Auch bei einem Tarifwechsel innerhalb der Privaten Krankenversicherung verlangen die Versicherer eine aktuelle umfassende Gesundheitsprüfung. Dagegen wehrte sich ein Ehepaar zunächst am OLG Karlsruhe, AZ 12 U 106/15 vom 14.01.2016, erfolgreich. Der BGH IV ZR 45/16 wollte dem so in Gänze jedoch nicht folgen. Für den Teil an der Mehrleistung dürfe der Versicherer sehr wohl eine neuerliche Gesundheitsprüfung verlangen. Da das Mehr hier in einem niedrigeren Selbstbehalt bestand, verwies der BGH das Verfahren zurück an das OLG Karlsruhe 12 U 106/15, Urteil vom 22.11.2016. Im dortigen Verfahren verglichen sich der beteiligte Versicherer und die Kläger auf einen Zuschlag auf die monatliche Prämie von 40 bzw. 15 Euro.
IM NAMEN DES VOLKES
BUNDESGERICHTSHOF
URTEIL
IV ZR 45/16 Verkündet am: 20. Juli 2016
VVG § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Steht dem privaten Krankenversicherer im Falle eines Tarifwechsels des Versicherungsnehmers nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG das Recht zu, für die Mehrleistung im Zieltarif einen angemessenen Risikozuschlag zu verlangen, so darf er nur für diese Mehrleistung auch eine erneute Gesundheitsprüfung durchführen.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 – IV ZR 45/16 – OLG Karlsruhe – LG Mannheim
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Dr. Karczewski und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2016
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 12. Zivilsenat – vom 14. Januar 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten zur Erhebung von Risikozuschlägen anlässlich eines Tarifwechsels in der privaten Krankenversicherung.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten seit 1983 für sich und seit 1993 zusätzlich für seine Ehefrau als versicherte Person eine private Krankenversicherung. Bis zum 31. Dezember 2011 waren der Kläger und seine Ehefrau im Tarif X (im Folgenden: Herkunftstarif) versichert, der eine jährliche Selbstbeteiligung in Höhe von 1.404 € ohne Vereinbarung von Risikozuschlägen vorsah. Ende 2011 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit dem Wunsch nach einem Tarifwechsel. Die Beklagte schlug ihm mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 unter Berücksichtigung aller bekannten Vorerkrankungen und einer noch vorzunehmenden abschließenden Gesundheitsprüfung den Tarif (im Folgenden: Zieltarif) mit einer jährlichen Selbstbeteiligung in Höhe von je 500 € vor. Die monatliche Prämie sollte für den Kläger 277,22 € und für die Ehefrau 402,01 € betragen. Der Änderungsantrag vom 10. Januar 2012 wurde von dem für den Kläger zuständigen Versicherungsvermittler ausgefüllt, vom Kläger und seiner Ehefrau unterzeichnet und bei der Beklagten eingereicht. In der Rubrik „Medizinischer Wagnisausgleich“ befand sich keine Eintragung.
Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 8. Februar 2012 stellte die Beklagte den Tarif rückwirkend zum 1. Januar 2012 auf der Grundlage der im Antrag genannten Gesamtprämien um, wobei anteilig für den Kläger und seine Ehefrau jeweils ein medizinischer Wagniszuschlag inHöhe von monatlich 75,33 € aufgeführt war. Mit Schreiben vom 10. Februar 2012 begehrte der Kläger die Streichung des Risikozuschlags. Dies lehnte die Beklagte ab und erstellte am 8. August 2012 einen Nachtrag zum Versicherungsschein, der weiterhin einen monatlichen Wagnisausgleich in Höhe von je 75,33 € für den Kläger und seine Ehefrau vorsieht sowie im Einzelnen die zusätzlichen medizinischen Wagnisse bezeichnet, für den Kläger Prostataerkrankungen, Osteoporose, Arthrose, Erkrankungen und Veränderungen des Rückens und der Wirbelsäule sowie für die Ehefrau Fettstoffwechselstörungen und Beinvenenerkrankungen.
