Kommunen erwirtschaften mittels Verkehrsüberwachungen hohe Millionenbeträge. Doch nicht immer geht es beim Blitzergeschäft mit rechten Dingen zu. Unangenehm stößt auf, wenn Firmen wie z. B. Jenoptik Geschäftsmodelle entwickeln, mit denen sich ein Stück vom Bußgeld-Kuchen einverleiben läßt.
Das Dienstleistungs- und Finanzierungsangebot funktioniert ähnlich wie ein Leasing-Modell. Das bedeutet: Sie zahlen für das Komplettpaket eine monatliche Gebühr oder eine Pauschale pro verwertbarem Datensatz. Jenoptik übernimmt in jedem Fall das volle finanzielle Betriebsrisiko. So helfen wir Ihnen, die Verkehrssicherheit in Ihrer Kommune zu erhöhen und gleichzeitig Ihren öffentlichen Haushalt zu entlasten. Unsere Dienstleistungen stimmen wir gemeinsam mit Ihnen auf Ihre Anforderungen ab. Dabei bieten wir Ihnen volle Flexibilität bei der Wahl einzelner Module oder eines Komplettpakets zur Verkehrsüberwachung.
Quelle: Jenoptik
Nur, dass das von Jenoptik entwickelte Blitzgerät TraffiStar S350 aufgrund fehlendem Zeitstempels keine Überprüfung des konkreten Sachverhalts durch den Beschuldigten bzw. durch einen qualifierten Sachverständigen ermöglicht, siehe AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16.
Aber auch beim Meßgerät Leivtec XV3 können aufgrund fehlender Rohmeßsdaten nach einer Softwarenerneuerung keine Plausibilitätsprüfungen der gemessenen Geschwindigkeiten mehr vorgenommen werden.
Im Ergebnis der Verhandlung war daher der Beschuldigte freizusprechen.
c) (…..) Denn die Annahme eines standardisierten Messverfahrens darf schon aus Gründen des Rechtstaatsprinzips im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens nicht dazu führen, dass der Betroffene überhaupt keine Möglichkeit mehr hat, sich gegen den Tatvorwurf zu wehren.
AG St. Ingbert
vom 26.04.2017
2 Owi 379/16
Einsichtsrecht in die Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessanlage
Gründe:
I.
Der Betroffene ist 68 Jahre alt, Eintragungen im Fahreignungsregister sind nicht vorhanden.
II.
Dem Betroffenen wird vorgeworfen am um 11:03 Uhr in, in Richtung als Führer des PKW amtliches Kennzeichen … die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h nach Toleranzabzug überschritten zu haben. Die Messung wurde durch den Zeugen B mit dem Messgerät Leivtec XV3 gemäß den Vorgaben der Betriebsanleitung und der PTB durchgeführt. Das Gerät war zuletzt am 03.2016 geeicht worden. Bei dem verwendeten Messgerät ist eine neue Softwareversion, Leivtec 2.0 aufgespielt. Das Messgerät funktioniert dergestalt, dass der Sensor infrarote Lichtimpulse aussendet, die am gemessenen Fahrzeug reflektiert werden und nach einer vom der Entfernung abhängigen Zeit wieder am Sensor eintreffen. Die Laufzeit der Lichtimpulse wird gemessen. Mit Hilfe der bekannten Lichtgeschwindigkeit wird daraus die Entfernung berechnet. Eine Folge von Entfernungen wird in kurzen, gleichmäßigen Zeitabständen gemessen. Aus der Distanzverringerung während der Messzeit ergibt sich die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs (vgl. auch AG Gelnhausen • Urteil vom 6. Juli 2012 • Az. 44 OWi – 2575 Js 6195/12, Burhoff Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWI Verfahren, Rn 2011). Während einer Messung werden bis zu 150 Entfernungsmesswerte als Ergebnis von Laserpuls-Lauftzeitmessungen berechnet.
Im Gegensatz zur Version 1.0, bei welcher sämtliche Messpunkte gespeichert wurden, werden durch die Version 2.0 nur die Werte „Messung Start Distanz“, „Messung Ende Distanz“, „Auswertung Start Distanz“ und „Auswerte Ende Distanz“ sowie die „Auswerte Zeit“ gespeichert. Bei der Version 1.0 waren während des Messverlaufs sämtliche vom Gerät ermittelten Messwerte gespeichert worden, durch welche sich eine Plausibilitätsprüfung der angezeigten Geschwindigkeit durchführen ließ. Nach der Softwareerneuerung ist eine solche nun nicht mehr möglich.
III.
