mit Urteil vom 31.8.2017 – 110 C 3395/17 – im Ergebnis zwar richtig, aber in der Begründung fehlerhaft, zur Zahlung der von ihr vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch ein Urteil aus Leipzig in einem Schadensersatzprozess vor um die von dem Versicherer des Schädigers gekürzten Sachverständigenkosten. In diesem Fall war es wieder die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten kürzte, die der Geschädigte aufwenden musste, damit die Höhe und der Umfang des Schadens festgestellt werden konnte. Damit handelt es sich bei den konkret berechneten Sachverständigenkosten um einen unmittelbar mit dem Unfallschaden verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteil, da die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH VI ZR 67/06 Rn. 11). Das erkennende Gericht hat im Ergebnis zwar richtig entschieden, in der Begründung jedoch teilweise wieder fehlerhaft. Denn das erkennende Gericht prüft die Kosten der sachverständigen Begutachtung nach werkvertraglichen Gesichtspunkten auf der Grundlage des JVEG – und dann noch unter Verweis auf BGH VI ZR 50/15 – obwohl es bei der Entscheidung BGH VI ZR 50/15 um einen Fall ging, bei dem die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Sachverständigenkosten gemäß § 364 BGB an Erfüllungs Statt abgetreten war. Im zu entscheidenden Fall hatte jedoch der Geschädigte selbst (ohne Abtretung!) eine bezahlte Rechnung (!) als Schadensersatz eingeklagt. Das Gericht hätte daher die BGH-Entscheidung VI ZR 225/13 seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Aber das Gericht hat sich – bedauerlicherweise – durch die an unzutreffende BGH-Entscheidungen anknüpfenden Schriftsätzen der Anwälte der HUK-COBURG verleiten lassen, was allerdings nicht zu entschuldigen ist. Auch die Entscheidung des BGH VI ZR 67/06 Rn. 21 hätte in Bezug auf die Prüfung der Bestimmungen des JVEG berücksichtigt werden müssen. Denn der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Zu diesen Verfahren gehören die Begutachtungen der Privatgutachter eindeutig nicht, was durch einen Blick in § 1 JVEG leicht festgestellt werden kann. Trotz der Ungereimtheiten in der Begründung ist die beklagte HUK-COBURG Allg. Vers. AG zu Recht zur Zahlung des restlichen Schadensersatzes verurteilt worden. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 110 C 3395/17

Verkündet am: 31.08.2017

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolf Weiler

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2017 am 21.09.2017

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 67,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2016 zu zahlen.

2.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 67,74 € gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 VVG, § 249 ff. BGB.

Die 100-prozentige Eintrittspflicht der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 14.01.2016 ist zwischen den Parteien unstreitig.
Von den Gutachterkosten ist Höhe von 525,74 € hat die Beklagte nur 458,00 € gezahlt, so dass noch 67,74 € offen sind.

Der Schädiger hat die Kosten eines Sachverständigengutachtens dann zu ersetzen, soweit dies zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadenersatzforderungen zu ermöglichen.

Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine, an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars, dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist. Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten sein Honorar auf einer solchen Bemessungsgrundlage bestimmt, überschreitet daher die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraumes nicht (BGH, NJW 2006, Seite 2472 ff. (2474)); BGH, NJW 2007, Seite 1450 ff. (1452)).

Hier hat der Kläger den Restbetrag in Höhe von 67,74 € an das Kfz-Sachverständigenbüro zahlt. Die Höhe der vom Sachverständigenbüro erstellten Rechnung ist ein Indiz für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten, wenn der Geschädigte die Rechnung ausgleicht (BGH, NJW 2016, Seite 3092 ff. (3094)). Nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern der allein vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegende getroffene Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet ein Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne der §§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, NJW 2016, Seite 3092 ff. (3094)). Irrelevant ist der Einwand der Beklagten, dass der Kläger nicht die volle Rechnung beglichen habe, sondern lediglich 67,74 € und den weitüberwiegenden Teil die Beklagte gezahlt hätte. In der Praxis wird die Rechnung der Sachverständigen trotz eines eigenständigen Werkvertrages mit dem Geschädigten an die Haftpflichtversicherer übersandt, die dann die Sachverständigenkosten ganz oder zum Teil ausgleichen.
Insofern geht der Einwand der Beklagten an der Realität vorbei, dass der Geschädigte sich nur dann auf die Rechnung als Indiz für die erforderlichen Reparaturkosten berufen kann, wenn er seinerseits die Rechnung in vollem Umfang ausgleicht.