Der Kläger hat zunächst die Feststellung begehrt, dass der Monatsbeitrag für ihn und seine Ehefrau ohne Wagnisausgleichzuschlag inHöhe von monatlich 75,33 € besteht und die Beklagte verpflichtet ist, die seit 1. Januar 2012 diesbezüglich vereinnahmten Beträge an den Kläger zu erstatten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels auf die erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge in der Hauptsache festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Antrag des Klägers vom 10. Januar 2012 auf Wechsel aus dem Herkunftstarif des privaten Krankenversicherungsvertrages für den versicherten Kläger und seine Ehefrau in den Zieltarif ohne Einbeziehung eines monatlichen Wagnisausgleichs zu einem Betrag von 201,89 € für den Kläger und von 326,77 € für seine Ehefrau, jeweils rückwirkend zum 1. Januar 2012, anzunehmen, und die diesbezüglich seitdem monatlich zu viel entrichteten Beträge zurückzuerstatten.Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen sowie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in r+s 2016, 190 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, über die vom Kläger erstmals zulässigerweise im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge sei zu befinden, weil der auf Feststellung einer erfolgten Vertragsänderung gerichtete Hauptantrag unbegründet sei. Eine Einigung der Parteien über eine Versicherung zum Zieltarif ohne Wagniszuschlag sei nicht erfolgt. Der Kläger habe allerdings einen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Versicherung im Zieltarif rückwirkend zum 1. Januar 2012 ohne Erhebung eines Risikozuschlags annehme. Zwar treffe es zu, dass die Nachträge zum Versicherungsschein hinsichtlich der insgesamt zu entrichtenden Prämie im Vergleich zum Änderungsantrag vom 10. Januar 2012 nicht zum Nachteil des Klägers abwichen. Dem Antrag des Klägers lasse sich aber nicht entnehmen, dass er mit der Erhebung eines Risikozuschlags einverstanden gewesen wäre. Anderenfalls liefe das darauf hinaus, dass ein Versicherer versteckte Zuschläge erheben könne, indem diese nicht gesondert ausgewiesen, sondern in den Gesamtzahlbetrag eingerechnet würden.
Die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger und seine Ehefrau im Zieltarif ohne einen Wagniszuschlag zu versichern. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte gemäß § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 VVG ein Anspruch auf Tarifwechsel zu. Der im Zieltarif im Vergleich zum Herkunftstarif geringere Selbstbehalt stelle eine partielle Mehrleistung der Beklagten dar. Zu den aus dem Vertrag erworbenen Rechten zähle allerdings auch die Bewertung des Gesundheitszustandes, wie sie der Versicherer bei Abschluss des Vertrages im Herkunftstarif vorgenommen habe. Er dürfe daher im weiteren Vertragsverlauf von dieser Einstufung nicht zu Ungunsten des Versicherten abweichen. Dies bedeute, dass auch bei der Gesundheitsprüfung im Rahmen des Änderungsantrags stets auf den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Krankenversicherungsvertrages abzustellen sei. Sehe der Zieltarif die Erhebung eines Risikozuschlags vor, so habe der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass er nach Maßgabe der ursprünglichen Risikoeinstufung bewertet werde. Hier habe die Beklagte bei ihrer Risikoeinstufung nicht auf den Gesundheitszustand des Klägers 1983 bzw. seiner Ehefrau 1993 abgestellt, sondern ausweislich des Schreibens vom 9. Dezember 2011 alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorerkrankungen berücksichtigt. Dass die Erkrankungen, die für die Beklagte Anlass der Erhebung der Risikozuschläge gewesen seien, bereits 1983 respektive 1993 vorgelegen haben, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hieraus folge, dass der Kläger auch Feststellung der Erstattungspflicht der zu viel entrichteten Prämien verlangen könne.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.
1.Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, zwischen den Parteien sei auf der Grundlage des Angebots des Klägers in seinem Änderungsantrag vom 10. Januar 2012 sowie der Annahme der Beklagten im Versicherungsschein vom 8. Februar 2012 ein Vertrag mit den von der Beklagten geforderten Prämien in Höhe von 277,22 € für den Kläger und 402,01 € für seine Ehefrau zustande gekommen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, aus der Sicht des um Verständnis bemühten Versicherers sei ein Antrag des Versicherungsnehmers, der – wie hier – keine Angaben zu einem Risikozuschlag enthalte, in dem Sinne zu verstehen, dass eine Versicherung zum „Grundtarif“ ohne Zuschläge beantragt werde, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung von Individualerklärungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätzeverletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem Verfahrensfehler beruht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 2015 – IV ZB 27/15, ZEV 2016, 31 Rn. 12; vom 3. November 2014 – IV ZR 230/14, r+s 2015, 458 Rn. 11). Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier nicht vor. Zutreffend ist zwar, dass der Antrag des Klägers und die Annahme der Beklagten jeweils identische Prämien für den Kläger und seine Ehefrau vorsehen. Hieraus musste das Berufungsgericht aber nicht zwingend schließen, dass sich die Willenserklärungen auch in ihrem rechtlichen Gehalt decken. Vielmehr hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, das Angebot eines Versicherungsnehmers, das – wie hier – keine Angaben zu einem Risikozuschlag enthalte, sei dahin zu verstehen, dass eine Versicherung in dem jeweiligen Zieltarif ohne Zuschläge beantragt werde. Hier sind jedenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger trotz fehlender Angaben zum Wagnisausgleich in dem Versicherungsantrag stillschweigend einen ihm – dem Kläger – unbekannten Zuschlag in seinen – auch für die Beklagte erkennbaren – Vertragswillen aufgenommen hätte.