Die Feststellungen beruhen auf dem verlesenen Messprotokoll, dem in Augenschein genommenen Lichtbild, dem verlesenen Eichschein, sowie auf der Aussage des Zeugen B. und dem durch den Sachverständigen Dipl. Ing. W. schriftlich erstatteten und mündlich erläutertem Gutachten.
1. Der Betroffene hat die Verwertbarkeit der Messung mit der Begründung bestritten, dass durch eine Softwareerneuerung während der Messung erhobene Daten nicht mehr gespeichert werden, so dass eine unabhängige Auswertung der Messung durch einen Sachverständigen nicht mehr möglich sei. Dies verstoße gegen sein Recht auf ein faires Verfahren, da ihm hierdurch die Chance genommen werde im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens konkrete Messfehler aufzuzeigen. Dieses sei aber im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens seine Pflicht, so dass er sich durch die Nichtspeicherung der Messdaten nicht mehr gegen den Tatvorwurf verteidigen könne.
2. Der Zeuge B. hat den Aufbau des Messgeräts und Betriebs geschildert. Zweifel daran, dass der Zeuge dies nach den Vorgaben der PTB und der Gebrauchsanweisung des Messgeräteherstellers getan hat, bestanden nach der Vernehmung des Zeugen nicht.
3. Auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild war eine Geschwindigkeit von 86 km/h angezeigt, die nach Abzug einer Toleranz von 3 km/ h zu einem Geschwindigkeitsvorwurf von 83 Km/h führt.
4. Aus dem verlesenen Eichschein ergibt sich, dass das Messgerät zum Tatzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht war.
5. a) Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es bei dem Messgerät zu einer Änderung der Softwareversion gekommen ist, die dazu führt, dass eine Überprüfung der Plausibilität des Messergebnisses und der Messung nicht mehr durchgeführt werden kann. So seien bei der Vorgängerversion Leivtec 1.0 nicht nur die Messdistanz, sowie Startzeitpunkt, Endzeitpunkt und Messzeit angezeigt worden, sondern weitere Daten, nämlich sämtliche im Verlauf der Messung erhobenen Messwerte. Mit diesen Daten konnte anhand einer Regressionskurve eine nachvollziehbare Plausibilitätsprüfung der vom Messgerät angezeigten Geschwindigkeit vorgenommen werden. Dabei sei es – nach den Angaben des Sachverständigen – in ca. 2 % aller Fälle zu Abweichungen von 1- 2 km/h zugunsten des Betroffen im Vergleich mit dem angezeigten Messgerät gekommen. In der neue Softwareversion 2.0 werden diese zusätzlichen Daten nicht mehr gespeichert, sondern mit Nullen überschrieben, so dass eine sog. Regressionskurve anhand derer sich durch Auswertung der einzelnen Messpunkte die Geschwindigkeitsermittlung in einer Kurvenbildung nachprüfen ließ, nicht mehr gebildet werden kann und eine Plausibilitätsprüfung nicht mehr möglich ist.
b) Nach Angaben des Herstellers handele es sich bei den – nun nicht mehr gespeicherten Daten – um reine Simulationsdaten, die keine Bedeutung für das Messergebnis hätten und daher nun nicht mehr gespeichert würden, um fehlerhaften Überprüfungen durch Sachverständige entgegenzuwirken. Diese Daten seien ausschließlich zur Entwicklung und Verbesserung des Messgerätes in der Vorgängerversion gespeichert worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen ließ sich aber gerade mit diesen Daten eine eingehende Überprüfung der Messung ermöglichen, wobei in wenigen Fällen – ca. 2-3 Prozent – Abweichungen von 1-2 km/h im Gegensatz vom Messgerät angezeigten Messergebnis aufgetreten sind. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass sich bei der Version 1.0. in den vom Hersteller nunmehr als Simulationsdaten bezeichneten Messdateien auch die bei der Version 2.0 ausschließlich gespeicherten Daten – „Messung Start Distanz“, „Messung Ende Distanz“, „Auswertung Start Distanz“ und „Auswerte Ende Distanz“ sowie die „Auswerte Zeit“ wiederfinden ließen und sich diese in die mit den als Simulationsdaten nachgebildete Regressionskurve problemlos einfügen ließen. Insofern ist auch das Gericht davon überzeugt, dass die als Simulationsdaten bezeichneten Daten während der Messung gebildete Messwerte darstellen, anhand derer sich das Messergebnis nachvollziehen lässt. Ebenso ist nachvollziehbar, dass eine Überprüfung der ermittelten Geschwindigkeit mit Auswertung sämtlicher Daten möglich ist, während eine Überprüfung mit der Auswertung von nur sehr wenigen Daten gerade ins Leere geht.