Unabhängig davon gibt es aber auch keine Anhaltspunkte, dass die Rechnung des Sachverständigenbüros … überhöht ist.

Als Schätzgrundlage der Nebenkosten können die Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe herangezogen werden (BGH, NJW 2016, Seite 3092 ff. (3095)). Die in der Vergangenheit ganz überwiegend herangezogene Schätzgrundlage der BVSK-Honorarbefragung kann ab dem Juli 2015 keine Schätzgrundlage mehr für die Nebenkosten sein. Denn die BVSK-Honorarbefragung 2015 beschränkt nunmehr die Honorarbefragung auf die sogenannten Grundhonorare. Eine Nebenkostenbefragung findet nicht mehr statt. Vielmehr sind die Nebenkosten in der BVSK-Honorarbefragung nunmehr fest vorgegeben.

Somit sind auf der Grundlage der JVEG die Nebenkosten des Sachverständigenbüros nicht überhöht. Verlangt werden können Fahrtkosten von 0,70 €/km, wobei hier nicht das JVEG herangezogen wird, sondern die ADAC-Autokostentabelle, da das JVEG nicht die tatsächlichen Kosten, sondern nur die steuerlich absetzbaren Kosten nennt, Druck mit Schreibkosten in Höhe von 1,40 €/Seite, Kopierkosten ohne Schreibkosten 0,50 €, Fotokosten 2,00 €, 2. und 3. Fotosatz 0,50 €, Porto/Versand/Telefon 15,00 € Pauschale. Lediglich bei den Schreibarbeiten hat das Kfz-Sachverständigenbüro … nicht 1,40 € pro Seite angesetzt, sondern 2,20 €/Seite. Dies macht nur einen Betrag in Höhe von 7,20 € aus. Dafür ist das Sachverständigenbüro dann bei den Porto- und Telefonkosten mit 10,00 € 5,00 € unter der Pauschale des JVEG geblieben. In der Gesamtschau sind daher die Nebenkosten insgesamt nicht überhöht.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 BGB.

Der Hilfsantrag der Beklagten, eine Verurteilung zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche des Klägers gegen das Sachverständigenbüro … im Zusammenhang mit der Honorarrechnung vom 15.01.2016 auszusprechen ist unbegründet. Diese hätte allenfalls dann nur Erfolg haben können, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Sachverständigenrechnung überhöht ist. Dies ist aber nicht der Fall. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen.

Die Rechtslage hat weder grundsätzliche Bedeutung noch würde eine Zulassung der Berufung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen. Dies insbesondere deswegen nicht, weil das hiesige Urteil auch nicht von der Rechtsprechung des BGH (beispielsweise NJW 2016, Seite 3092 ff.) abweicht.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Iven Hanske sagt:

    Da wird wohl eine neue Sau durch das Dorf getrieben: „Irrelevant ist der Einwand der Beklagten, dass der Kläger nicht die volle Rechnung beglichen habe, sondern lediglich 67,74 € und den weitüberwiegenden Teil die Beklagte gezahlt hätte. In der Praxis wird die Rechnung der Sachverständigen trotz eines eigenständigen Werkvertrages mit dem Geschädigten an die Haftpflichtversicherer übersandt, die dann die Sachverständigenkosten ganz oder zum Teil ausgleichen.
    Insofern geht der Einwand der Beklagten an der Realität vorbei, dass der Geschädigte sich nur dann auf die Rechnung als Indiz für die erforderlichen Reparaturkosten berufen kann, wenn er seinerseits die Rechnung in vollem Umfang ausgleicht.“

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