Das Amtsgericht Mannheim hat mit Urteil vom 19.11.2010, veröffentlicht am 30.12.2010, zu dem Aktenzeichen – 3 C 303/10- zur Fälligkeit der Reparaturkosten eines unfallgeschädigten PKW entschieden. Die Leitsätze lauten wie folgt:
Leitsätze:
1. Die Reparaturkosten eines unfallgeschädigten PKW werden im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung fällig, die sich daran anschließende sechsmonatige Weiterbenutzung des Fahrzeugs hat darauf keinen Einfluss.
2. Die sechsmonatige Weiterbenutzung ist lediglich ein Indiz zugunsten des Geschädigten beim Nachweis seines Integritätsinteresses.
3. Während des Zeitraums der Weiterbenutzung besteht zugunsten des Schädigers bzw. Versicherers kein Zurückbehaltungsrecht. Will er den Eintritt des Verzuges vermeiden, muss er die Reparaturkosten unter Rückforderungsvorbehalt leisten. Nur so wird vermieden, dass der Geschädigte gezwungen ist, die Reparatur entschädigungslos vorzufinanzieren.
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger aus 3.758,51 EUR 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins vom 19.05.2010 bis zum 29.10.2010 sowie weitere 546,69 EUR für vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht mit seiner Klage restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 20.04.2010 geltend, für den die Einstandspflicht der Beklagten im Grundsatz unstreitig ist.
Mit Gutachten vom 23.04.2010 wurden die Nettoreparaturkosten auf 4.865,58 EUR berechnet, die Beklagte Ziffer 3 zahlte hier unter Berücksichtigung eines Wiederbeschaffungswerts laut Gutachten in Höhe von 7.317,07 EUR und eines Restwerts laut Angebot in Höhe von 6.210,- EUR einen Betrag in Höhe von 1.107,07 EUR. Ein Betrag in Höhe von 3.758,51 EUR blieb zunächst offen, nachdem das Fahrzeug nicht repariert worden war.
Dieser Restbetrag wurde von Beklagtenseite am 27.10.2010 angewiesen.
Der Kläger war aufgrund der hohen Reparaturkosten nicht in der Lage, diesen Betrag vorzustrecken oder über einen Bankkredit zu finanzieren. Er beabsichtigt, das Fahrzeug nach Erhalt der Schadenssumme zu reparieren und weiter zu nutzen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hätten sich mit der Zahlung des Restbetrages seit dem 19.05.2010 im Verzug befunden, nachdem sie am 07.05.2010 unter Fristsetzung zum 18.05.2010 zur Zahlung aufgefordert worden seien. In der vorliegenden Konstellation seien die Beklagten zur Zahlung der Reparaturkosten (netto) verpflichtet gewesen.
Der Kläger beantragt daher zuletzt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger aus 3.758,51 EUR 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2010 sowie weitere 546,69 EUR für vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagten beantragen
Klageabweisung.
Sie sind der Auffassung, vorliegend sei ein Integritätsinteresse durch den Kläger zunächst nicht nachgewiesen worden. Reparaturkosten nach Gutachten könnten nur dann bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts abgerechnet werden, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall mindestens sechs Monate repariert oder unrepariert weiterbenutzt habe. Sei dies – wie hier – nicht der Fall, seien allenfalls Ansprüche in der Höhe zu bejahen, wie sie von der Beklagten Ziffer 3 berechnet worden seien. Es gelte der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts.
Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist sei gezahlt worden, was dann kostenmäßig zu Lasten der Klägerseite zu berücksichtigen sei. Der Kläger habe erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist den Nachweis geführt, daß er das Fahrzeug noch nutze und im Eigentum habe. Somit sei auch erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ein Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung fällig, zuvor habe keine Veranlassung zur Klageerhebung bestanden.
Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 25.11.2010. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen.
Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet, der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen sowie auf Zahlung der außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR, §§ 286, 288 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG, 1 PflVG.
Zinsen waren lediglich bis zur Zahlung des zuletzt noch offenen Restbetrags in Höhe von 3.758,51 EUR zuzusprechen. Unter Berücksichtigung von normalen Banklaufzeiten war hier der 29.10.2010 als Zahlungseingang und damit als Ende des Zinslaufs anzunehmen.