IV.
Nach den getroffenen Feststellungen war der Betroffene nach Auffassung des Gerichts freizusprechen, da die tatgegenständliche Messung nach Ansicht des Gerichts mangels hinreichender Überprüfbarkeit und dem daraus folgenden Verstoß gegen das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren kein taugliches Beweismittel darstellt.
1. Bei dem tatgegenständlich verwendeten Messverfahren handelt es sich zwar grundsätzlich um ein sog. standardisiertes Messverfahren (vgl. auch AG Castrop-Rauxel, Urt. v. 12.02.2016 – 6 OWi-256 Js 68/16-4/16 ). Auch das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass das Messgerät Leivtec XV3 insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens erfüllt, als hier ein einheitliches technisches Verfahren zur Anwendung kommt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und seines Ablaufs so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Folge des standardisierten Messverfahrens ist, dass sich das Gericht ausschließlich davon überzeugen muss, dass das Messverfahren nach den Vorgaben des Herstellers und der PTB richtig angewandt und das Messgerät dementsprechend richtig betrieben wurde. Dies wiederum führt letztlich zu einer Art Beweislastumkehr dergestalt, dass es allein dem Betroffenen obliegt, substantiiert vorzutragen aus welchen Gründen die durchgeführte Messung fehlerhaft ist, so dass der Betroffene konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände vortragen muss, um eine Messung in Zweifel zu ziehen. Anderenfalls kann das Gericht einen entsprechenden Beweisantrag zurückweisen und darf im Hinblick auf das standardisierte Messverfahren von einer korrekten Messung nebst richtigem Messergebnis ausgehen und ist gerade nicht veranlasst, eine Überprüfung der Messung durch einen Sachverständigen im Rahmen der Amtsermittlungspflicht durchführen zu lassen.
2. Aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK folgt daher im Falle der Annahme eines standardisieren Messverfahrens nach Auffassung des Gerichts, dass der Betroffene – wenn ihm schon auferlegt wird, konkrete Messfehler vorzutragen-, auch in die Lage versetzt werden muss, genau dies tun zu können. Um eine technische Messung sinnvoll angreifen und mögliche Fehler aufzeigen zu können, bedarf es daher rein denklogisch schon der Überprüfungsmöglichkeit der Messdaten.
a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist bereits umstritten, ob der Betroffene einen Anspruch auf Herausgabe der Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung hat, ohne konkret vorzutragen welche Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind, oder der Betroffene bereits diesbezüglich substantiiert vortragen muss, welche Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Während bspw. das OLG Celle, OLG Düsseldorf und das OLG Saarbrücken unter Verweis auf das Rechtsstaatsprinzip, dem allgemeinen Freiheitsrecht und dem Recht auf ein faires Verfahren dies bejahen (vgl. OLG Celle Beschluss vom 16.06.2016, 1 Ss OWi 96/16,OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.02.2016, Az. Ss (BS) 6/2016 (4/16 OWi), OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 – 2 RBs 63/15, juris Rn. 17), verneint das OLG Bamberg einen Anspruch des Betroffenen auf Einsicht und Herausgabe in die Rohmessdaten ohne konkreten Vortrag des Betroffenen mit dem Verweis auf das Prinzip des standardisierten Messverfahrens (OLG Bamberg, Beschluss v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15)
b) Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kann der Auffassung des OLG Bamberg diesbezüglich nicht gefolgt werden. Denn wenn dem Betroffenen im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens schon auferlegt wird, konkrete Anhaltspunkte für Messfehler oder eine Fehlmessung darzulegen, damit das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht als Ausforschungsbeweis ansehen und diesen nach § 77 Abs. 2 OWiG ohne Weiteres ablehnen kann, muss ihm diese Möglichkeit auch überhaupt erst einmal eröffnet werden. Hierzu bedarf der Betroffene aber zwingend Einsicht in die Rohmessdaten, um die Messung auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen (vgl. OLG Celle aaO.). Anderenfalls befände sich der Betroffene in einem nicht aufzulösenden Teufelskreis, da er – sofern man der Ansicht des OLG Bambergs folgen würde – konkrete Umstände für eine fehlerhafte Messung vortragen zu müssen ohne die Messung – insbesondere die Messdaten – überhaupt zu kennen, die ihn nach Ansicht des erkennenden Gerichts und des OLG Celle (vgl. aaO.) erst in die Lage versetzen können, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vortragen zu können.
