Der für Werkvertrag zuständige X. Zivilsenat des BGH entscheidet zum § 287 ZPO und sieht darin eine Darlegungs- und Beweiserleichterung des Geschädigten mit Revisionsurteil vom 12.10.1993 – X ZR 65/92 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende veröffentlichen wir für Euch wieder ein Urteil des BGH zum § 287 ZPO. In diesem Fall hatte der für Werkvertrag zuständige X. Zivilsenat des BGH entschieden. Wir zitieren aus den Eintscheidungsgründen:

„§ 287 ZPO erleichtert dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegung“.

So ist es richtig. Warum der für Schadensersatz zuständige VI. Zivilsenat von der Rechtsprechung der übrigen Zivilsenate abweicht, bleibt daher ein Rätsel. Das umsomehr, als Bundesrichter Offenloch, selbst Richter im VI. Zivilsenat, in seinem Aufsatz in der ZfS 2016, 244, 245 feststellt, dass § 287 ZPO ausdrücklich die Schadensschätzung durch das Gericht erlaubt. Insoweit hätte der VI. Zivilsenat bei verständiger Sichtweise des § 287 ZPO auch bei den jüngsten Entscheidungen die sich aus § 287 ZPO ergebende Erleichterung der Darlegungs- und Beweissituation für den Kläger beachten müssen. Zumindest hätte sich der VI. Zivilsenat mit den Entscheidungen der übrigen Senate zum § 287 ZPO auseinandersetzen müssen. Es bleibt daher dabei, dass der VI. Zivilsenat des BGH den § 287 ZPO unrichtig anwendet und die Bedeutung des § 287 ZPO als Darlegungs- und Beweiserleichterung zugunsten des Klägers (sprich: Geschädigten) ignoriert. Lest aber selbst das BGH-Urteil zum § 287 ZPO und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

X ZR 65/92                                                                             Verkündet am: 12. Oktober 1993

in dem Rechtsstreit

Tatbestand:

Die Klägerin, die sich unter anderem mit dem Vertrieb von Ladeneinrichtungen befaßt, hat für den Beklagten, der plante, eine Filiale des von ihm geführten Geschäftes zu eröffnen, für den in Aussicht genommenen Sitz eine Standortanalyse erstellt. In dieser wurden ein zu erwartender Umsatz von 1. 384. 636, — DM jährlich prognostiziert und die Aussichten des geplanten Geschäftes insgesamt positiv beurteilt.

Einige Zeit nach Zugang dieser Analyse bestellte der Beklagte bei der Klägerin eine Ladeneinrichtung, die zum Teil unmittelbar von ihm und im übrigen von einer Leasingfirma erworben werden sollte. Mit dieser schloß er einen Leasingvertrag, aufgrund dessen ihm die Einrichtungsgegenstände überlassen wurden.

Die Klägerin bestätigte den Auftrag über eine Gesamtsumme von 290.000, — DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Nach Lieferung und Montage der Anlage zahlte die Leasingfirma auf die Forderung der Klägerin 181.460, 84 DM. Für die übrigen Teile der Einrichtung stellte sie dem Beklagten 120.718, 02 DM in Rechnung, die sie nach erfolgloser vorgerichtlicher Zahlungsaufforderung zuzüglich Zinsen im Wege der Klage geltend gemacht hat.

Das Landgericht hat der Klage – abgesehen von einem Teil der Nebenforderung und einem weiteren Zahlungsbegehren in Höhe von 60, — DM für außergerichtliche Mahnkosten – stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte lediglich in Höhe von 9. 614, 76 DM Erfolg. In Höhe dieses Betrages hat das Berufungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die diesen Positionen entsprechenden Arbeiten nicht ausgeführt. Das weitergehende Rechtsmittel des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf volle Klagabweisung weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung dem Grunde nach zu. Zwischen den Parteien ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein auf die Herstellung einer individuell gestalteten Ladeneinrichtung aus von der Klägerin zu liefernden Teilen gerichteter Vertrag geschlossen worden, der sich als Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache darstellt und den Beklagten nach den §§ 651 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

b) Die Berechnung dieser Vergütung durch das Berufungsgericht greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an.