Nicht rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht demgegenüber davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger und seine Ehefrau im Zieltarif ohne Einbeziehung eines monatlichen Wagniszuschlags zu einem Monatsbeitrag von 201,89 € bzw. 326,77 € zu versichern.
a) Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Tarifwechsel gemäß § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 VVG zu. Hiernach kann der Versicherungsnehmer bei einem bestehenden Versicherungsverhältnis vom Versicherer verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Mit diesem Tarifwechselrecht wird bezweckt, insbesondere älteren Versicherungsnehmern bei Schließung ihres Tarifs („Herkunftstarif“) die Möglichkeit zu eröffnen, eingetretene Kostensteigerungen durch einen Wechsel in einen anderen Tarif des Versicherers („Zieltarif“) zu vermeiden (Senatsurteile vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15, juris Rn. 8; vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15, VersR 2015, 1012 Rn. 8; vom 12. September 2012 – IV ZR 28/12, VersR 2012, 1422 Rn. 7; BVerwG VersR 2010, 1345 Rn. 27). Dieser Tarifwechselanspruch ist ein Optionsrecht des Versicherungsnehmers im Rahmen des den Versicherer treffenden Kontrahierungszwangs auf Inhaltsänderung des bestehenden Krankenversicherungsvertrages (Senatsurteile vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15, vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15 und vom 12. September 2012 – IV ZR 28/12 je aaO; BVerwG aaO Rn. 30). Die Voraussetzungen dieses Tarifwechselanspruchs sind hier unstreitig gegeben.
Besteht ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf einen Tarifwechsel, so kann der Versicherer, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen (§ 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VVG). Hier enthält der Zieltarif nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts Mehrleistungen im Sinne von § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VVG. Zu diesen zählt auch der Wegfall eines Selbstbehalts oder – wie hier – ein geringerer Selbstbehalt im Zieltarif gegenüber dem Herkunftstarif (vgl. Senatsurteil vom 12. September 2012 – IV ZR 28/12, VersR 2012, 1422 Rn. 8; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 204 Rn. 15; Voit in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 204 Rn. 30). Eine Saldierung mit möglichen Minderleistungen findet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht statt (Senatsurteil vom 12. September 2012 – IV ZR 28/12 aaO Rn. 11).
b) Ist die Beklagte mithin grundsätzlich berechtigt, vom Kläger einen angemessenen Risikozuschlag zu verlangen, so ist bei dessen Berechnung zu beachten, dass es durch den Tarifwechsel nicht zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages kommt, sondern der bisherige Krankenversicherungsvertrag unter Wechsel des Tarifs fortgesetzt wird (Senatsurteile vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15 aaO Rn. 13; vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15 aaO Rn. 21; BVerwG aaO Rn. 30). Hieraus folgt, dass zu den aus dem Vertrag erworbenen Rechten auch die Bewertung des Gesundheitszustandes zählt, wie sie der Versicherer bei Abschluss des Vertrages im Herkunftstarif vorgenommen hat. Hat der Versicherer auf dieser Grundlage eine Gesundheitsprüfung durchgeführt und das gesundheitliche Risiko eingeschätzt sowie die Entscheidung getroffen, den Versicherungsnehmer nach Maßgabe des derart festgestellten und bewerteten Gesundheitszustandes zu versichern, so erlangt der Versicherungsnehmer aus dieser Bewertung eine Position, die zu den „aus dem Vertrag erworbenen Rechten“ gehört. Der Versicherer darf daher im weiteren Vertragsverlauf von dieser Einstufung nicht zuungunsten des Versicherten abweichen, und zwar auch dann nicht, wenn im Lichte späterer Erkenntnisse, etwa aufgrund des weiteren Krankheitsverlaufs oder neuerer Ergebnisse der medizinischen Forschung, die damalige Einstufung zu günstig war (Senatsurteile vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15 aaO Rn. 13; vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15, VersR 2015, 1012 Rn. 16, dort auch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Hieraus folgt, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Antrags des Klägers auf Tarifwechsel nicht berechtigt war, unter Anwendung