OLG Dresden verneint rechtsirrig bei einer Ersatzbeschaffung die Erstattung der Mehrwertsteuer, weil es in der Ersatzbeschaffung eine fiktive Abrechnung sieht, mit kritisch zu betrachtendem Urteil vom 4.10.2017 – 14 U 1694/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch ein Berufungsverfahren des OLG Dresden im Schadensersatzprozess zur Erstattung der Mehrwertsteuer bei einer Ersatzbeschaffung eines total beschädigten Fahrzeugs, bei dem das OLG Dresden voll daneben liegt, indem das zugrundeliegende – in Sachen Mehrwertsteuer korrekte – Urteil des LG Chemnitz aufgehoben wurde, vor. Beklagte waren die HUK 24AG und deren Versicherungsnehmer. Bei konsequenter Anwendung dieser „Rechtssprechung“ gäbe es ab sofort keine Mehrwertsteuer bei der Totalschadenabrechnung. Auch nicht, wenn sie – wie hier – nachweislich angefallen ist. Denn nach der Rechtsauffassung des OLG Dresden handelt es sich bei der Abrechnung auf Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwands (= Wiederbeschaffungswert ./. Restwert) angeblich um eine „fiktive Abrechnung“ ohne Mehrwertsteueranspruch. Auch die Ausführungen zur (Nicht)Erstattung der Sachverständigenkosten sind mehr als abenteuerlich. Zum Verständnis des gesamten Hintergrundes ist unten der komplette Rechtszug aufgeführt (in chronologischer Reihenfolge von unten nach oben). Wenn man so ein offensichtliches Fehlurteil liest, fragt man sich doch unwillkürlich, zu welchem Preis man Urteile dieser Art kaufen kann? Insbesondere da das OLG Dresden ja nicht das erste Mal auffällig ist in Sachen versicherungsfreundlicher „Rechtsprechung“. Unserer Auffassung nach wissen die erkennenden Richter sehr genau, dass die Klägerin im Recht ist. Nach dem Studium der u.a. Schriftstücke kommt man unschwer zum Schluss, dass diese Richter – entgegen aller Argumente – offensichtlich nicht verstehen wollen, was Schadensersatz auch in der Form der Ersatzbeschaffung bedeutet. Interessant ist auch der Versuch, sich im letzten Beschluss mit § 318 ZPO aus der Affäre ziehen zu wollen, obwohl bei offensichtlichen Schrotturteilen § 319 ZPO anzuwenden wäre. Warum fällt mir bei solchen Pamphleten immer sofort König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ein?

Hier noch die Erläuterungen der Einsenderin:

„Obwohl dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2017 eingehend vor Augen gehalten wurde, dass die geänderte Rechtsauffassung fehlerhaft ist und im Nachgang der Verhandlung auch nochmals 2 Schriftsätze (13.09.2017 und 15.09.2017) übersandt wurden, kam es dennoch zu dieser fehlerhaften Entscheidung, so dass meine Mandantin als Geschädigte nunmehr nach dem Unfall in Höhe von 2.663,19 € schlechter steht als vor dem Unfall, obwohl sie nachgewiesen hatte, dass ihr durch die Ersatzbeschaffung Mehrwertsteuer in der vorgenannten Höhe angefallen ist.

Da kein förmliches Rechtsmittel gegeben ist, insbesondere die Revision nicht zugelassen wurde, habe ich im Rahmen einer Gegenvorstellung nochmals den Versuch unternommen, eine Abänderung des Urteils zu erreichen.“

Trotz Beendigung dieses Rechtszuges bleibt es in der Sache spannend. Denn die HUK-COBURG hatte die Mehrwertsteuer bereits nach dem LG-Urteil an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgekehrt. Offensichtlich gingen die auch davon aus, dass die Berufung (eigentlich) nicht zu gewinnen war? Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat das Geld jedoch nicht an die HUK-COBURG zurückbezahlt, sondern den Mehrwertsteuerbetrag als Ausgleichsanspruch aufgerechnet (Anspruch auf vollständigen Schadensausgleich nach § 249 BGB), so dass es zu einem neuen Rechtsstreit beim AG Freiberg gekommen ist (HUK gegen Geschädigte). Der Rechsstreit ist im Moment anhängig. Sobald wir nach Beendigung des Verfahrens die entsprechenden Unterlagen erhalten, werden wir weiter berichten.

Lest aber selbst die Entscheidungen und den chronologischen Verlauf und gebt dann Eure Kommentare zu dieser neuerlichen juristisch abenteuerlichen Entscheidung des OLG Dresden bekannt. 

Viele Grüße
Willi Wacker

Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 14 U 1694/16
Landgericht Chemnitz, 1 O 1662/15

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

– Klägerin, Berufungsklägerin u. Berufungsbeklagte

gegen

1.
– Beklagte, Berufungsbeklagte u. Berufungsklägerin

2.
– Beklagte, Berufungsbeklagte u. Berufungsklägerin

wegen Schadensersatz

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …
Richterin am Oberlandesgericht … und
Richter am Oberlandesgericht …

ohne mündliche Verhandlung am 23.10.2017

beschlossen:

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen das Urteil vom 04.10.2014, Az.: 14 U 1694/16, wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Gegenvorstellung der Klägerin war zurückzuweisen, da bereits Zweifel an der Statthaftigkeit des außergesetzlichen Rechtsbehelfs bestehen, die Gegenvorstellung aber jedenfalls unbegründet ist.

