AG Cham verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der außergerichtlich durch die HUK gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.07.2016 (1 C 518/16)

Mit Entscheidung vom 27.07.2016 (1 C 518/16) wurde die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. durch das Amtsgericht Cham zur Erstattung außergerichtlich durch die HUK gekürzter Kfz-Sachverständigenkosten verurteilt. Der rechtswidrig gekürzte Schadensersatz wurde durch den Sachverständigen aus abgetretenem Recht eingeklagt. Das Urteil ist im Ergebnis zwar richtig, in der Begründung jedoch – unter Betrachtung schadensersatzrechtlicher Grundsätze – katastrophal. Das Gericht bemisst die übliche „Erstattungsfähigkeit“ der Sachverständigenkosten an der BVSK-Honoarbefragung 2015 (HB III) und untergräbt die freie Marktwirtschaft durch willkürlich aufgestellte Grundsätze (Limitierung). Das Ganze geschieht dann noch unter dem Deckmantel des § 287 ZPO, der jedoch – nach eindeutiger BGH-Rechtsprechung – zu Gunsten des Klägers anzuwenden ist. Des weiteren hält das Gericht nur eine Gutachtenkopie für erstattungsfähig. Demzufolge müssten sich der Geschädigte und sein Anwalt eine Kopie wohl teilen, nachdem in der Regel der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung das Originalgutachten zur Regulierung vorgelegt wird? Angemessenheitsurteile wie diese sind leider keine Seltenheit und unterminieren das Schadensersatzrecht. Wie es besser und vor allem rechtsfehlerfrei geht, zeigt z.B. das Urteil aus Cuxhaven oder die Entscheidung aus Leipzig.

Amtsgericht Cham

Az.: 1 C 518/16

IM NAMEN DES VOLKES

In den Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertreten durch d. Vorstand, Halderstr. 23, 86150 Augsburg

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Cham durch den Richter am Amtsgericht C. am 27.07.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den kläger 103,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 6.7.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche, nicht anrechenbare Kosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird auf 103,79 € festgesetzt.

Tatbestand

(entfällt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet.

1.
Der Kläger, an dessen Aktivlegitimation das Gericht in Anbetracht der klägerseits vorgelegten Atretungserklärung auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keinerlei Anlass zu zweifeln hat, hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 249 ff., 398 BGB einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz in geltend gemachter Höhe von 103,79 €.

a)
Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

b)
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2007, 1450) ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalles im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen, soweit ein solches zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Hierbei ist der Geschadigte grundsätzlich zu keiner Erforschung des ihm zugänglichen Markes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB umfasst somit grundsatzlich auch die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten als Kosten der Schadensfeststellung.

c)
Die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten ist dabei im Zweifel anhand der üblichen Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB durch gerichtliche Schätzung gemäß § 287 ZPO zu bestimmen. Im Rahmen dieser Schätzung greift das Gericht auf die BVSK-Honorarbefragung 2015 zurück. Diese ist allerdings nur insoweit als geeignete Schätzgrundlage anzusehen, als sich die dort ausgewiesenen Grundhonorare und Nebenkosten im Rahmen des Marktüblichen halten. Dem entspricht die Heranziehung der jeweiligen HB III-Werte vollumfänglich. Hierfür spricht insbesondere die Tatsache, dass 95 % der befragten Sachverständigen unterhalb des HB III-Wertes abrechnen. Mithin kann es sich bei den 5 % der Sachverständigen, die darüber abgerechnet haben jeweils nur um (nicht repräsentative) „Ausreißer“ nach oben hinsichtlich des Marktniveaus handeln. Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass der HB III-Wert, der im Übrigen auch deutlich über dem Mittelwert aus den beiden Grenzwerten des HB V-Honorarkorridors liegt, die Grenze der erstattungsfähigen Kosten widerspiegelt.

d)
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze und Ausführungen errechnen sich die erstattungsfähigen Sachverständigenkosten im hier zu entscheidenden Fall entsprechend der BVSK-Honorarbefragung 2015, welche zum Zeitpunkt der Auftragserteilung Gültigkeit hatte, wie folgt:

Grundhonorar (bei einer Nettoschadenshöhe
inkl. Wertminderung in Höhe von 2.889,60 €):     481,00 €