der §§ 19 ff. VVG eine vollständig neue Gesundheitsprüfung durchzuführen und auf dieser Grundlage einen Leistungsausschluss oder einen Risikozuschlag zu verlangen. Berechtigt ist der Versicherer dagegen, wie sich aus der Formulierung „soweit“ in § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VVG ergibt, für die Mehrleistung des Zieltarifs einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag zu verlangen. Bezüglich dieser Mehrleistung des Zieltarifs hat der Vertrag den Charakter einer Zusatzversicherung (Senatsurteil vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15 aaO Rn. 14; MünchKomm-VVG/Boetius, § 204 Rn. 334). Hinsichtlich der Mehrleistung kann der Versicherer daher für die Berechnung des angemessenen Risikozuschlages auch eine Gesundheitsprüfung vornehmen (Senatsurteil vom 13. April 2016 – IV ZR 393/15 aaO Rn. 15; Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 5. Aufl. § 204 Rn. 80; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 204 Rn. 15; MünchKomm-VVG/Boetius aaO Rn. 335; Lehmann, VersR 2010, 992, 994). An dieser Auffassung ist auch unter Berücksichtigung der hieran von der Revisionserwiderung geübten Kritik festzuhalten (so auch LG Düsseldorf VersR 2016, 912; anders Egger, VersR 2016, 885). Der Senat weicht mit seiner Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht von derjenigen des Bundesverwaltungsgerichts (VersR 2010, 1345; 2007, 1253; 1999, 743) ab, so dass eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht geboten ist. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich entschieden, dass bei einem Tarifwechsel die Erhebung eines pauschalen Tarifstrukturzuschlages nicht in Betracht kommt (VersR 2010, 1345 Rn. 20, 26 f.). Davon geht auch der Senat aus (Urteil vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15, VersR 2015, 1012 Rn. 13). Nicht entschieden ist damit die weitere hier zu beantwortende Frage, ob der Versicherer für die Mehrleistung bei einem Tarifwechsel einen angemessenen Risikozuschlag auf der Grundlage einer für die Mehrleistung durchzuführenden Gesundheitsprüfung verlangen kann. Hierzu verhält sich auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1999 nicht (VersR 1999, 743).
c) Nach dieser Maßgabe kann die Beklagte aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls den hier begehrten Risikozuschlag von je 75,33 € nicht beanspruchen. Ausweislich ihres Schreibens vom 9. Dezember 2011 hat sie alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorerkrankungen des Klägers und seiner Ehefrau berücksichtigt. Sie hat sich in der Folge zur Begründung des Risikozuschlages ausdrücklich auf Vorerkrankungen entsprechend vorliegender Arztrechnungen aus den Jahren 2010 und 2011 gestützt. Dieses Abstellen auf den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers und der versicherten Person im Zeitpunkt des Tarifwechsels ist indessen auf der Grundlage der obigen Ausführungen nur im Umfang der Mehrleistung möglich, hier also in Höhe der Differenz zwischen der bisherigen Selbstbeteiligung von 1.404 € und der im Zieltarif vorgesehenen Selbstbeteiligung von 500 €, mithin in Höhe von 904 € jährlich. Es ist nicht festgestellt und auch von der Beklagten nicht vorgetragen, dass sich der von ihr erhobene Risikozuschlag von 75,33 € monatlich ausschließlich auf diese Zusatzleistung bezieht. Vielmehr hat die Beklagte selbst dargelegt, schon bei der Ehefrau des Klägers hätten die Diagnosen Varizen und Hypercholsterinämie einen Risikozuschlag von 17% gerechtfertigt, was bei dem damaligen Tarifbeitrag von 477,17 € einen Risikozuschlag von 81,11 € gerechtfertigt hätte. Die Beklagte hat mithin den Risikozuschlag auf der Basis des gesamten vom Kläger geschuldeten Tarifbeitrages errechnet, nicht dagegen nur bezüglich der Mehrleistung, hier der Differenz von 904 € jährlich für die Selbstbeteiligungen im Herkunfts- und im Zieltarif. Dies zeigt sich auch darin, dass der von der Beklagten errechnete Risikozuschlag jährlich einen Betrag von 903,96 € (12 x 75,33 €) und damit praktisch den gesamten Mehrbetrag ausmacht. Hinsichtlich des nicht von der Mehrleistung umfassten Tarifs ist die Beklagte indessen nicht berechtigt, auf den Gesundheitszustand des Klägers und seiner Ehefrau anlässlich des Tarifwechsels abzustellen, sondern an die Risikoeinstufung bei Vertragsabschluss in den Jahren 1983 bzw. 1993 gebunden.