Wegen § 318 ZPO ist das Gericht grundsätzlich an die von ihm erlassenen Entscheidungen in End- und Zwischenurteilen gebunden. Eine Gegenvorstellung ist daher bei Urteilen grundsätzlich nicht statthaft. Ob bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder bei evidenter Gesetzeswidrigkeit etwas anderes gilt und das Gericht seine Entscheidung selbst aufheben und abändern darf, ist umstritten (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. § 318, Rn. 7a m.w.N.; ablehnend: Leipold in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 4, 22. Aufl., § 321a Rn. 75, 78). Die Beantwortung dieser Streitfrage kann aber ebenso dahinstehen wie die Frage, ob hier eine evidente Gesetzeswidrigkeit vorliegt, da die Gegenvorstellung jedenfalls unbegründet ist. Wie im angegriffenen Urteil bereits ausgeführt hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.09.2016, Az.: VI ZR 654/15 unter Tz. 17 f. zu der vorliegenden Konstellation eindeutig Stellung bezogen. Inwieweit die dortige Konstellation von der hiesigen abweichen soll, führt die Klägerin nicht aus.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

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In dem Rechtsstreit

Aktenzeichen: 14 U1694/16

erhebe ich gegen das Endurteil vom 04.10.2017 mangels eines förmlichen Rechtsbehelfes

GEGENVORSTELLUNG.

BEGRÜNDÜNG:

Bei der angegriffenen Entscheidung handelt es sich um ein

offensichtliches Fehlurteil,

da das Gericht eklatant gegen das Gesetz – § 249 Abs. 2 S. 2 BGB – verstoßen hat und sich zur Begründung fehlerhaft auf das Urteil des BGH vom 13.09.2016, Az. VI ZR 654/15 stützt, obwohl diesem ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 13.09.2017 verwiesen, in welchem ausführlich begründet wurde, dass die Entscheidung des BGH im Falle eines zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten keineswegs mit dem vorliegenden Fall einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten vergleichbar ist.

Der Klägerin steht nach dem Gesetz der Nettowiederbeschaffungswert zzgl. der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer zu.

Dazu war der ursprüngliche Hinweis des Gerichtes im Beschluss vom 15.03.2017 zutreffend:

„Für den Fall, dass der tatsächliche Kaufpreis niedriger ist als der nach dem Gutachten ermittelte Bruttowiederbeschaffungswert, ist der nicht für die Ersatzbeschaffung verwandte Mehrbetrag um die anteilige Umsatzsteuer zu kürzen, d. h. es steht dem Geschädigten der Nettowiederbeschaffungswert zzgl. der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer zu (vgl. Grüneberg in: Palandt, 76. Aufl., § 249 Rn. 26 m.w.N.). Die von den Beklagten zitierte BGH-Rechtsprechung betrifft einen anderen Sachverhalt.“

Die Klägerin geht davon aus, dass das Gericht das Gesetz lediglich versehentlich missachtet hat, so dass das angegriffene Fehlurteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückweisen ist.

gez.

Rechtsanwältin

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Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 14 U 1694/16
Landgericht Chemnitz, 1 O 1662/15

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin, Berufungsklägerin u. Berufungsbeklagte –

gegen

1. …

– Beklagte, Berufunsgbeklagte und Berufungsklägerin

2. …

– Beklagte, Berufunsgbeklagte und Berufungsklägerin

wegen Schadensersatz

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …
Richterin am Oberlandesgericht … und
Richter am Oberlandesgericht …

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2017

für Recht erkannt:

1.        Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 18.11.2016, Az.: 1 O 1662/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.177,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.01.206 sowie vorgerichtlichr Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 167,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.04.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Die Kosten der ersten Instanz tragen die Parteien je zur Hälfe. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.        Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für die Berufung der Klägerin wird auf 303,43 EUR und der Streitwert für die Berufung der Beklagten auf 2.663,19 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO wird von derDarstellung des Tatbestandes abgesehen.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die für die Beschaffung des Ersatzfahrzeuges abgefallene Mehrwertsteuer in Höhe von 2.663,19 EUR.

Die bei dem Fahrzeugerwerb tätsächlich angefallene Mehrwertsteuer in Höhe von 2.663,19 EUR ist nicht ersatzfahig, weil die Klägerin die für sie günstigere Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grunlage des Sachverständigengutachtens gewählt hat. Ausweislich des Sachverständigengutachtens beträgt der Nettowiederbeschaffungswert 17.500,00 EUR. Der tatsächliche Käufpreis des von der Klägerin erworbenen Fahrzeuges beträgt 16.680,00 EUR einschließlich 2.663,19 EUR Mehrwertsteuer. Die Beklagte hat den im Gutachten ermittelten Nettowiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes in Höhe von 4.890,00 EUR mithin 12.610,00 EUR an die Klägerin geleistet. In einem solchen Fall, in dem der Geschädigte auf Gutachtenbasis abrechnet und nicht auf der Grundlage der tatsächlich angefallenen Kosten, steht ihm die im Rahmen der Ersatztbeschaffung angefallene Mehrwertsteuer nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.09.2016, Az.: VI ZR 654/15 – zitiert nach juris) nicht zu. Wählt der Geschädigte die Abrechnung auf Gutachtenbasis weil die Kosten der Ersatzbeschaffung einschließlich Mehrwertsteuer unter dem Nettowiederbeschaffungswert bleiben, muss sich der Geschädigte an der Art der Schadensabrechnung festhalten lassen, da eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung insoweit unzulässig ist (BGH, a.a.O.). Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass bei dieser Art der Abrechnung ihr Schaden nicht vollständig ausgeglichen wird, weil sie zwar den Nettowiederbeschaffungswert für ihr Fahrzeug erhält, jedoch ein Fahrzeug erwirbt, dass einen geringeren Wert hat und letztlich die Mehrwertsteuer, die ihr wertmäßig nicht zugute kommt, selbst tragen muss. Allerdings steht es ihr im Rahmem der Ersatzbeschaffung frei, ein teureres Fahrzeug zu wählen, dessen Wert an den Nettowiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeuges heranreicht oder sogar darüber hinauszugeht. Übersteigen die konkreten Kosten der nachträglich vorgenommenen Ersatzbeschaffung einschließlich der Nebenkosten den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bleibt es dem Geschädigten unbenommen, zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage derErsatzbeschaffung überzugehen (BGH, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus §§ 92, 91a ZPO.

Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz hat ihre rechtliche Grundlage in §§ 91, 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass, nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestand nicht. Das Urteil beruht auf der Anwendung höchstrichterlich entwickelter Rechtsgrundsätze. Der zitierten Entscheidung des BGH lag ein identischer Sachverhalt zugrunde. Auch dort hatte der Geschädigte auf der Grundlage des von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes in Höhe von brutto 7.400,00 EUR abzüglich des Restwertes abgerechnet und ein Fahrzeug erworben, dessen Anschaffungskosten einschließlich Mehrwertsteuer unter diesem Betrag blieben. Einen Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Mehrwertsteuer hat der BGH aus den oben genannten Gründen verneint. Bei dieser Sachlage wäre eine Revisionszulassung nur in Betracht gekommen, wenn der Senat von der Rechtsprechung des BGH hätte abweichen wollen und die Mehrwertsteuer zugesprochen hätte.

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren entspricht den bezifferten Anträgen sowohl der Berufung der Klägerin, die zurückgenommen wurde, als auch der Berufung der Beklagten.

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Oberlandesgericht Dresden                                                                      Dresden, 01.06.2017
– Zivilsenat –

Aktenzeichen: 14 U 1694/16

Verfügung

Es ergeht folgender Hinweis an die Parteien:
Der Senat korrigiert seine vorläufig geäußerte Rechtsauffassung in Bezug auf die Berufung der Beklagten. Diese dürfte mit Blick auf die Entscheidung des BGH vom 13.09.2016 – Az.: VI ZR 654/15 – Erfolg haben. Der BGH hat hier höchstrichterlich entschieden, dass in Kostellationen wie der vorliegenden die Mehrwertsteuer nicht ersatzfähig ist. Aus Randziffer 17 der Entscheidung ergibt sich, dass in den Fällen, in denen der Geschädigte die für ihn günstigere Möglichkeit der fiktiven Schadensberechnung auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens gewählt hat, die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer nicht ersatzfähig ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die konkreten Kosten der Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der geltend gemachten Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen. So ist der Fall hier. Der hier auf Grundlage des Sachverständigengutachtens dem Geschädigten zustehende Wiederbeschaffungswert beträgt 17.500,00 EUR netto, die Kosten des Ersatzfahrzeuges haben einschließlich Mehrwertsteuer 16.680,00 EUR betragen.

Zur Vermeidung eines Termins sowie zusätzlicher Kosten regt der Senat auf dieser Grundlage folgenden Vergleich an:

1.
Die Beklagten zahlen als Gesamtschuldner an die Klägerin 3.177,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.01.2016 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 167,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.04.2016.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Parteien erhalten Gelegenheit diesen Vergleichsvorschlag des Senats innerhalb von 2 Wochen anzunehmen.
Sollte ein Vergleich nicht zustande kommen, wird neu terminiert werden.


Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

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Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 14 U 1694/16
Landgericht Chemnitz, 1 0 1662/15

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

– Klägerin, Berufungsklägerin u. Berufungsbeklagte

gegen

1. …

– Beklagte, Berufungsbeklagte u. Berufungsklägerin

2. …

– Beklagte, Berufungsbeklagte u. Berufungsklägerin

wegen Schadensersatz

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …
Richterin am Oberlandesgericht … und
Richter am Oberlandesgericht …

ohne mündliche Verhandlung am 15.03.2017

beschlossen:

I.
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass die von ihr eingelegte Berufung derzeit unzulässig ist (I.), darüber hinaus nach der einstimmigen Überzeugung des Senats aber auch in der Sache keinen Erfolg hätte, die Rechtssache auch weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich macht (II.). Die Beklagten werden gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat aufgrund der Vorberatung einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung erscheint ebenfalls entbehrlich.

1.
Die Berufung der Klägerin ist bereits unzulässig, weil die Beschwerdesumme von 600 EUR nicht erreicht wird, § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die ebenfalls angegriffene Kostenentscheidung hat auf die Berechnung der Erwachsenheitssumme keine Auswirkungen. Ggf. kann die mangels Erreichen der Beschwer unzulässige selbständige Berufung als Anschlussberufung aufrecht erhalten bleiben (Heßler in: Zöller, 31. Aufl., § 524 Rn. 4).