Fahrtkosten (20 km x 0,70 €):                                14,00 €

Fotokosten (18 x 2,00 €):                                      36,00 €

Schreibkosten Originale (13 x 1,80 €):                   23,40 €

Schreibkosten Kopie (13 x 0,50 €):                          6,50 €

+ Porto/Telefon (pauschal):                                    15,00 €

Gesamtbetrag netto:                                           575,90 €

+ 19% MwSt:                                                       109,42 €

Gesamtbetrag brutto:                                          685,32 €

e)
Rechnet ein Sachverständiger dabei in Summe unterhalb der Obergrenze der entsprechenden HB III-Werte ab, so ist nach Auffassung des Gerichts bereits unter dem Gesichstpunkt der Schadensminderungspflicht dieser (niedrigere) Wert, vorliegend mithin ein Betrag in Höhe von 674,79 €, maßgeblich. Abzüglich der beklagtenseits bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 571,00 € verbleibt somit ein weiterer Anspruch der Klagepartei in geltend gemachter Höhe von 103,79 €. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Gericht die Anfertigung lediglich eines Duplikats grundsätzlich für ausreichend erachtet und im Übrigen das pauschale Bestreiten einzelner Positionen seitens der Beklagtenpartei in Anbetracht des Subbstantiierheitsgrades des klägerischen Vortrages unter Gutachtensvorlage nicht genügen lässt.

2.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) gründet sich unter dem gesichtspunkt des Zahlungsverzuges auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

3.
a)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

b)
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

4.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

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5 Antworten zu AG Cham verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der außergerichtlich durch die HUK gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.07.2016 (1 C 518/16)

  1. Schinderhannes sagt:

    Nicht im Thema!
    Schinderhannes

  2. Schuster bleib bei deinen Leisten sagt:

    „Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Gericht die Anfertigung lediglich eines Duplikats grundsätzlich für ausreichend erachtet ….“

    Liebes Gericht in Person des Richters, Sie sind nicht Auftragnehmer für die Erstellung von Kfz-Schadengutachten. Demzufolge schulden Sie auch keine Leistung. Daher kommt es – insbesondere vor dem Hintergrund des Urheberrechtes und Urheberschutzes sowie mangelnder technischer Qualifikation ihrerseits – nicht darauf an, was Sie für „lediglich ergänzend“ ausreichend erachten.

  3. Bernadette B. sagt:

    Der verantwortlich für dieses Urteil des AG Cham zeichnende Richter möge sich einmal überlegen, ob diese Kürzungsmanie zu der ihm angetragenen Aufgabenstellung gehörte. Das AG Saarlouis hat diese Frage in allen beurteilungsrelevanten Einzelpunkten akribisch aufgearbeitet und wie folgt zusammengefasst in den Entscheidungsgründen dargestellt:

    „Zunächst einmal ist es ohne einen kartell- oder monopolrechtlichen Prüfungsauftrag nicht Aufgabe der Gerichte, hinsichtlich der vertraglichen Preisabsprachen von Marktteilnehmern (hier zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen) für eine Vielzahl von Fällen verbindliche Vorgaben zur Honorarstruktur, zur Abrechnungshöhe und zur grundsätzlichen Höhe einzelner Abrechnungsunterpositionen zu machen, solange der Gesetzgeber den Gerichten hierfür keinen gesetzlichen Prüfungsspielraum eröffnet. Eine Preiskontrolle hat durch die Gerichte in der Regel nicht stattzufinden (vergleiche BGH NZV 2007, 455 = DS 2007, 144). “

    Bernadette B.

  4. Enno von Entenhausen sagt:

    Dass die HUK-Coburg mit ihrem Schwachvortrag selbst die Gerichte verwirrt, bestätigen auch die Entscheidungsgründe dieses Urteils. Die Bezugnahme auf eine geschickt und partiell ausgewählte Rechtsprechung soll dabei den Eindruck eins gesetzeskonformes Handelns suggerieren. Wie das tatsächlich einzuordnen ist, hat u.a. auch das AG-Essen Steele wie folgt bewertet:

    „„Für Die Berechnung des Honorars eines Gutachters gibt es keine allgemein gültigen Vorgaben und keine Gebührenordnung. Damit mag sich die beklagte Versicherung nun endlich abfinden. Sie mag auch zur Kenntnis nehmen, dass das Amtsgericht in ständiger Rechtssprechung keinen Anhaltspunkt dafür sieht, die Rechnung des Sachverständigen zu beanstanden oder zu kürzen. Die Argumente werden von der Beklagten zwar ständig wiederholt, wirken dadurch aber nicht überzeugender.

