AG Bonn verurteilt mit Urteil vom 31.7.2012 -105 C 349/11- die Zurich Versicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten und entschied, dass der vollmachtlose Rechtsanwalt der Beklagten seine Gebühren selbst trägt. vom 31.07.2012

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

unsere interessante Urteilsreise durch Deutschland geht weiter. Nachfolgend gebe ich Euch ein bemerkenwertes Urteil des AG Bonn bekannt. Der auch für die HUK-Coburg tätige Rechtsanwalt aus Köln, der in diesem Fall die Zurich vertreten hat, konnte oder wollte seine auf ihn lautende Prozessvollmacht der vertretungsberechtigten Person der beklagten Versicherung nicht dem Gericht vorlegen. Deshalb muss er seine Kosten nunmehr selbst tragen. Er hat gegenüber seiner Mandantschaft noch nicht einmal das Recht, sein für seine Tätigkeit verdientes Honorar, ihr gegenüber geltend zu machen. Das ist eben die Konsequenz, wenn jemand als vollmachtloser Vertreter tätig wird. Es sollte daher in Zukunft immer gefordert werden, dem Gericht im Original die Vollmacht  und dem Klägeranwalt eine beglaubigte Ablichtung derselben vorzulegen. Dem Antrag kann dann die Kopie dieses Urteils beigefügt werden. Im übrigen hatte die zuständige Amtsrichterin auch über materielles Recht zu entscheiden. Die beklagte Haftpflichtversicherung hatte zu Unrecht knapp 350,– € von den erforderlichen Sachverständigenkosten des vom Unfallopfer beauftragten Sachverständigen gekürzt. Zur gerichtlichen Geltendmachung war der Kfz-Sachverständige mit Abtretungsvereinbarung berechtigt. Folgerichtig klagte er vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht die restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht ein. Mit Erfolg. Lest selbst und gebt dann Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erwirkt und dem Autor zugesandt durch die Rechtsanwälte Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Euer Willi Wacker

105 C 349/11

Amtsgericht Bonn

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn Sachverständigen Dipl. Ing.  W. aus G.,

Klägers,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte D. I. & P. aus Aschaffenburg,

gegen

die Zurich Insurance plc Niederlassung für Deutschland, vertreten durch Patrick Manley, Poppelsdorfer Allee 25 – 33, 53115 Bonn,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt B. M. aus Köln,

hat das Amtsgericht Bonn
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
31.07.2012
durch die Richterin am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 349,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2011 zu zahlen.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Gebühren des Herrn Rechtsanwalts B. M., die dieser selbst trägt.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Die Klageschrift wurde der Beklagten gemäß Zustellungsurkunde vom 19.01.2012 wirksam zugestellt. Soweit sich Herr Rechtsanwalt B. M. als Prozessbevollmächtigter der Beklagten bestellt hat, wurde trotz Rüge seiner Bevollmächtigung gemäß § 88 Abs. 1 ZPO durch den Kläger die Vollmacht nicht gemäß § 80 Abs. 1 ZPO nachgewiesen. Die vorgelegte Vollmacht vom 05.03.2012 weist eine nicht vollständig lesbare Unterschrift auf, die mit M. und vermutlich St.. beginnt. Nach dem Vortrag von Herrn Rechtsanwalt M. soll es sich um die Unterschrift des Zeugen T. O., eines Mitarbeiters der Klägerin handeln. Dies ist nach dem Erscheinungsbild der Unterschrift nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus ist bei juristischen Personen eine von einem gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter erteilte Vollmacht nur ausreichend, wenn dessen Vertretungsbefugnis nachgewiesen wird. Hier hat Herr Rechtsanwalt M. nur erklärt, Herr O. sei ein Mitarbeiter der Beklagten, der befugt sei, Rechtsstreitigkeiten zu führen. Dies ist nicht hinreichend. Erforderlich wäre entweder der Nachweis der Befugnis durch einen Handelsregisterauszug oder die Vorlage einer Vollmachtskette bis zu einem im Handelsregister aufgeführten Vertretungsberechtigten.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung weiterer Sachverständigengebühren in Höhe von 349,94 EUR aus den §§ 7, 17, 18 StVG, 823 ff. BGB, 115 VVG, 398 BGB.

Der Geschädigten stand ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von 753,63 EUR gemäß der Rechnung des Klägers vom 20.06.2011 zu, den sie wirksam an den Kläger abgetreten hat. Durch vorprozessuale Zahlung der Beklagten ist der Anspruch in Höhe von 403,69 EUR untergegangen, so dass noch ein Anspruch auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 349,94 EUR besteht. Unstreitig haftet die Beklagte dem Grunde nach zu 100 % für den Frau K. durch den Verkehrsunfall am 17.06.2011 in Duisburg entstandenen Schaden. Die Einholung eines Gutachtens war zur Rechtsverfolgung erforderlich. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB besteht ein Anspruch auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag. Maßgebend ist, ob sich die Sachverständigengebühren im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Der Geschädigte ist nicht zu einer Marktforschung zugunsten des gegnerischen Haftpflichtversicherers verpflichtet. Vielmehr ist er im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH Urteil vom 23. Januar 2007, VI ZR 67/06, Seite 3, 4, Fundstelle juris). Der Einwand der Überhöhung des Sachverständigenhonorars führt nur dann zu einer Kürzung des Anspruchs des Geschädigten, wenn für diesen als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt (LG Bonn, Urteil vom 28.09,2011, 5 S 148/11, Fundstelle beck-online). Hier ist zwischen dem Kläger und der Geschädigten ein Vertrag vom 17.06.2011 geschlossen worden, wonach sich das Honorar nach einer dort aufgeführten Tabelle zuzüglich ausdrücklich vereinbarter Nebenkosten ermittelt. Dieses Honorar ist nicht willkürlich festgesetzt worden. Der Kläger hat sich an der Tabelle der BVSK-Honorarbefragung 2011 orientiert. Jedenfalls liegt das Honorar im Wesentlichen im Rahmen der Tabelle.