2.
An dieser Stelle wird aber bereits daraufhingewiesen, dass die Berufung der Klägerin auch in der Sache keinen Erfolg hat.
Bezüglich der Sachverständigenkosten scheitert die Berufung bereits daran, dass die Klägerin allenfalls auf Freistellung klagen kann, da sie den Differenzbetrag an den Sachverständigen noch nicht geleistet hat.
Soweit sie die Vorfälligkeitsentschädigung geltend macht, wird auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Die Kostenentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die I. Instanz der Klägerin einen Teil der Kosten auferlegt, soweit die Klage zurückgenommen bzw. für erledigt erklärt wurde. Die Beklagten haben insoweit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung steht den Haftpflichtversicherern eine Prüfungsfrist von vier bis sechs Wochen bei durchschnittlichen Angelegenheiten zu (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.12.2014, Az.: 7 W 64/14 ; OLG Rostock, Beschluss vom 09.01.2001, Az.: 1 W 338/98 – sämtlich zitiert nach juris). Die Frist beginnt mit Zugang eines entsprechenden Anspruchschreibens (OLG Frankfurt, a.a.O.). Das erste Aufforderungsschreiben über einen Vorschuss in Höhe von 7.000 EUR ist vom 16.11.2015. Dieser Betrag ist noch vor Klageerhebung beglichen worden. Sämtliche andere Aufforderungsschreiben sind am 23.11.2015 und danach – die Mietwagenkosten sogar erst nach Klageerhebung – verfasst worden, sodass die vierwöchige Prüffrist bei Klageerhebung am 15.12.2015 noch nicht abgelaufen war. Gründe, hier lediglich eine kürzere Prüffrist anzunehmen, sind nicht ersichtlich. Dass die Klägerin ein Ersatzfahrzeug benötigte, ist kein hinreichender Grund, da die Beklagten für etwaige Mietwagenkosten etc. einzustehen haben. Auch der Umstand, dass die Unfallursache eindeutig war, rechtfertigt keine andere Bewertung. Auch die Klägerin brauchte zunächst einige Zeit, um die entsprechenden Schadenspositionen zu ermitteln und geltend zu machen. Auch den Beklagten muss das Recht zugebilligt werden, die einzelnen Schadenspositionen zu überprüfen. Die Klägerin, die die Frist von vier Wochen nicht abgewartet hat, hat damit verfrüht Klage erhoben. Bei der Entscheidung nach § 91a ZPO ist der Rechtsgedanke der fehlenden Klageveranlassung des Beklagten aus § 93 ZPO anzuwenden (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., Rn. 24).

3.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Für den Fall, dass der tatsächliche
Kaufpreis niedriger ist als der nach dem Gutachten ermittelte Bruttowiederbeschaffungswert, ist der nicht für die Ersatzbeschaffung verwandte Mehrbetrag um die anteilige Umsatzsteuer zu kürzen d.h. es steht dem Geschädigten der Nettowiederbeschaffungswert zzgl. der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer zu (vgl. Grüneberg in: Palandt, 76. Aufl., § 249 Rn. 26 m.w.N.). Die von den Beklagten zitierte BGH-Rechtsprechung betrifft einen anderen Sachverhalt.

II.
1.
Der Termin vom 21.03.2017 wird aufgehoben.

2.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zu diesem Hinweis innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Der Senat legt den Parteien die Rücknahme der Berufungen nahe.

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Landgericht Chemnitz

Zivilabteilung

Aktenzeichen: 1 O 1662/15

Verkündet am: 18.112016

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

1. …

– Beklagte –

2. …

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz durch Vorsitzende Richterin am Landgericht als Einzelrichterin
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2016 am 18.11.2016

für Recht erkannt:

1.     Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.840,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.663,19 € seit 09.01.2016 sowie aus weiteren 3.177,30 € seit 28.01.2016   sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 167,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.04.2016 zu zahlen.

2.     Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.     Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 35 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 65 %.

