Amtsgericht Stendal AZ: 3 C 1114/07 (3.3) verkündet 25.06.2008
…. hat das Amtsgericht für Stendal in der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2008 durch den Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 € (zweihundertfünfzig Euro) nebst 5 Prozentpunkten über den Basissatz seit dem 06.10.2007 sowie 46,41 € zu zahlen.
2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes gemäß §§ 313 a ZPO wird abgesehen. Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger kann die Beklagte auf restlichen Schadenersatz aus dem Verkehrsunfall vom 02.08.2007 in …… in Anspruch nehmen. Die Haftung der Beklagten für das bei ihr haftpflichtversicherte Fahrzeug, das auf den Wagen des Klägers auffuhr, ist dem Grunde und Höhe, bis auf den hier streitgegenständlichen merkantilen Minderwert, unstrittig.
Die Beklagte haftet gemäß § 3 Pflichtversicherungsgesetz in Verbindung mit §§ 7, 17 StVG, § 3 StVO, 249 BGB auch für die Schadenposition „merkantiler Minderwert“ ohne das es einer weiteren Beweisaufnahme zum festgestellten Minderwert bedarf (§ 287 SPO).
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der BGH bisher nicht abschließend entschieden, bis zu welchem Alter eines Fahrzeuges bzw. bis zu welcher Laufleistung ein merkantiler Minderwert zuerkannt werden kann (vgl. BGH Urteil vom 23.11.04, NJW 205, 277 m.w.N. ). Hierbei handelt es sich um eine Minderung des Verkehrswertes, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten PKW allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht. Diese Differenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. a.a. O, m.w.N.). Das Amtsgericht schließt sich dieser Rechtsprechung trotz der kritischen Stellungnahmen in der Literatur an. Der entscheidende Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal auch die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt.
Alter und Laufleistung des hier in Rede stehenden OPLEL Corsa stehen der Annahme eines merkantilen Minderwertes nicht entgegen. Die Schätzorganisationen wie DAT und Schwacke, gehen in ihren Marktnotierungen inzwischen bis auf 12 Jahre zurück. Dabei wird darauf hingewiesen, das sich sämtliche Marktdotierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen. Ursächlich für die Zeitspanne von bis 12 Jahren ist die technische Entwicklung und der zunehmenden Langlebigkeit der Fahrzeuge aufgrund vollverzinkter Karossen und verbesserten Haltbarkeit von Motoren.
Der Sachverständige der das Gutachten für den Kläger einen Tag nach dem Unfall am 03.08.07 begutachtete, ermittelte den Minderwert des klägerischen Fahrzeuges auf 250 €. Berücksichtigt wurden der Zustand des PKW und die regionale Markterhebung. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger nicht gehalten eine bundesweite Markterhebung unter Einbeziehung des Internets durchzuführen. Das Gericht schließt sich dem Wert des Sachverständigen an (§ 287 ZPO). Dies gilt sowohl für den Wiederbeschaffungswert als auch für den merkantilen MInderwert. Der MInderwert von 250 € ist unter Berücksichtigung eines Alters von weniger als 7 Jahren und einer Laufleistung von etwas über 100.00 Kilometer und dem Heckschaden angemessen.
Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Durchsetzung des zwischen den Parteien streitigen merkantilen Minderwerts ist unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, hier auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs, nach einem Streitwert von 250 € von der Beklagten zu erstatten. Die hier zu beurteilende Rechtsfrage rechtfertigen den Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr, mithin 32,50 €, zuzüglich Postpauschale 20 % und der Mehrwertsteuer ergeben einen Gesamtbetrag von 46,41 €.
…….
Der Schriftsatz der Beklagten vom 28.05.2008 lag vor, gab aber auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs keine Veranlassung die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Der Sachverständige hat alle relevanten Daten des Fahrzeugs in der Bewertung einbezogen.
Richter am Amtsgericht
Ein Urteil, welches dem Unfallopfer zum umfassenden Schadenersatz verhilft und den Sachverständigen in seiner Arbeit bestätigt.
Hi SV Zimper,
ein schön begründetes Urteil des zuständigen Richters am AG Stendal. Die Begründung überzeugt. Wer war die Beklagte?
MfG
und ein schönes Wochenende
Ihr Willi Wacker
Wie hoch waren hier Alter + Laufleistung konkret?
Hi RA JM,
in den Entscheidungsgründen ist angegeben, dass der Minderwert von 250 Eunro unter Berücksichtigung des Alters von weniger als 7 Jahren und einer Laufzeit von etwas über 100.000 km und dem Heckschasen angemessen erscheint. Mithin war das heckseitig beschädigte Fahrzeug 6 Jahre alt ( noch nicht 7 > „knapp 7 Jahre“ ).
MfG
RA Wortmann
Auch da OLG Urteleil des OLG Oldenburg 8 U 246/06 vom 01.03.2007
http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/volltext.php4?id=4426&ident=
geht doch in diese Richtung, auch wenn das Fahrzeug (hier ein AUDI A6 TDI) „nur“ 3 1/2 Jahre alt war, aber 195.648 Km abgespult hatte.
Hier wurde meine schon länger praktizierte Leitlinie, das solange die Herstellergewährleistung noch greift und ein offenbarungspflichtiger Schaden vorliegt, wir über ein Werminderung befinden müssen.
Art und Umfang, sowie Gestalltung ist dann immer eine Einzelfallentscheidung des SV.
Bernhard
Morgen zusammen,
Baujahr 08/2006, 100.900 km, eintrittstpflichtige VS – Allianz.
Gruß SV Zimper
„unter Berücksichtigung eines Alters von weniger als 7 Jahren und einer Laufleistung von etwas über 100.00 Kilometer“ – Sorry, hatte ich überlesen.
P.S.: @ SV Zimper; „Baujahr 08/2006“ kann dann aber wohl nicht angehen, vielleicht Baujahr 08/2000?
@ RA JM – nicht nur vielleicht – jetzt passt der Schuh.