    Die Beklagte als eine Haftpflichtversicherung hat scheinbar ausreichend Geld, um die Versicherungsprämien für aussichtslose Prozesse zu verwenden. Wenn die Beklagte meint, dass es klare Vorgaben und Vorschriften für die Ermittlung der Vergütung von Sachverständigen gebe müsse, so mag sie damit den Gesetzgeber und nicht die Gerichte beschäftigen. Die Gerichte habe im Rahmen der geltenden Gesetze zu urteilen.“

    Waren die Amtsgerichte im Jahre 2004 couragierter als heute?

    Ob man bei solchen Regulierungspraktiken auch von räuberischer Erpressung sprechen könnte, ist eine ganz andere Frage, die einer Abklärung zugeführt werden muss.

    Anmerkung:§ 253 StGB Erpressung

    (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

    (3) Der Versuch ist strafbar.

    (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

    § 255 StGB Räuberische Erpressung

    Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

    Erläuterungen

    Die Erpressung ist ähnlich dem Betrug darauf ausgerichtet, eine Vermögensverschiebung zu erreichen.

    Die räuberische Erpressung ist dem Raub recht ähnlich. Der Unterschied liegt kurz gesagt darin, dass beim Raub eine Wegnahme (also ein Diebstahl) geschieht, wobei bei der räuberischen Erpressung das Opfer durch Drohung zu einer Handlung genötigt wird, welche als Vermögensverfügung eingestuft wird.

  5. Beobachter aus Celle sagt:

    @Enno von Entenhausen

    Zum Thema „Räuberische Erpressung “ noch folgende Hinweise zum Betrug:

    A. TATBESTAND
    1. OBJEKTIVER TATBESTAND
    A.) TÄUSCHUNGSHANDLUNG
    Der Täter muss über Tatsachen getäuscht haben.

    aa.) Tatsachen sind objektiv nachprüfbare Gegebenheiten. Damit unterscheiden sie sich von Werturteilen, welche einer objektiven Nachprüfbarkeit nicht zugänglich sind.

    bb.) Die Täuschungshandlung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen oder kann in einem Unterlassen liegen. Liegt die Täuschungshandlung in einem Unterlassen, so kann sie dem Täter nur dann zugerechnet werden, wenn er eine Garantenstellung sowie eine Garantenpflicht in Bezug auf eine Aufklärung über die in Frage stehenden Tatsachen hatte.

    cc.) Man kann falsche Tatsachen ausdrücklich oder konkludent vorspiegeln oder wahre Tatsachen durch ein Unterlassen der Aufklärung unterdrücken.

    B.) IRRTUMSERREGUNG
    Durch die Täuschungshandlung (in Form des ausdrücklichen oder konkludenten Vorspiegelns falscher oder des Unterdrückens wahrer Tatsachen) muss beim Opfer ein Irrtum kausal erregt worden sein.

    aa.) Irrtum ist die Fehlvorstellung über die wahren Tatsachen. Das Opfer muss sich eine Sachlage vorstellen, die von der wahren Sachlage abweicht.

    (a) Dazu muss sich das Opfer Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen machen. Wenn sich das Opfer keine direkten Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen macht, so ist zu prüfen, ob diese Tatsachen vom gedanklichen Mitbewusstsein des Opfers umfaßt sind.

    (b) Wurde festgestellt, dass sich das Opfer Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen macht, so muss die Vorstellung des Opfers über diese Tatsachen von der wahren Tatsachenlage abweichen. Diese von der wahren Tatsachenlage abweichende Vorstellung des Opfers muss durch das Vorspiegeln einer falschen Tatsachenlage oder das Unterdrücken der wahren Tatsachenlage durch den Täter ausgelöst worden sein. In diesem Fall ist ein Irrtum erregt oder unterhalten worden.

    C.) VERMÖGENSVERFÜGUNG
    Durch die Irrtumserregung bedingt muss das Opfer eine Vermögensverfügung vornehmen. Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, welches sich unmittelbar Vermögensmindernd auswirkt.

    aa.) Das Handeln, Dulden oder Unterlassen muss sich auf einen Vermögenswert beziehen. Da vom Straftatbestand des Betruges das Vermögen als solches geschützt ist, kann dieser Vermögenswert sowohl in Eigentum und Besitz begründet liegen, aber auch in relativen Rechten wie Forderungen. Der Schutzbereich des Betruges geht damit weiter wie beim Diebstahl, umfasst aber auch das vom Diebstahl geschützte Rechtsgut Eigentum. In den Klausuren ist damit Vordergründig zu prüfen, ob das Oper durch ein Handeln, Dulden oder Unterlassen über ein relatives Recht wie eine Forderung verfügt hat. Erst wenn ein relatives Recht nicht auszumachen ist, kann weitergeprüft werden, ob über ein absolutes Recht verfügt wurde. Diese Prüfreihenfolge ist wichtig, da man ansonsten eventuelle relative Rechte übersieht, über welche das Opfer verfügt haben könnte.