4.     DasUrteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Am 13.11.2015 fuhr die Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … gegen den auf der Scheunenstraße in Freiberg geparkten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … . Dessen Halterin war die Klägerin, Eigentümerin die … im Folgenden: finanzierende Bank. Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert wurde sachverständig in Höhe von 17.500,00 € netto ermittelt. Die finanzierende Bank ermächtigte die Klägerin am 19.11.2015, die unfallbedingten Schäden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Mit Schreiben der Klägervertreterin vom 23.11.2015, 26.11.2015 und 02.12.2015 bezifferte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) ihre Schäden. Mit Schreiben vom 07.12.2015 forderte die Kiägervertreterin die Beklagte zu 2) nochmals zum vollständigen Ausgleich der geltend gemachten Forderungen bis zum 14.12.2105 auf und verwies auf die Dringlichkeit der Zahlung. Mit Email vom 11.12.2015 drohte die Klägervertreterin Klageeinreichung am 15.12.2015 an, sofern keine vollständige Regulierung innerhalb der gesetzten Frist erfolge. Am 11.12.2015 kündigte die Beklagte zu 2) eine direkte Zahlung von 7.000,00 € an die finanzierende Bank an, die sie auch leistete. Am 15.12.2015 reichte die Klägervertreterin Klage ein, die am 08.01.2016 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 31.12.2015 erweiterte sie die Klage um Mietwagenkosten der … in Höhe von 1.582,70 €. Am 04.01.2016 leistete die Beklagte zu 2) eine Zahlung in Höhe von 5.610,00 € an die finanzierende Bank und einen Betrag in Höhe von 2.069,88 € an die Klägerin sowie für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten weitere 1.029,35 €, woraufhin die Klägerin den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärte. Dieser Erledigungserklärung stimmten die Beklagten nicht zu. Am 11.01.2016 ließ die Klägerin ein Ersatzfahrzeug zu einem Brutto-Kaufpreis von 16.680,00 € zu. Mit Schriftsatz vom 15.01.2016 erweiterte die Klägervertreterin die Klage erneut um 3.177,30 € für weiter angefallene Mietwagenkosten der … für den Zeitraum 27.11.2015 bis 07.01.2016. Die Beklagte zu 2) leistete am 19.01.2016 eineZahlung in Höhe von 1.582,70 € auf die Mietwagenrechnung der … , lehnte jedoch eine Begleichung der Mietwagenkosten der … ab. Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit in Höhe von 1.582,70 € für erledigt, Dieser Erledigungserklärung stimmten die Beklagten zu. Mit Schriftsatz vom 24.03.2016 nahm die Klägervertreterin die Klage bezüglich der Hauptforderung in Höhe von 7.679,88 € sowie bezüglich der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zurück. Der zunächst angekündigte Feststellungantrag wurde für erledigt erklärt.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte zu 2) sei mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sie zur Ersatzbeschaffung eines Fahrzeuges auf die Versicherungsleistungen angewiesen sei. Die Umfinanzierung habe erst erfolgen können, nachdem die finanzierende Bank den Verkäufer über den Geldeingang und damit die Ablösung des Altvertrages informiert habe. Sie habe erst nach Vorlage des Sachverständigengutachtens erkennen können, dass ihr Fahrzeug einen Totalschaden erlitten habe. Sie sei OP-Schwester und habe Schicht- und Bereitschaftsdienst. Auch müsse sie ihr Kind an verschiedene Betreuungsorte bringen und habe mit ihrem geschiedenen Mann, der in Baden-Württemberg lebe, die Vereinbarung, ihr Kind in der Mitte der Strecke zu übergeben. Sie sei daher auf ein Fahrzeug angewiesen. Die Mietwagenrechnung der … sei direkt an die Beklagte zu 2) übersandt worden: Diese sei mehrfach auf die Dringlichkeit einer Ersatzbeschaffung hingewiesen worden, Die gesetzten Fristen seien keinesfalls zu knapp bemessen gewesen. Die Beklagte zu 2) zeige in einer
Vielzahl von anderen Akten, dass sie sogar in der Lage sei, noch am selben Tag oder einen Tag später einen bezifferten Schaden abzurechnen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.789,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 167,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen und der Klägerin insgesamt die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Sie wenden ein, die Klagerücknahme sei nicht unverzüglich erfolgt. Die Klägervertreterin habe zudem zu knapp bemessene Fristen gesetzt. Der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherung sei ein gewisser Prüfungszeitraum zuzubilligen. Diese habe bereits am 11.12.2015 eine Vorschusszahlung geleistet, zu einer Klageerhebung bereits am 15.12.2015 habe sie keine Veranlassung gegeben. Eine Zahlungsaufforderung die Mietwagenkosten an die … auszugleichen, sei nicht erfolgt. Aus der Sachverständigenrechnung ergebe sich eine Abtretung, weshalb die Klägerin nicht mehr Inhaberin der Forderung sei. Die Honorarrechnung sei zudem überhöht. Die Anmietung eines Mietwagens bis einschließlich 07.01.2016 sei nicht erforderlich gewesen. Eigentümer des beschädigten Fahrzeuges sei die finanzierende Bank gewesen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, weshalb keine Mehrwertsteuer geschuldet wäre. Die Vorfälligkeitsentschädigung sei ein vertraglicher Anspruch, kein Schaden der Klägerin.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgünde

I.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Verkehrsunfallereignis vom 13.11.2015 einen weiteren Anspruch gemäß §§ 7, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB, 115 VVG in Höhe von 5.840,49 € sowie auf Ersatz weiterer vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 167,25 €.

1)
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges angefallenen Mehrwertsteuer in Höhe von 2.663,19 €.

In § 249 Abs. 2 BGB ist geregelt, dass der bei Beschädigung einer Sache als Schadensersatz zu leistende Geldbetrag die Umsatzsteuer mit einschließt, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Es soll der Zustand wieder hergestellt werden, der der wirtschaftlich ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht. Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges wird dies durch Reparatur oder den Erwerb eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges erreicht. Beschafft sich der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug und fällt dabei Umsatzsteuer an, so steht ihm insoweit ein Ersattungsanpruch zu. Er ist auch nicht mit einer Nachforderung der Umsatzsteuer ausgeschlossen, wenn er zunächst auf Gutachtensbasis abgerechnet hat (vgl. BGH RuS 2004, 303; NJW 2012, 52 – beides nach Juris). Der Geschädigte soll auch nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass er kein gleichartiges oder gleichwertiges Ersatzfahrzeug findet (vgl. BGH NJW 2005, 2220 – nach Juris). Das Gutachten vom 21.11.2015 hat den Wiederbeschaffungswert unter Berücksichtigung von 19 % Umsatzsteuer ermittelt, das Ersatzfahrzeug wurde ebenfalls regelbesteuert erworben.

Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem niedrigeren Kaufpreis, als vom Sachverständigen kalkuliert, kann auch der Mehrwertsteuerbetrag nur anteilig verlangt werden (vgl. Heinrich NJW 2005, 2749; Sterzinger NJW 2011, 2181). Die Klägerin kann daher nur Ersatz der tatsächlich angefallenen Mehrwertsteuer in Höhe von 2.663,19 € verlangen, nicht jedoch den sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenden Mehrwertsteuerbetrag von 3.325,00 €.