d) Aus der Unwirksamkeit des von der Beklagten angesetzten Risikozuschlages von je 75,33 € monatlich folgt indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass die Beklagte daran gehindert wäre, vom Kläger und seiner Ehefrau überhaupt einen Risikozuschlag zu verlangen, und den Antrag des Klägers auf Tarifwechsel ohne einen monatlichen Risikozuschlag annehmen müsste. Die Beklagte kann vielmehr hinsichtlich der Mehrleistung, hier also der Differenz von bisherigem und künftigem behandlungsbezogenen Selbstbehalt in Höhe von 904 € jährlich, einen angemessenen Risikozuschlag auf der Grundlage einer insoweit zulässigen Gesundheitsprüfung verlangen. Die erforderlichen Fest- stellungen, ob und in welcher Höhe ein derartiger Risikozuschlag in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien zu treffen haben.
LG Mannheim, Entscheidung vom 02.06.2015 – 1 O 159/13 - OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.01.2016 – 12 U 106/15
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https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Termine/DE/Termine/VIIIZR225.html;jsessionid=FBBE3821BBB8A53BB5AA8FED88B0B1F6.1_cid286
Interessieren würde mich (und wohl viele anderen LeserInnen) eher, wo hin diese HP „CH“ marschiert…..scheinbar in den Abgrund…
@ Buschtrommler
Es wäre bedauerlich, wenn „Captain Huk“ in den Abgrund marschieren würde. Auch ich würde es sehr bedauern, wenn es so kommen würde. Immerhin habe ich – wie auch der Chefredakteur, und der sogar noch mehr – Freizeit für diesen Blog über etliche Jahre geopfert. Jetzt kann ich nicht mehr. Nächsten Monat bin ich schon wieder in der Uni-Klinik in Münster.
Also selbst zur Tastatur greifen und Beiträge einstellen. Nicht beschweren, sondern tun. Das ist das Motto.
Es kann auch nicht angehen, dass im Wesentlichen nur zwei Leute den Blog unterhalten und bei deren Ausfall dann alles zusammenbricht. Liebe Leser, haltet den Blog aufrecht.
Hier hat der 8. Senat des BGH zumindest noch die Möglichkeit genutzt, auf die Rechtslage ausdrücklich hinzuweisen, obwohl sich die Parteien kurz vor dem Termin verglichen hatten um so dem BGH auch das Wort in der Sache zu entziehen.
Ich vermute aber das, trotz großer Presseaufmerksamkeit hierzu, dennoch für die meisten Betroffenen die Ansprüche bereits verjährt sind.
Blöde Frage – ist eigentlich irgendwo geregelt, wie die Berechung der Risikozuschläge erfolgt?
In meinem Fall geht es um eine tatsächliche Differenz von 300 €. Weil aber der Zieltarif die Möglichkeit enthält, einmal im Jahr in einen anderen SB zu wechseln (ohne Gesundheitsprüfung) setzt die Versicherung die vollen 1.600 € als Risikozuschlag an. Am Ende hätte ich also 1.300 € SB plus 1.600 €Risikozuschlag = 2.900 € SB.
Bisher habe ich nicht herausgefunden, wie die Rechtslage eigentlich ist. Der BGH sagt ja nur „ob und in welcher Höhe der Zuschlag zu berechnen ist“, soll das OLG entscheiden.
Durch den Vergleich ist es dazu nicht gekommen. Die Versicherer machen daraus die grundsätzliche Vorgehensweise: geringerer SB wird voll auf den Beitrag aufgeschlagen, selbst dann, wenn es nur geringfügige Verschlechterungen der Gesundheit gibt.
Ich suche also nach Urteilen, die nach dem BGH Urteil ergangen sind und sich damit beschäftigen, wie hoch der Zuschlag eigentlich sein darf.