    bb.) Das Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers, durch welches es das relative oder absolute Recht verliert, muss freiwillig erfolgt sein. Damit muss das Opfer die Wahlfreiheit gehabt haben, ob es den Vermögenswert durch ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlieren will oder nicht. Durch das Element der Freiwilligkeit wird der Charakter des Betruges als ein Selbstschädigungsdelikt herausgestellt. Der Strafgrund des Betruges liegt darin, dass der Täter das Opfer dazu bringt, sich freiwillig eines Vermögenswertes zu begeben.

    cc.) Damit unterscheidet sich die Vermögensverfügung von der Wegnahme beim Diebstahl. Dort wird der „Bruch“ fremden Gewahrsams bestraft und damit der unfreiwillige Verlust des Gewahrsams. Sobald aber ein Einverständnis des Gewahrsamsinhabers vorliegt, ist die Wegnahme vom Tatbestand her ausgeschlossen, da der Gewahrsamsinhaber freiwillig dem Verlust seines Gewahrsams zugestimmt hat. In diesem freiwilligen Zustimmen kann jetzt nur noch eine Vermögensverfügung nach § 263 StGB gesehen werden. Das erklärt auch, warum das durch Täuschung erlangte Einverständnis wirksam ist. Sobald jemand freiwillig auf seinen Vermögensschutz verzichtet, soll er nicht mehr dem Schutzbereich des § 242 StGB unterstehen und der Anwendungsbereich des § 263 StGB ist eröffnet, welcher die vom Täter veranlasste Selbstschädigung des Opfers unter Strafe stellt. Die hier aufgezeigte Abgrenzung zwischen Wegnahme und Vermögensverfügung ergibt sich nur in den Fällen, wo über Eigentum als Vermögenswert verfügt worden sein könnte.

    Nur Eigentum ist als Vermögenswert gleichzeitig von § 242 StGB geschützt, sodass nur hier das Konkurrenzverhältnis zwischen Wegnahme und Vermögensverfügung entstehen kann. Wird über andere Vermögenswerte als Eigentum verfügt, entsteht das Problem der Abgrenzung nicht, da z.B. Forderungen außerhalb des Betruges nicht durch einen weiteren Straftatbestand geschützt sind.

    dd.) Durch die Vermögensverfügung muss es zu einer Vermögensminderung kommen. Bei relativen Rechten kann dies konkret z.B. so aussehen, dass das Opfer es unterlässt, eine Forderung gegen den Täter geltend zu machen. Die Vermögensminderung unterscheidet sich vom Vermögensschaden dadurch, dass bei der Vermögensminderung noch nicht geprüft wird, ob die nicht geltend gemachte Forderung eventuell als gleichwertiges Äquivalent für einen anderen, durch eine zeitgleiche weitere Vermögensverfügung verlorenen Vermögenswert dem Vermögen des Opfers zugeflossen ist. So verfügt z.B. beim Tankstellenfall der Pächter über das Benzin aus der Zapfsäule, indem er es duldet, dass der Täter die Zapfanlage bedient. Dadurch bedingt entsteht durch den konkludenten Kaufvertrag eine Kaufpreisforderung für den Pächter gegen den Täter. Diese Kaufpreisforderung kann ein Äquivalent darstellen, welches den verfügungsbedingten Vermögensabfluss in Form der Eigentumsübertragung am Benzin ausgleichen kann. Dies wird bei dem Prüfpunkt „Vermögensverfügung“ aber nicht geprüft. Hier genügt es festzustellen, dass das freiwillige Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers dazu geführt hat, dass eine Minderung an Vermögenswerten eingetreten ist unabhängig von der Frage, ob diese Vermögensminderung durch ein Äquivalent ausgeglichen worden ist. Beim Tanken eines Fahrzeuges ohne Zahlungsabsicht des Täters kann beispielsweise die Vermögensverfügung des Opfers darin bestehen, dass der Tankstellenpächter es duldet, dass der Täter seinen Benzinvorrat mindert, dass der Tankstellenpächter das Eigentum am Benzin auf den Täter überträgt oder dass der Tankstellenpächter es unterlässt, die durch den Tankvorgang entstandene Kaufpreisforderung geltend zu machen. In all diesen Fällen wird nicht weiter geprüft, ob diese, durch das Opfer freiwillig vorgenommene Vermögensminderung, durch ein Äquivalent ausgeglichen worden ist. Dies unterscheidet die Prüfung der Vermögensverfügung von der Prüfung des Vermögensschadens.