Auf eine mögliche Vorsteuerabzugsberechtigung der die Ersatzbeschaffung finanzierenden Bank, der das beschädigte Fahrzeug sicherungsübereignet war, kommt es nicht entscheidend an- Abzustellen ist vielmehr auf die Verhältnisse der Klägerin als Eigenbesitzerin, an die auch die Rechnung für das Ersatzfahrzeug gerichtet ist (vgl. u.a. OLG Celle MDR 2013, 1340; LG  Kaiserslautern DAR 2013, 517 – nach Juris). Dass diese als Krankenschwester zur Vorsteuer abzugsberechtigt ist, was die Klägerin ohnehin bestritten hat, ist nicht ersichtlich.

Weiter steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten der … in Höhe von 3.177,30 € zu. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt und nachgewiesen, dass sie auf ein Ersatzfahrzeug auch über die im Sachverständigengutachten angesetzte Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen angewiesen war.

Kann der Geschädigte wegen des schädigenden Ereignisses die Sache nicht nutzen, hat ihm der Schädiger die Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Sache zu ersetzen. Erforderli h sind Nutzungswille und hypothetische Nutzungsmöglichkeit. Der Anspruch beschränkt sich auf die für die Ersatzbeschaffung notwendige Zeit, wobei es zu Lasten des Schädigers  geht, wenn der Geschädigte trotz Mahnung keinen Vorschuss erhält ( vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl., § 249 Rn 31 ff.).

Dass die Klägerin auf ein Fahrzeug angewiesen war, hat sie glaubhaft dargelegt. Die Klägerin arbeitet als OP-Schwester in einem Krankenhaus. Sie hat unter Vorlage ihrer Dienstpläne nachgewiesen, dass sie im Schichtdienst arbeitet und auch Bereitschaftsdienst hat, bei welchem sie auf Anruf innerhalb kürzester Zeit an ihrer Arbeitsstelle erscheinen muss. Darüber hinaus erzieht die Klägerin ihr Kind in Freiberg alleine und muss dieses, bedingt durch den Schichtdienst, von verschiedenen Betreuungsstätten abholen. Hinzu kommt weiter, dass die Klägerin ihr Kind auf halben Weg zu ihrem geschiedenen Ehemann bringt, wenn dieser das gemeinsame Kind übernimmt, da ihr geschiedener Ehemann in Baden-Württemberg lebt. Die Schilderung der Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung war glaubhaft. Die von der Klägerin geschilderte Erforderlichkeit, ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, ergibt sich auch aus dem Mietvertrag … , der eine Fahrleistung in dem Mietzeitraum 27.11.2015 bis 11.01.2016 von durchschnittlich 34,67 km/täglich ausweist, womit bereits die von der Rechtsprechung angenommene Geringfügigkeitsgrenze von 20 km/Tag überschritten ist ( vgl. Palandt, a.a.O. Rn. 35) ohne dass die hier angesprochenen Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung gefunden hätten.

Die Klägerin hat weiter dargelegt, dass sie zur Vorfinanzierung des Ersatzfahrzeuges nicht im Stande war. Dies lässt sich bereits daraus erschließen, dass sowohl das beschädigte Fahrzeug als auch das Ersatzfahrzeug durch die Klägerin finanziert wurden. Die finanzierende Bank hat mit Schreiben vom 26.11.2015 ( Anlage K 7 ) mitgeteilt, dass das Darlehen weiter laufen würde, wenn nicht zuvor der Ablösebetrag in Höhe von 16.051,20 € bis spätestens 10.12.2015 eingezahlt würde. Die Vorschusszahlung von 7.000,00 € war daher nicht ausreichend, um das Ersatzfahrzeug zu erwerben und hierdurch weitere Mietwagenkosten zu vermeiden. Eine Ablösung des Darlehens bei der … war mit dem Vorschuss von 7.000,00 € nicht möglich, eine Ersatzbeschaffung ebenfalls nicht.  Dass die Klägerin auch nicht über die finanziellen Mittel für eine Ersatzbeschaffung verfügte, teilte die Klägervertreterin der Beklagten zu 2) in verschiedenen Emails mit. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist der Klägerin daher nicht vorzuwerfen.

Hinsichtlich der Höhe der Mietwagenkosten ist festzustellen, dass die Firma … für
den Zeitraum 27.11.2015 bis 07.01.2016 einen Mietpreis von 75,65 € brutto/Tag in Rechnung gestellt hat, rechnet man die tatsächliche Mietzeit bis 11.01.2016 sogar lediglich von 69,07 € brutto/Tag. Aus der Rechnung ergibt sich, dass die Mietwagenabrechnung nach dern HUK-Tableau 2013 erfolgt ist. Konkrete Einwände hiergegen haben die Beklagten nicht vorgebracht. Die Rechnung der … über 1.582,70 € für eine Anmietzeit von 14 Tagen, somit mit einem Tagespreis von 113,05 € wurde ohne weitere Einwendungen zur Höhe beglichen. Die Beklagten hatten daher substantiiert darlegen müssen, weshalb, Miettarif der … überhöht sein soll.

3)
Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin die Differenz zwischen den von den Beklagten erstatteten Sachverständigenkosten in Höhe von 1.536,00 € zu dem von dem Sachverständigen abgerechneten Honorar in Höhe von 1.683,37 €, insgesamt somit von 147,37 € beansprucht.