c) Dies widerspricht nach Auffassung des Gerichts auch nicht dem Prinzip des standardisierten Messverfahrens. Sinn und Zweck des standardisierten Messverfahrens ist es, dass das Gericht gerade nicht bei jeder einzelnen Geschwindigkeitsmessung den Beweis durch Sachverständigengutachten führen muss, dass diese fehlerlos erfolgt ist. Dass dies in Anbetracht der Massenverfahren im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeit sinnvoll und notwendig ist, steht außer Frage. Werden dem Betroffenen nun sämtliche tauglichen Mittel zur Verfügung gestellt um eine Messung überprüfen zu lassen, tangiert dies den Sinn und Zweck des standardisierten Messverfahrens aber nach Ansicht des Gerichts gerade nicht. Denn hierdurch wird der Betroffene lediglich in die Lage versetzt, im Vorfeld einer Hauptverhandlung eine Messung durch einen von ihm beauftragten Sachverständigen überprüfen zu lassen. Bedenkt man nun, dass der Sachverständige beim tatgegenständlichen Messgerät lediglich 1-2 % der Fälle Abweichungen zwischen dem vom Messgerät angezeigten Geschwindigkeiten und der von ihm ausgewerteten Geschwindigkeit in Höhe von 1 bis maximal 2 km/h festgestellt wurden, führt diese Verfahrensweise nach Ansicht des Gerichts gerade nicht dazu, dass das Gerichte auf Antrag der Verteidigung nahezu jede Messung sachverständigenseits im Rahmen der Amtsermittlungspflicht überprüfen lassen muss. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass nach einer Überprüfungsmöglichkeit durch den Betroffenen Einsprüche gegen Bußgeldbescheide zurückgenommen oder im Hinblick auf ein etwa im Raum stehendes Fahrverbot auf die Rechtsfolgen beschränkt werden.
3. Wenn man nun – nach den obigen Erwägungen – aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf ein faires Verfahren den Anspruch des Betroffenen auf Einsicht und Herausgabe der Rohmessdaten bejaht, damit dieser in die Lage versetzt wird, im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens konkrete Messfehler vortragen zu können, müssen diese Messdaten für den Betroffenen nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch nutzbar und dürfen nicht nahezu nutzlos sein.
a) Im vorliegenden Fall hat der Betroffene die Rohmessdaten zwar anstandslos erhalten und diese einem von ihm beauftragten Sachverständigen übergeben, damit dieser die Messung überprüfen kann. Dies war dem vom Betroffenen beauftragten Sachverständigen jedoch nicht möglich, da – wie auch der gerichtlich bestellte Sachverständige festgestellt hat – die weit überwiegende Anzahl der während der Messung auch weiterhin ermittelten Daten vom Messgerät selbst nach einer Softwareerneuerung nicht mehr gespeichert werden, obwohl dies technisch problemlos möglich wäre, wie sich allein daran zeigt, dass dies bei der Vorgängerversion geschehen ist. Dadurch ist es einem vom Betroffenen bestellten – und wäre darüber hinaus auch einem vom Gericht bestellten Sachverständigen – nicht mehr möglich, die Messung und insbesondere das Messergebnis auf seine Plausibilität zu überprüfen. Damit aber wird der Betroffene gerade nicht in die Lage versetzt, etwaige Messfehler vortragen zu können, da eine Überprüfbarkeit der Messung gerade nicht mehr gegeben ist.
Dies könnte allenfalls dann anders zu sehen sein, wenn das Messgerät lediglich nur die auch durch das Messgerät nach der Softwareerneuerung gespeicherten Messwerte ermitteln würde. Denn dann würden dem Betroffenen keine Überprüfungsmöglichkeiten genommen.
b) Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen und der beschriebenen Funktionsweise des Messgerätes werden aber während einer Messung bis zu 150 einzelne Messwerte gebildet, aber letztlich lediglich die Werte Messung Start Distanz“, „Messung Ende Distanz“, „Auswertung Start Distanz“ und „Auswerte Ende Distanz“ sowie die „Auswerte Zeit“ gespeichert. Dass eine Überprüfung der Messung und insbesondere angezeigten Geschwindigkeit aber erst dann sinnvoll möglich ist, wenn mehr als die 5 genannten Werte gespeichert werden, ist logisch, da mit mehr Daten auch eine Stringenz der Messung aufgezeigt werden kann, wie die vom Sachverständigen dargestellte Regressionskurve anschaulich aufzeigt. Dies ist aber – wie dargelegt – nach der Erneuerung der Software nicht mehr möglich.
