Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
von Eilenburg geht es weiter nach Diez. Wir stellen Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Diez zu den Verbringungskosten bei der konkreten Abrechnung der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten sowie zu den gekürzten Sachverständigenkosten gegen die bei dem LVM Versicherungsverein versicherte Halterin und deren „Streithelferin“ vor. Da hat die LVM ihren bei ihr Versicherten keinen guten Dienst erwiesen als sie als Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Versicherungsnehmerin dem Rechtsstreit beigetreten ist. Jetzt hat sie nicht nur ihre eigenen Prozesskosten selbst zu tragen, sondern die bei ihr Versicherte hat wegen der ihr auferlegten Kosten einen Freistellungsanspruch gegenüber ihrer Versicherung, der LVM. So muss die LVM zweimal Prozesskosten bezahlen und dann auch noch den Urteilsbetrag darüber hinaus, denn auch insoweit besteht aufgrund des Versicherungsverhältnisses ein Freistellungsanspruch. Zum Rechtsstreit um restliche Sachverständigenkosten und Verbringungskosten ist zu sagen, dass das erkennende Gericht aufgrund des bisherigen Regulierungsverhaltens der Streithelferin zu Recht deren Bestreiten als unerheblich zurückgewiesen hat. Auffallend ist, dass die Versicherer immer häufiger dazu übergehen, alles zu bestreiten, ob es sinnvoll ist oder nicht. Da müssen die Versicherer, sofern sie am Prozess beteiligt sind, auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen werden. Im Übrigen ist es rechtsmissbräuchlich, zunächst zu leisten und dann später die Forderungsberechtigung zu bestreiten, § 242 BGB. Das hat das erkennende Gericht nunmehr der LVM ins Versicherungsbuch geschrieben. Zu Recht hat das erkennende Gericht auch darauf hingewiesen, dass der Streit um die Sachverständigenkosten nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden kann. Das ergibt sich auch daraus, dass der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige nicht dessen Erfüllungsgehilfe, sondern der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.). Auch die Ausführungen der Beklagtenseite zu den restlichen, konkret angefallenen Reparaturkosten gehen fehl. Der Kläger rechnet die Reparaturkosten insgesamt konkret ab, denn sie sind durch die Reparatur und die Berechnung der Wiederherstellungskosten konkret angefallen. Sie unterliegen daher § 249 I BGB. Im Übrigen ist nach BGH die Reparaturwerkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers bei der ihm nach § 249 I BGB obliegenden Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes (vgl. BGHZ 63, 182 ff.). Etwaige Fehler gehen zu Lasten des Schädigers und dessen Versicherers. Das ergibt sich auch daraus, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Schädiger das Prognose- und Werkstattrisiko trägt. Auch darauf hat das erkennende Gericht zu Recht hingewiesen. Insgesamt handelt es sich daher unserer Auffassung nach um eine prima Entscheidung des AG Diez. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 129/16
Amtsgericht
Diez
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger
gegen
1. …
– Beklagte –
2. LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., Koldering 21, 48126 Münster
– Nebenintervenientin zu 1 –
wegen Schadensersatz aus Unfall/Vorfall
hat das Amtsgericht Diez durch die Richterin am Amtsgericht W. am 15.11.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 131,91€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 73,90 € seit dem 11.05.2016 und aus 58,01€ seit dem 17.05.2016 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Nebenintervenientin trägt ihre Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche betreffend Sachverständigen- und Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall vom 14.04.2016 in Singhofen. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist vor dem Hintergrund des vorgerichtlichen Regulierungsverhaltes und den ausführlichen Ausführen des Klägers unsubstantiiert.
Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 73,90 € Sachverständigenkosten zu zahlen.
Der Kläger war berechtigt den Sachverständigen … mit der Erstellung der Schadensgutachten zu beauftragen.
Der Schädiger hat grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, soweit diese aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Hinsichtlich der hier nur noch streitgegenständlichen Kosten ist dabei maßgeblich, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten im Rahmen des Erforderlichen halten, d.h. die Kosten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich erachtet. Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist nicht verpflichtet zunächst eine Marktforschung zu betreiben, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden. Die Abrechnung des hier beauftragten Sachverständigen entspricht auch nach ständiger Rechtsprechung einer rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Ein Preisvergleich ist einem Geschädigten in der Regel nicht möglich und nicht zuzumuten. Der Streit über die Höhe der Gutachterkosten kann nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.
Etwas anderes kann immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht. Dies ist vorliegenden offensichtlich nicht der Fall.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diesem Honorar die geltend gemachten Nebenkosten für Fremdleistungen, Schreibkosten, Fahrtkosten, Lichtbilder, Kopierkosten und Telefon/Porto hinzuzusetzen. Inwieweit die genannten Kosten für übersetzt angesehen werden, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im Übrigen gilt hier auch das oben Gesagte.