Die Klägerin hat den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten erfüllungshaiber an den von ihr zur Begutachtung des streitgegenständlichen Schadens beauftragten Sachverständigen … abgetreten. Es ist daher bereits zweifelhaft, ob die Klägerin weiterhin berechtigt ist, den Differenzbetrag geltend zu machen. Jedenfalls hat sie jedoch, trotz ausdrücklichen Bestreitens der Beklagten, nicht dargelegt und nachgewiesen, dass der Sachverständige die Differenz von 147,37 € von ihr eingefordert und sie diese an ihn gezahlt hätte. Es ist somit nicht der Beweis erbracht, dass der Klägerin diesbezüglich ein Schaden entstanden ist.

Auch der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 158,27 € wegen der vorzeitigigen Ablösung des Finanzierungsvertrages für das beschädigte Fahrzeug der Klägerin ist unbegründet.

Die Vorfälligkeitsentschädigung entsteht bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehensbetrages. Sie ist vorliegend insofern unfallbedingt angefallen, als die Klägerin ohne das Unfallereignis und den dadurch bedingten Totalschadens des finanzierten Fahrzeuges nicht zur vorzeitigen Beendigung des Finanzierungsvertrages mit der … gezwungen gewesen wäre. Die Vorfälligkeitsentschädigung wurde der Klägerin jedoch nicht gesondert in Rechnung gestellt, wie sie selbst in der mündlichen Verhandlung auf Nächfrage erklärt hat. Sie ist in der Ablösesumme enthalten, die die Beklagte zu 2) getragen hat, wie sich aus dem Abrechnungsschreiben der … vom 26.11.2015 ergibt (Anlage K 7).

Die Klägerin begründet ihren Schaden damit, dass sich der an sie ausgezahlte Guthabensbetrag durch die Vorfälligkeitsentschädigung vermindert hat. Deren Erhebung hat somit zu einer Reduzierung des Guthabens geführt, das nach der Entschädigungsleistung durch die Beklagte zu 2 ) an die Klägerin ausgezahlt wurde. Wäre der Vertrag ohne das Unfallereignis nicht beendet worden, wäre jedoch ein auszuzahlendes Guthaben nicht entstanden, dies ist jedenfalls nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat die Klägerin durch die vorzeitige Ablösung Zinsen erspart, die der Vorfälligkeitsentschädigung gegenzurechnen gewesen wären, um letztendlich den tatsächlich entstandenen Schaden zu ermitteln.

Der Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin ebenfalls beanspruchen. Die Schadensersatzpflicht erstreckt sich auch darauf (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl., § 249 Rn. 57). Da die unbegründete Zuvielforderung der Klägerin keine Gebührenerhöhung ausgelöst hat, besteht ein weiterer Anspruch in Höhe von 167,25 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 91 a ZPO.

Soweit eine Entscheidung über die bis zum Schluss des Verfahrens streitigen Schadenspositionen Mehrwertsteuer, Mietwagenkosten, Vorfälligkeitsentschädigung und Sachverständigenkosten getroffen wurde, richtet sich die Kostenentscheidung nach dem jeweiligen Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Parteien.

Hinsichtlich der zurückgenommenen sowie für erledigt erklärten Schadenspositionen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, da diesbezüglich übereilt Klage erhoben wurde. Allgemein ist davon auszugehen, dass dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners eine gewisse angemessene Prüfungspfiicht zur Verfügung stehen muss, die üblicherweise mit vier bis sechs Wochen angesetzt wird. Diese Frist beginnt mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens (vgl. u.a. OLG Frankfurt Schaden-Praxis 2014, 26 – nach Juris). Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Haftungsfrage selbst keine Probleme aufgeworfen hat, weshalb die Prüfungsfrist hier im unteren Bereich anzusetzen ist. Dennoch muss der Haftpflichtversicherung auch eine ausreichende Frist zur Prüfung der geltend gemachten Schadenspositionen zur Verfügung stehen. Dies wurde hier auch dadurch erschwert, dass das beschädigte Fahrzeug fremdfinanziert war und in kurzen Abständen immer neue Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) angemeldet wurden. So machte die Klägervertreterin zunächst mit Anwaltsschreiben vom 16.11.2015 einen Vorschussanspruch von 7.000,00 € geltend und beanspruchte mit Schreiben vom 23.11.2015 den Totalschaden, eine Pauschale für Ummeldekosten, Sachverständigenkosten sowie eine Unkostenpauschale. Mit weiterem Schreiben vom 26.11.2015 wurden sodann Abschleppkosten und Bearbeitungs- und Portokosten der … in Rechnung gestellt und mit weiterem Schreiben vom 02.12.-20.15 Vorfälligkeitsentschädigung, die nach Angaben der … dem Ablösebetrag bereits enthalten sein sollte. Am 07.12.2015 wurde der Beklagten zu 2) die Freigabeerklärung der … vom 19.11.2015 überlassen und mit Schreiben vom 13.01.2016 zur Erstattung der Mietwagenkosten aufgefordert. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte zu 2) zur Begleichung der beanspruchten Forderungen an die Klägervertreterin aufgefordert wurde, andererseits aber auch Anspruchsberechtigte, wie die … oder die … ihre Ansprüche unmittelbar gegenüber der Beklagten zu 2) abgefordert haben oder Abtretungen, wie im Fall des KFZ-Sachverständigen, erfolgt sind. Auch diesbezüglich muss der Beklagten zu 2) eine gewisse Prüfungsfrist zugebilligt werden. Dass diese in anderen Fällen zu schnelleren Prüfungen und Auszahlungen imstande sein soll, kann nicht verallgemeinernd für eine angemessene Prüfungszeit herangezogen werden, da hierzu nichts konkretes vorgetragen wurde.

