Das AG Hamburg hat mit Urteil vom 04.02.2008 – 51A C 247/07 – den Schädiger verurteilt, an den Kläger 467,39 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die beklagte Haftpflichtversicherung, die SIGNAL IDUNA. Die Berufung wurde nicht zugelassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger verlangt zu Recht von der beklagten Haftpflichtversicherung die Zahlung weiterer 467,39 € restlicher Reparaturkosten sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfall über den bereits gezahlten Betrag hinaus der ausgeurteilte Betrag als weiterer Schadensersatzanspruch gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung (vormals § 3 Nr. 1 und 2 PfIVG) zu. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Der Kläger verlangt zu Recht den Betrag, um den die Beklagte die laut Gutachten vom 01.09.2007 genannten Reparaturkosten gekürzt hat.
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz restlicher Lohnkosten, denn er kann auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 28.09.2006, Az.: 644 C 236/06; AG Hamm, Urteil vom 10.04.2007, Az.: 17 C 409/06; AG Aachen, Urteil vom 28.08.2006, Az.: 5 C 338/06, zitiert nach juris). Der erforderliche Geldbetrag gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt sich allein nach den Kosten, die für die Herstellung erforderlich sind und somit unabhängig davon, in welcher Weise der Geschädigte hinsichtlich der Behebung seines Fahrzeugschadens vorgeht. Ihm bleibt es unbenommen, auf die Reparatur gänzlich zu verzichten. Er kann sie auch selbst durchführen oder die Reparatur durch eine Werkstatt, gleich welcher Art, ausführen lassen. Hieraus folgt, dass die erstattungsfähigen Herstellungskosten durch die Kosten der erforderlichen Reparaturmaßnahmen bestimmt werden. Darf der Geschädigte auf eine bestimmte Art und Weise reparieren lassen, sind diese Kosten zugleich der erforderliche Geldbetrag für eine Herstellung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, ohne dass es darauf ankommt, ob wirklich repariert worden ist. Damit hängt die Frage des erforderlichen Herstellungsaufwandes unmittelbar mit der Frage zusammen, in welcher Art und Weise der Geschädigte seinen PKW reparieren lassen darf.
Die Frage ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits dahin beantwortet worden, dass dem Geschädigten grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon gegeben ist, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. BGH NJW 2003, 2086 ff. – so genanntes „Porsche-Urteil“). Es gilt allerdings auch insoweit der ohnehin im Schadensersatzrecht geltende Grundsatz, dass der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH a.a.O.).
Vergeblich leitet die Beklagte hieraus ihre Rechtsauffassung her, dass sich der Kläger auf etwaige günstigere Verrechnungssätze der von ihr genannten Betriebe bei Ermittlung der fiktiven Reparaturkosten verweisen lassen müsse.
In dem BGH-Urteil wird darauf hingewiesen, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Dieser eher beiläufig geäußerten Auffassung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass nach Auffassung des BGH ein Anspruch auf Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt und damit auf Erstattung entsprechend höherer Reparaturkosten nicht gegeben ist, wenn die Verrechnungssätze einer nicht markengebundenen Werkstatt niedriger liegen und diese Werkstatt gleichwertige Reparaturleistungen wie eine Fachwerkstatt aufweist und dem Geschädigten diese Reparaturmöglichkeit zudem vor Durchführung der Reparatur nachgewiesen worden ist. Wollte man die Ausführungen des BGH so verstehen, liefe dies auf eine faktische Aushebelung des im gleichen Urteil ausdrücklich anerkannten Grundsatzes hinaus, dass Anspruch auf Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt eben besteht.