    D.) VERMÖGENSSCHADEN
    An dieser Stelle wird nun geprüft, ob der freiwillig vorgenommene Vermögensabfluss des Opfers durch ein gleichwertiges Äquivalent ersetzt worden ist.

    aa.) Dabei ist strittig, wann von einem Vermögensschaden gesprochen werden kann. Vertreten wird der juristische, der wirtschaftliche und der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff. Dabei wird um die Frage gestritten, welche Vermögenswerte als vom Schutzbereich des § 263 StGB umfasst angesehen werden sollen. Nur die Verfügungen des Opfers über solche Vermögenswerte, welche dem Schutzbereich des § 263 StGB unterfallen, können auch zu einem Vermögensschaden und damit zu einer Strafbarkeit nach § 263 StGB führen. Die einzelnen Theorien zum Vermögensschaden streiten demnach um die Frage, welche Vermögenswerte, über die das Opfer verfügt, noch vom Schutzbereich des § 263 StGB umfasst sein sollen und welche nicht. Je nach vertretenem Vermögensbegriff können damit mehr oder auch weniger Vermögenswerte geschützt werden und damit die Strafbarkeit des § 263 StGB ausgedehnt oder eingeschränkt werden.

    bb.) Weiterhin kann eine Vermögensgefährdung dem Schaden gleichgestellt werden. So mag im Tankstellenfall die Übertragung des Eigentums am Benzin in der Zapfsäule dazu geführt haben, dass der Pächter einen Zahlungsanspruch als Äquivalent für das verlorene Eigentum in sein Vermögen bekommen hat. Auf der anderen Seite ist die Durchsetzbarkeit des Anspruches praktisch schwierig. Allein, dass das Opfer das Prozessrisiko trägt rechtfertigt es, die Gefährdung des Zahlungsanspruches dem Vermögensschaden gleichzusetzten.

    2. SUBJEKTIVER TATBESTAND
    A.) VORSATZ
    Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen.

    B.) BEREICHERUNGSABSICHT
    Weiterhin muss der Täter Bereicherungsabsicht haben. Diese hat der Täter dann, wenn er wollte, dass die vom Opfer freiwillig vorgenommene Minderung seines Vermögens unmittelbar zu einem Zufluss seines, des Täters, Vermögens führen sollte. Der Täter muss gewollt haben, dass das Opfer einen Vermögenswert direkt und ohne Zwischenschritte von seinem Vermögen in das Vermögen des Täters überträgt. Diese Situation der unmittelbaren Vermögensverschiebung bezeichnet man mit „Stoffgleichheit“. Die Stoffgleichheit bezeichnet demnach die Situation, in welcher der Vermögensabfluss beim Opfer zu einem unmittelbaren Vermögenszufluss beim Täter führt. Das Erfordernis der Situation der Stoffgleichheit kennzeichnet den Betrug als ein „Vermögensverschiebungsdelikt“. Von der Strafbarkeit nach § 263 StGB ist nur umfasst, dass der Täter einen Vermögensvorteil erlangen will, welcher dadurch bedingt ist, dass das Opfer freiwillig einen Vermögensnachteil erleidet, welcher ohne weitere Zwischenschritte zu einem Vermögensvorteil beim Täter führt.

    Ausgenommen von der Stoffgleichheit und damit der Bereicherungsabsicht sind die Fälle, in welchen der Täter den Vermögensvorteil nicht direkt aus dem Vermögen des Opfers, sondern aus dem Vermögen eines Dritten erlangen will. Dies zeigt sich bei den sog. Provisionsfällen: Der Abo-Abschluss des Opfers für eine für das Opfer nutzlose Zeitung führt dazu, dass der Vermögensnachteil des Opfers unmittelbar zu einem Vermögensvorteil des Verlages, nicht aber des Vertreters als Täter führt. Der Täter erlangt seinen Vermögensvorteil erst durch die vom Verlag gezahlte Abschlussprovision. Damit fehlt es an der Stoffgleichheit. Der Täter beabsichtigt auch nicht die Bereicherung eines Dritten in Form des Verlages, da es ihm letztlich darauf ankommt, sein eigenes Vermögen zu bereichern.

    C.) RECHTSWIDRIGKEIT
    Die vom Täter beabsichtigte Bereicherung ist dann nicht rechtswidrig, wenn er etwa einen schuldrechtlichen Anspruch auf den Vermögenswert hat.

    B.) RECHTSWIDRIGKEIT
    C.) SCHULD

    Beobachter aus Celle

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