Geht man von einer angemessenen Prüfungszeit von 4 Wochen aus, angesichts der in kurzen Abständen abgeforderten Schadenspositionen und der berechtigten Nachfragen z.B. hinsichtlich der Mietwagenkosten, die sich aus dem Schreiben vom 12.01.2016 (Anlage B 3) ergibt, war die Klageerhebung bereits am 15.12.2016 als übereilt und nicht von der Beklagten veranlasst anzusehen. Die erste spezifizierte Anspruchsbezifferung erfolgte mit dem Anwaltsschreiben vom 23.11.2015, die Schadensabrechnung soweit möglich, trotz der Weihnachtszeit bereits am 28.12.2015.

Die Kosten sind nach der Quote des Obsiegens und Unterliegens der Parteien zu verteilen, auch soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat oder übereinstimmende Erledigung erklärt würde (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 92 Rn. 3). Auch hierbei ist der Rechtsgedanke der „fehlenden“ Klageveranlassung der Beklagten aus § 93 ZPO anzuwenden (vgl. Zöller, ZPO, 31, Aufl., § 91 a Rn. 24). Diesbezüglich wird auf die weiter oben erfolgten Ausführungen verwiesen. Auf die Frage, ob die Teilklagerücknahme rechtzeitig erklärt wurde, kommt es nicht entscheidend an.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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6 Antworten zu OLG Dresden verneint rechtsirrig bei einer Ersatzbeschaffung die Erstattung der Mehrwertsteuer, weil es in der Ersatzbeschaffung eine fiktive Abrechnung sieht, mit kritisch zu betrachtendem Urteil vom 4.10.2017 – 14 U 1694/16 -.

  1. H.J.S. sagt:

    Na da bleibt ja außerdem noch die Verfassungsklage.
    So frei ist diese Richterschaft in Ihrer tatrichterlichen Erkenntnis nämlich ausdrücklich eben nicht freigestellt, auch wenn Sie das oft meint.
    Seit wann ist der zur Vorsteuer nicht zum Abzug Berechtigte, gleichzustellen mit dem zum Vorsteuer Abzug Berechtigten?

    Interessant wäre doch dieses Urteil mal dem Finanzamt vorzutragen?
    Was die wohl dazu meinen?
    Kann man dann wenigstens diesen Betrag als außergewöhnliche Belastung geltend machen?
    Oder als Werbungskosten?
    Oder gar voll gegen die Steuer dagegen rechnen?

    Dieser Staat macht mir einfach nur noch Angst.

  2. Iven Hanske sagt:

    Was hat die Frau verkehrt gemacht? Schämt Euch LG wie OLG! Oder gebt was von Euren Versicherungsgeldern ab! Gesellschaftlich untragbar.

  3. virus sagt:

    Wer nach dieser rechtsbeugenden Meisterleistung des OLG Dresden sich als Privatperson noch ein Kredit finanziertes Fahrzeug vom Händler leistet, der kann nur mit dem Klammerbeutel gepudert sein.

  4. Iven Hanske sagt:

    Wie soll Ersatzbeschaffung funktionieren, wenn die Geschädigte dazu das Geld aus der fiktiven Abrechnung braucht. Entweder Fiktiv oder Ersatzbeschaffung ist realer Unsinn und vom BGH ohne Vorsteuerabzugsberechtigung noch nicht entschieden. Spätestens im Gehörsrügeverfahren hätte neu terminiert und die Revision zugelassen werden müssen, wenn diese Richter Anstand besitzen und nicht versicherungsfreundlich rum konstruieren würden. Ich denke da an den vom OLG Dresden rechtswidrig in den Markt diktierten 25% Nebenkostenschrott, welcher noch heute von den Versicherungsrichtern, entgegen des anschließend klärenden BGH, angewendet wird. Dort hatte das OLG Dresden selbst ein ominöses Gutachten gebraucht um den angeblichen Kenntnisstand des Geschädigten (ohne Gutachten), entgegen den veröffentlichten Befragungen der Verbände, zu begründen. So eine Justiz braucht keine Demokratie, da ist das Faustrecht fairer!

  5. Hein Blöd sagt:

    E steht schwarz auf weiss in den Gesetzesmaterialien zu §249 II,2 BGB,dass die umsatzsteuerpflichtige Ersatzbeschaffung einen „Anfall“ der UsT im Sinne der Vorschrift darstellt.
    Sind diese Richter des Lesens mächtig?
    Siehe Palandt,77.Aufl.,§249 BGB Rz.26:
    „Nach seiner Entstehungsgeschichte und seinem Normzweck gilt II,2 auch für die Schadensbeseitigung durch Ersatzbeschaffung (BGH NJW 04,1943,2086).“
    Wir sollten vielleicht zusammenlegen und dem Dresdener OLG einen Palandt schenken,bei dem—das Buch hat ja nun wirklich viele auch noch kleistbedruckte Seiten—die Seite 310 mit einem Fähnchen und die Rz.26 mit einem Farbstift optisch in´s Auge springend markiert ist.
    Ich gebe 10,-€……um zahlreiche Beteiligung an dieser gemeinnützigen Spendenaktion darf gebeten werden.

  6. Thomas Spiegel sagt:

    Die Entscheidung des OLG Dresden ist völlig richtig.
    Siehe dazu BGH (AZ: VI ZR 40/18).

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