Auch wenn der Geschädigte als Unternehmer seinen Schadensersatzanspruch nach unverschuldetem Verkehrsunfall mittels anwaltlicher Hilfe gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend macht, sind dessen Kosten vom Schädiger zu erstatten. Daran ändert auch nicht die geschäftliche Gewandtheit des Geschädigten.
Und:
Selbst in Fällen, in welchen dem Grunde nach die Haftung bejaht wird, führt das auch nach der allgemeinen Erfahrung des vorliegenden Gerichts nicht ohne Weiteres dazu, dass sämtliche Rechtspositionen hinsichtlich des Schadens reguliert werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02.12.2014, Az. 22 U 171/13, zit. nach juris).
Kann eine Ohrfeige schallender sein?
Zum Sachverhalt teilt der Einsender nachfolgend mit:
Unser Geschäftsfahrzeug wurde an einer roten Ampel stehend von der VN der WGV Versicherung am 20.02.2017 in Esslingen angefahren. Die WGV Versicherung hatte die Schadenpositionen ausgeglichen, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass ein KFZ-Sachverständigenbüro – genauso wie eine Werkstatt oder einen Autovermietung – selbst in der Lage sein müsste einen einfach gelagerten Schadenfall mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung abzuwickeln und verweigerte somit die Übernahme der Rechtsanwaltskosten. Dies gab einmal mehr Anlass die VN der WGV gerichtlich in Anspruch zu nehmen.
Mit Abrechnungsschreiben vom 15.03.2017 weist die WGV auf folgendes hin:
„Die Rechtsanwaltsgebühren sind nicht i.S. d. § 249 BGB erforderlich, wenn der Schadensfall von vornherein einfach gelagert war, an der Erstattungspflicht des Schädigers keine Zweifel entstanden und der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer auf ein erstes Anspruchschreiben unverzüglich reguliert hat (BGH-Urteil vom 08.11.1994, VersR 1995, 183).
Bei Unternehmen ist davon auszugehen, dass sie auch ohne Vorhandensein einer Rechtsabteilung selbst genügend geschäftsgewandt sind, um Schadenersatzansprüche wegen der Beschädigung eines geleasten Fahrzeuges selbst geltend zu machen und die entsprechende Korrespondenz zu führen.
Hierzu verweisen wir auf folgende Urteile:
(es folgen diverse, nach unten stehenden Ausführungen, rechtswidrig ergangene Urteile)
Die Anwaltsgebühren lehnen wir daher als nicht erforderlich ab.
Mit freundlichen Grüßen
WGV-Versicherung AG“
Vorliegend handelt es sich aber gerade nicht um ein geleastes Fahrzeug, sondern um Betriebseigentum. Ferner verschweigt die WGV natürlich, dass es gerade mit deren Beteiligung nahezu keine „einfach gelagerten“ Schadenfälle mehr gibt.
So ist unter anderem die WGV dafür bekannt häufig zu bestreiten, was es nur zu bestreiten gibt. Gerade diese Erfahrungen mit der WGV haben uns veranlasst, die Schadenregulierung von Anfang an in die Hände eines versierten Verkehrsrechtsexperten zu legen.
Nun folgt fast ein Jahr nach dem Verkehrsunfall das fällige Urteil im Anhang.
MfG
Mario Stoll
Aktenzeichen:
1 c 661/17
Amtsgericht Esslingen
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
… GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer
– Klägerin-
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Werner Dory und Kollegen, Christophstraße 1, 73033 Göppingen
gegen
– Beklagte-
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. … Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, … 80331 München,
wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Esslingen durch die Richterin am Amtsgericht Dr. S. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2017 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 281,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beweisbeschluss vom 09.08.2017 wird aufgehoben.
5. Der Streitwert wird auf 281,30 € festgesetzt.
(abgekürzt germäß § 313 a ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 281,30 € als Schadensersatz gemäß der§§ 7 StVG, §§ 823, 249, 286 BGB zu.
Unstreitig ist zwischen den Parteien die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 20.02.2017 in 73734 Esslingen-Bergheim. Zu den nach § 249 BGB ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Der Geschädigte ist berechtigt, diejenigen Kosten ersetzt zu verlangen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte zweckmäßig und erforderlich waren, wobei es auf die geschäftliche Gewandtheit der geschädigten Partei grundsätzlich nicht ankommt (BGH, Urteil vom 08.11.1994, Aktenzeichen VI ZR 3/94). Der BGH hat in der genannten Entscheidung verdeutlicht, dass der Geschädigte in einem von vornherein nicht ganz einfach gelagerten Schadensfall zu eigener Müheverwaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet ist. Zudem widerspräche es dem Schadensrecht, die rechtliche Qualifikation des Geschädigten als Kriterium für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts heranzuziehen.
Entscheidend ist vielmehr, ob die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nach kommen werde (BGH, Urteil vom 18.01.2005, Aktenzeichen: VI ZR 73/04). Eine solche Fallgestaltung, in welcher die Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten ausnahmsweise zu verneinen wäre, ist vorliegend indes nicht zu bejahen. Denn aus der maßgeblichen exante Sicht der Klägerin war bei Hinzuziehung rechtsanwaltlicher Hilfe die vollständige Haftung der Beklagten bereits dem Grunde nach der vollständige Ersatz des Schadens dem Umfang nach nicht ohne Weiteres offensichtlich. Selbst in Fällen, in welchen dem Grunde nach die Haftung bejaht wird, führt das auch nach der allgemeinen Erfahrung des vorliegenden Gerichts nicht ohne Weiteres dazu, dass sämtliche Rechtspositionen hinsichtlich des Schadens reguliert werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02.12.2014, Az. 22 U 171/13, zit. nach juris). Aus diesem Grund ist auch die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht zu beanstanden. Dies gilt unbenommen des Umstandes, dass es sich bei der Klägerin um eine GmbH handelt. Der Ansatz des Stundenverrechnungssatzes einer 1,3 Geschäftsgebühr hält das Gericht für angemessen (§ 287 ZPO). Soweit der Beweisbeschluss vom 09.08.2017 aufgehoben wurde, wird auf das Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom 28.08.2017 im Zusammenhang mit der fehlenden Verpflichtung zur Einholung desselben verwiesen.
Der Anspruch hinsichtlich der Nebenforderung folgt aus den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus§ 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Dr. S.
Richterin am Amtsgericht
Verkündet am 10.01.2018