c) Dadurch wird der Betroffene aber letztlich nach Ansicht des Gerichts so massiv in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt, dass nicht mehr von einem tauglichen Beweismittel ausgegangen werden kann. Denn wie dargelegt muss der Betroffene nach Auffassung des Gerichts bei der Annahme eines standardisierten Messverfahrens zumindest in die Lage versetzt werden konkrete Messfehler aufzeigen zu können und hierfür die Messung – im Vorfeld der Hauptverhandlung – überprüfen zu können. Hierzu sind ihm sämtliche relevanten Messdaten zur Verfügung zu stellen, sofern dies technisch machbar und nicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich ist. Denn wenn dem Betroffenen schon auferlegt wird, den Nachweis eines Messfehlers zu führen, müssen ihm aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit dazu auch sämtliche taugliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Denn die Annahme eines standardisierten Messverfahrens darf schon aus Gründen des Rechtstaatsprinzips im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens nicht dazu führen, dass der Betroffene überhaupt keine Möglichkeit mehr hat, sich gegen den Tatvorwurf zu wehren.
d) Im hier zu entscheidenden Fall wäre es nach den Ausführungen des Sachverständigen ohne Weiteres ohne erheblichen Aufwand technisch realisierbar gewesen die – vom Hersteller als Simulationsdateien bezeichneten – Messdaten im Messgerät abzuspeichern und eine weitergehende und zielführende Überprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen zu ermöglichen, wie dies bei der Vorgängerversion problemlos möglich war. Dies wird aber vom Messgerätehersteller aus für das Gericht nicht ersichtlichen Gründen offenbar nicht gewollt. Damit aber werden nach Auffassung des Gerichts dem Betroffenen beweiserhebliche Daten vorenthalten, da – wenn auch nur in wenigen Fällen – eine Abweichung der angezeigten Geschwindigkeit von 1-2 km/h nach Auswertung aller während der Messung gebildeten Messwerte vorkommen kann. Dem Betroffenen wird durch die bewusste Nichtspeicherung der Daten daher die Möglichkeit genommen auf eine solche Abweichung hinzuweisen, so dass ihm die Möglichkeit genommen wird auf einen derartigen Messfehler hinzuweisen. Hierdurch wird ihm dann die Gelegenheit verwehrt im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen und einen erfolgsversprechenden Beweisantrag zu stellen, der das Gericht auch im Falle der Annahme eines standardisierten Messverfahrens veranlasse müsste, die Messung im Wege der Amtsermittlungspflicht überprüfen zu lassen Die Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffen werden daher erheblich beschränkt und nahezu auf Null reduziert, was weder mit dem Rechtsstaatsprinzip noch mit dem Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren vereinbar ist. Darüber hinaus bliebe auch dem Gericht eine Überprüfung des Messergebnisses letztlich verwehrt.
4. Das vorliegend verwendete Messgerät des Typs Leivtec XV3 schließt daher nach den getroffenen Feststellungen von vorneherein die Möglichkeit aus, die Zuverlässigkeit einer Messung etwa durch Sachverständigenbeweis zu überprüfen, wodurch sowohl die Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen aufgrund der ihm im Rahmen des standardisierten Messverfahrens auferlegten Pflichten massiv beschränkt werden, als auch die Amtsermittlungsmöglichkeit des Gerichts unmöglich gemacht wird (vgl. hierzu auch AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16 für Traffistar S350).
5. Nach Ansicht des Amtsgerichts Stralsund kommt in derartigen Fällen eine Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nicht mehr in Betracht (AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16). Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an. Würde man im vorliegenden Fall von einem standardisierten Messverfahren ausgehen, hätte dies zur Folge, dass bereits der Nachweis der richtigen Verwendung des Messgerätes nach den Vorgaben des Herstellers und der PTB, sowie der Nachweis der ordnungsgemäßen Eichung des Geräts ausreichten, um den Betroffenen anhand des im Messfoto eingeblendeten Geschwindigkeitswerts zu verurteilen.
Da aber die zu einer Messwertüberprüfung erforderlichen Daten wie dargelegt durch das System nach der Softwareerneuerung nicht gespeichert werden, besteht im Nachgang zur Messung keine Möglichkeit, über die Zuverlässigkeit des Messwertes Beweis zu erheben. Aus den oben genannten Erwägungen stellt dies aber einen Verstoß gegen das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren dar, da ihm sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten genommen werden.
Bei dieser Sachlage fehlt es auch nach Ansicht des erkennenden Gerichts an einem tauglichen Beweismittel für die dem Beschuldigten zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung (vgl. AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16)
Der Betroffene war daher aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
V.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO i.V.m. 46 OWiG.