Die Beklagten befanden sich aufgrund des Schreibens vom 07.05.2010 ab dem 19.05.2010 mit der Zahlung der noch offenen Forderung in Höhe von 3.758,51 EUR im Verzug.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite war der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Reparaturkosten (nach Gutachten) bereits im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung fällig (vgl. BGH, Beschluß vom 18.11.2008, VI ZB 22/08).
Die von Beklagtenseite angeführte Sechsmonatsfrist stellt in diesem Zusammenhang keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die Bejahung der Fälligkeit dar, sondern sie hat lediglich eine beweismäßige Bedeutung. Wird das beschädigte Fahrzeug – wie hier – sechs Monate nach dem Unfall weiterbenutzt, so ist dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse des Geschädigten zu bejahen. Eine weitergehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs kommt der Frist jedoch nicht zu. Wenn – wie hier – sich die von Klägerseite geltend gemachte Schadensposition, die zwischen den Parteien streitig war, erst im Nachhinein, nach Ablauf der Sechsmonatsfrist, als gerechtfertigt erweist, ändert dies nichts an der bereits zu bejahenden Fälligkeit (vgl. BGH a.a.O., Seite 6).
Mit Fälligkeit kann die Beklagtenseite jedoch auch in Verzug gesetzt werden (vgl. BGH a.a.O., Seite 6). Dies ist durch das außergerichtliche Schreiben vom 07.05.2010 mit Fristsetzung zum 18.05.2010 geschehen.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite (und entgegen OLG Hamm, Urteil vom 16.12.2008, 21 U 95/08) besteht innerhalb der Sechsmonatsfrist kein Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers, das (als Folge) einen Verzug ausschließen würde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – der Geschädigte unwidersprochen vorträgt, er habe sein Fahrzeug reparieren wollen, sei hierzu aber aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gewesen.
Eine andere Betrachtungsweise würde den Geschädigten nach Auffassung des Gerichts unzumutbar beeinträchtigen. Er müsste über einen (langen) Zeitraum von einem halben Jahr gänzlich auf einen Reparatur verzichten (oder eine Reparatur entschädigungslos vorfinanzieren). Eine derartige Praxis ist nicht akzeptabel (vgl. BGH a.a.O., Seite 9).
Darüber hinaus ist (entgegen der Auffassung des OLG Hamm in der zitierten Entscheidung) eine praktikable Schadensabwicklung auch bei einer Ablehnung eines Leistungsverweigerungsrechts möglich. Es ist durchaus praktikabel, und es hätte den Beklagten freigestanden, den geltend gemachten Reparaturbetrag unter Rückforderungsvorbehalt zu leisten (vgl. BGH a.a.O., Seite 9).
Auch die von Beklagtenseite gezogene Unterscheidung, ob der Geschädigte sein Fahrzeug innerhalb des Halbjahreszeitraumes fachgerecht hat reparieren lassen oder – wie hier – eine Reparatur im Sechsmonatszeitraum unterblieben ist, ändert an dieser Beurteilung nach Auffassung des Gerichts nichts, wenn wie hier unwidersprochen vorgetragen wird, eine Reparatur sei lediglich aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt worden.
Die Beklagtenseite ist daher verpflichtet, auch entsprechende Verzugszinsen ab dem 19.05.2010 bis zur Zahlung des noch offenen Restbetrags in Höhe von 3.758,51 EUR am 29.10.2010 zu zahlen.
Außergerichtliche Anwaltskosten waren für die Unfallabwicklung nach ständiger Rechtsprechung als adäquate Rechtsverfolgungskosten ebenfalls zu zahlen, der vom Anwalt ordnungsgemäß geltend gemachte Anspruch war fällig.
Der Klage war damit im Wesentlichen stattzugeben. Abzuweisen war sie nur, soweit der Kläger Zinsen uneingeschränkt ab dem 19.05.2010 verlangt und in seiner letzten Antragsstellung die Zahlung der Beklagten am 29.10.2010 als Ende des Zinslaufs nicht berücksichtigt hat.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 a, 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO
So das AG Mannheim