Bei der Beurteilung der Frage, welche Reparaturmaßnahmen der Geschädigte für erforderlich halten darf, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Abzustellen ist dabei auf die konkrete Situation des Geschädigten nach dem Schadenseintritt. Danach kann es dem Geschädigten in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht verwehrt sein, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Gibt es in diesem Kreis markengebundener Werkstätten unterschiedlich hohe Verrechnungssätze, so ist er entsprechend seinen Erkenntnismöglichkeiten gehalten, die billigere Werkstatt auszuwählen, wobei ihm allerdings eine ausführliche Marktanalyse nicht zuzumuten ist. Zu beachten ist auch, dass ein Interesse des Geschädigten an der Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt besteht, weil es bei einem späteren Verkauf des Fahrzeugs auf die Höhe des zu erzielenden Kaufpreises von Bedeutung sein kann, ob der Wagen immer in einer Markenwerkstatt repariert worden ist.
Besteht ein Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten bei durchgeführter Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt, so kann nichts anderes für den Fall der fiktiven Abrechnung gelten, da der Betrag der erforderlichen Herstellungskosten nur einheitlich ohne Differenzierung nach der Art der Schadensbeseitigung zu bestimmen ist.
Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten ermittelt die erforderlichen Reparaturkosten nach Herstellervorgaben. Diese Kosten entsprechen den Verrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt. Hiergegen hat die Beklagte keine substantiierten Angriffe gerichtet.
Der Kläger hat auch Anspruch auf die im Schadensgutachten aufgeführten Netto-Kosten für die Verbringung des klägerischen Fahrzeugs zu einer Lackiererei sowie die Ersatzteilpreisaufschläge. Zu dem erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gehören auch die im Gutachten angesetzten Verbringungskosten sowie die Ersatzteilpreisaufschläge. Zwar wird in diesem Zusammenhang teilweise die Auffassung vertreten, dass Verbringungskosten in eine Lackiererei und Ersatzteilpreisaufschläge im Rahmen einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie auch tatsächlich angefallen sind. Solange eine Reparatur nicht durchgeführt ist, handele es sich bei diesen Kosten lediglich um mögliche Reparaturkosten, deren Notwendigkeit sich vielmehr erst bei Durchführung der Reparatur erweise.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen (in diesem Sinne z.B. auch AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 09.06.2005 – 648 C 88/05 -; AG Hamburg, Urteil vom 28.09.2006 – 644 C 236/06 -; AG Hamm, Urteil vom 10.07.2004 – 17 C 409/06 -, zitiert jeweils nach juris). Das Argument, dass sich erst bei tatsächlicher Durchführung einer Reparatur herausstelle, ob Verbringungskosten bzw. Ersatzteilpreisaufschläge anfallen und damit erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind, kann nicht durchgreifen. Denn die Berechnung des erforderlichen Geldbetrages auf Gutachtenbasis verlangt einen konkreten Reparaturnachweis gerade nicht. Aus der unumstrittenen Anerkennung einer Abrechnung auf Gutachtenbasis, also im Wege einer abstrakten Reparaturkostenberechnung, folgt notwendig, dass es auf einen konkreten Kostennachweis für eine tatsächlich durchgeführte Reparatur gerade nicht ankommen kann. Vielmehr bildet das Gutachten eine Grundlage für die Darlegung des Fahrzeugschadens, wobei davon auszugehen ist, dass die freien Sachverständigen von den örtlichen Verhältnissen ausgehen, so dass der Anfall der genannten Kosten den örtlichen Gepflogenheiten entspricht.
Der Kläger hat ferner Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Teil des Schadensersatzes. Dem Kläger standen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 467,39 € zu, und zwar in voller Höhe von 1,3 Gebühren. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.03.2007, Az.: VIII ZR 86/06) führt die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nur dazu, dass die gerichtliche Verfahrensgebühr gemindert wird, was im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist. Es wird also nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr gemindert.
Die Zinsforderung auf die geltend gemachten Reparaturkosten sowie aus den Anwaltskosten ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorlagen.
Ein ausführliches und überzeugendes Urteil der Richterin der Zivilabteilung 51A des AG Hamburg.
Hallo Willi Wacker,
Sie haben wieder ein bemerkenwertes Urteil eingestellt. Bei der Flut der von Ihnen hier eingestellten Urteile müssten die Haftpflichtversicherungen jetzt doch endlich die Segel streichen. Weiter so.