Darüber hinaus
Der Einwand gegen die Fahrtkosten, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Grundsätzlich muss es dem Sachverständigen überlassen bleiben, inwieweit er in einem vertretbaren Rahmen Fahrtkosten ansetzen will. Auch im übrigen vermag er die Kosten pauschaliert geltend zu machen.
Weiter sind die Sachverständigenkosten gezahlt. Die Einwendungen der Beklagten gehen auch hier fehl. Die Rechnung wurde in voller Höhe gezahlt. Dass die Nebenintervenientin einen geringen Betrag zur Anweisung gebracht hat, ändert hieran nichts. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auf eine existierende Schuld gezahlt. Dies ergibt sich aus den obigen Ausführungen.
Eine wirksame Zahlungsbestimmung im Hinblick auf die Nebenkosten des Gutachtens hat sie im übrigen auch nicht getroffen. Der Hinweis im Abrechnungsschreiben, dass lediglich pauschal 100,– € für erforderlich gehalten werden, ist keine Zahlungsbestimmung im Sinne des § 366 BGB. Es erläutert lediglich die Abzüge.
Die Beklagte ist weiter verpflichtet an den Kläger weitere 58,01 € Reparaturkosten zu zahlen. Der Kläger hat das Fahrzeug reparieren lassen. Ihm steht daher der hierfür aufgewandte Betrag zu. Soweit die Beklagte meint, Verbringungskosten seien nicht zu ersetzen, verkennt sie, dass diese vorliegend nicht fiktiv geltend gemacht werden, sondern tatsächlich angefallen sind. Ob das Autohaus hier ggf. Fahrten hätte zusammenführen müssen oder nicht, obliegt nicht dem Belieben des Schädigers. Dieser trägt hinsichtlich der Kosten für eine Reparatur das Prognoserisiko.
Soweit die Beklagten hier Ausführungen zu einem „Unfallhelferring“ macht, ist dies aus den vorgenannten Erwägungen unbeachtiich.
Nach alledem war die Beklagte zu verurteilen.
Die Zinsentscheidungen folgen aus §§ 288, 247 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen. Soweit die Anhängigkeit weiterer Verfahren bei verschiedenen Amtsgerichten geltend gemacht wird, führt dies nicht zwingend zur Berufungszulassung.
Streitwert: bis 300,– €
Urteilsliste “Verbringungskosten u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Hallo, Willi,
Du schreibst in deinem Kommentar:
„Auch die Ausführungen der Beklagtenseite zu den restlichen, konkret angefallenen Reparaturkosten gehen fehl. Der Kläger rechnet die Reparaturkosten insgesamt konkret ab, denn sie sind durch die Reparatur und die Berechnung der Wiederherstellungskosten konkret angefallen. Sie unterliegen daher § 249 I BGB. Im Übrigen ist nach BGH die Reparaturwerkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers bei der ihm nach § 249 I BGB obliegenden Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes (vgl. BGHZ 63, 182 ff.). Etwaige Fehler gehen zu Lasten des Schädigers und dessen Versicherers. Das ergibt sich auch daraus, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Schädiger das Prognose- und Werkstattrisiko trägt.“
Das gilt gleichermaßen jedoch auch für die Sachverständigenkosten, wenn ich das nicht ganz falsch verstehe.
H.U.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auf eine existierende Schuld gezahlt. Dies ergibt sich aus den obigen Ausführungen.
Eine wirksame Zahlungsbestimmung im Hinblick auf die Nebenkosten des Gutachtens hat sie im übrigen auch nicht getroffen.
Der Hinweis im Abrechnungsschreiben, dass lediglich pauschal 100,– € für erforderlich gehalten werden, ist keine Zahlungsbestimmung im Sinne des § 366 BGB. Es erläutert lediglich die Abzüge.“
Das passt auch auf die Vorgehensweise anderer Versicherungen , die sich in einem Kürzungsfieber ergehen.
Jochen P.
Ein mir bekannter Sachverständiger musste einmal weniger als sechs Euro gegen den LVM einklagen, es wurden die Nebenkosten ebenfalls pauschal auf 100,- Euro gekürzt.
Das AG gab dem LVM noch recht, das LG kassierte die Entscheidung. Und trotzdem kürzte der LVM munter bei genau diesem Sachverständigen weiter. Auch nach Übersendung des Berufungsurteils wollte man dort nicht zahlen. Der LVM blieb bei seiner Rechtsauffassung und das LG habe ja keine Ahnung…
Früher war der LVM eine empfehlenswerte Versicherung, heute ist er nur noch Schrott.
Viele Grüße
Kai