Das Gesamthonorar, auf das abzustellen ist, steht auch nicht in einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Bei Reparaturkosten in Höhe von 3.888,63 EUR ist ein Sachverständigenhonorar in Höhe von 753,63 EUR, also von weniger als 20 % der Schadenssumme, nicht offensichtlich überhöht. Maßgeblich ist nicht der Zeitaufwand des Sachverständigen, wie man dies bei einem Dienstvertrag überlegen könnte. Es handelt sich hier um einen Werkvertrag, bei dem der Sachverständige ein richtiges Gutachten als Basis für die Schadensregulierung schuldet. Bei Fehlern trifft ihn eine Schadensersatzpflicht.

Weiterhin kommt es nicht darauf an, ob die Fahrtkosten, EDV-Kosten, Telefon- und Portokosten, Kosten für die Fotos und Bürokosten als Teil der Berechnungsgrundlage tatsächlich im einzelnen angemessen sind. Die Geschädigte war nicht verpflichtet, die Nebenkosten zu hinterfragen, da die Nebenkosten zusammen mit dem Grundhonorar nicht in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert des Gutachtens stehen. Das pauschale Bestreiten der Fahrtkosten durch die Beklagte ist nicht hinreichend. Da sich das Büro des Sachverständigen in Gelsenkirchen befindet, das Fahrzeug nach dem Gutachten nicht mehr verkehrssicher war und der Unfall sich in Duisburg ereignete, ist es nachvollziehbar, dass der Sachverständige für eine einfache Strecke zur Besichtigung 23 km zurücklegen musste. Nach dem Google-Routenplaner im Internet beträgt die Strecke vom Büro des Klägers bis zur Wohnung der Frau K. 22,8 km.

Eine Bestimmung der Vergütung nach den §§ 315, 316 BGB durch den Sachverständigen wäre im Übrigen – wenn kein Honorar vereinbart worden wäre – auch erst unwirksam, wenn sich die Bestimmung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr in den Grenzen der Billigkeit halten würde. So wird z. B. eine Bestimmung der Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 RVG erst für unbillig gehalten, wenn sie um mehr als 20 % zu hoch ist. Eine derartige Überschreitung ist hier nicht ersichtlich.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB liegt nicht vor. Die Geschädigte, deren Fahrzeug schließlich ohne ihr Verschulden beschädigt wurde, war nicht verpflichtet, solange Marktrecherchen zu betreiben, bis sie den billigsten Sachverständigen gefunden hat. Es gibt bei Kfz-Sachverständigen keine Sondertarife wie bei der Vermietung von Ersatzfahrzeugen. Der Geschädigte kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der von ihm beauftragte Sachverständige kein auffällig überhöhtes Wucherhonorar berechnet, wenn sich dies nicht tatsächlich aufdrängen sollte.

Ein Auswahlverschulden der Geschädigten besteht nicht. Dass der Kläger nicht über die nötige Qualifikation zur Erstellung von Kfz-Schadensgutachten verfügen würde, behauptet die Beklagte nicht. Die Geschädigte musste auch nicht den Sachverständigen ermitteln und beauftragen, dessen Büro sich am nächsten zum Standort des Fahrzeugs befindet oder einen Sachverständigen suchen, dessen Büro sich in einer Entfernung von weniger als 10 km dazu befindet. Eine Entfernung von 23 km zum Besichtigungsort mit Fahrtkosten von 25,30 EUR verstößt noch nicht gegen die Schadensminderungspflicht.

Die Klageforderung ist fällig. Eine prüf bare Rechnung ist grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung für den Anspruch auf Werklohn, es sei denn, dass dies ausdrücklich wie z. B. in der VOB/B geregelt ist. Die Rechnung des Klägers ist im Übrigen so hinreichend erläutert, dass die Geschädigte sie nachvollziehen konnte und keine Bedenken haben musste. Zwar ist die vertraglich vereinbarte Ermittlung des Gegenstandswerts für die Berechnung des Grundhonorars nach der vertraglich vereinbarten Tabelle etwas kompliziert. In der Rechnung ist das Grundhonorar aber der Vereinbarung entsprechend korrekt berechnet. Die Beklagte hat auch nicht mit etwaigen Schadensersatzansprüchen der Geschädigten gegen den Kläger auf Rückzahlung eines überhöhten Honorars die Aufrechnung erklärt.

Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO. Nach dem Veranlasserprinzip (siehe BGH Beschluss vom 22.07.1997, Az: XI ZB 15/97) trägt der vollmachtlose Vertreter die durch seine Tätigkeit entstandenen Kosten. Deshalb sind die Anwaltsgebühren Herrn Rechtsanwalt M. aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht mehr zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die grundsätzliche Frage, ob ein Honorar anhand der Schadenshöhe berechnet werden kann, hat der Bundesgerichtshof zuletzt in der Entscheidungen vom 23. Januar 2007, Az: VI ZR 67/06, Fundstelle juris bejaht. Das Landgericht Bonn hat in den Verfahren 5 S 148/11 durch Urteil vom 28.09.2011 die streitgegenständlichen Fragen bereits entschieden. Das Amtsgericht hält die Auffassung des Berufungsgerichts für zutreffend und schließt sich ihr an.

Und jetzt bitte zum wochenende Eure Kommentare. Danke.

Urteilsliste “ SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. B.D. sagt:

    Da kommt man sich vor wie im Irrgarten…

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