aa) Zu Unrecht macht sie in diesem Zusammenhang sinngemäß geltend, das Berufungsgericht habe bei seiner Berechnung die von der Klägerin genannten Zahlen schon deshalb nicht zugrunde legen dürfen, weil diese die Klagforderung nicht in voller Höhe schlüssig dargelegt habe, da die Addition der einzelnen Positionen aus der von ihr eingereichten Computerliste zu einem hinter der Klagforderung zurückbleibenden Betrag führe. Mit dieser Rüge verkennt die Revision, daß das Berufungsgericht die Vergütung nicht im Wege einer solchen Addition von Einzelpositionen bestimmt hat, sondern von einem Gesamtpreis ausgegangen ist, der weder bei der Auftragsvergabe noch in der erteilten Rechnung aufgeschlüsselt wurde und daher als Pauschalpreis in Erscheinung trat. Dieses Vorgehen des Berufungsgerichtes ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und erfordert keine nähere Begründung, da der Beklagte die rechnerische Richtigkeit der Klagforderung insoweit ausweislich des Berufungsurteils nur in einzelnen Punkten, nicht aber in der vorhergehenden Bestimmung der Gesamtsumme als solcher beanstandet hat. Die eingereichte Liste hat das Berufungsgericht demgemäß folgerichtig nur herangezogen, um den Wert solcher Leistungen zu bestimmen, die die Klägerin nicht erbracht hat und für die sie daher Zahlung nicht verlangen könne. Die so ermittelten Beträge hat es sodann von dem von ihm als maßgeblich angesehenen Gesamtpreis abgezogen. Daß ihm dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist, zeigt die Revision nicht auf.

bb) Fehl geht auch die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe nicht offenlassen dürfen, ob die Klägerin die unter den Positionen 8 und 60 ihrer Aufstellung genannten Leistungen erbracht habe, sondern diese ebenfalls absetzen müssen.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts kam es auf diese Leistungen nicht an, weil sie nicht dem Beklagten, sondern dem von diesem eingeschalteten Leasingunternehmen in Rechnung gestellt und von jenem bezahlt worden sind. Diese Bewertung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

a1) Ein auf eine mangelnde Vertragserfüllung gestütztes Leistungsverweigerungsrecht steht dem Beklagten insoweit auch dann nicht zu, wenn er sich – wozu Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen – bei der Entgegennahme der Leistung insoweit seine Rechte vorbehalten haben sollte. Hinsichtlich dieser von ihm als ausstehend gerügten Leistungen war nicht er Gläubiger des zugrundeliegenden Anspruchs, sondern sein Partner aus dem Leasinggeschäft, der diese Leistung benötigte, um seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten nachkommen zu können. Unbeschadet der Konstruktion des Leasinggeschäftes im einzelnen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 9. 5. 1990 – VIII ZR 222/89, MDR 1991, 41) kann der Beklagte daher im Verhältnis zur Klägerin aus dem Ausstehen dieser Leistungen unmittelbar Rechte nicht herleiten. Der Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe eine Abtretung der seinem Vertragspartner im Leasinggeschäft zustehenden Ansprüche nicht dargelegt, tritt die Revision nicht entgegen.

b1) Dem Berufungsgericht ist weiter darin beizupflichten, daß wegen des Ausstehens dieser Leistungen auch Schadensersatzansprüche des Beklagten gegen die Klägerin nicht festgestellt werden können. Diese scheitern hier schon daran, daß der Beklagte in diesem Zusammenhang den endgültigen Eintritt eines Schadens nicht schlüssig dargelegt hat.

Soweit die Revision eine solche Einbuße daraus ableitet, daß der Beklagte Leasingraten zahlen müsse, ohne von seinem Vertragspartner die volle Gegenleistung zu erhalten, übersieht sie, daß insoweit der Annahme eines Schadens derzeit schon entgegensteht, daß der Beklagte von seinem Vertragspartner im Leasinggeschäft Erfüllung des mit diesem geschlossenen Vertrages verlangen kann. Danach steht ihm gegen diesen auch ein Anspruch auf Überlassung der nach seiner Darstellung durch die Klägerin nicht geleisteten Gegenstände zu. Wird der Leasingvertrag nicht erfüllt, kann der Beklagte die ihm für den Fall der Unvollständigkeit oder Mangelhaftigkeit der nach dem Leasingvertrag geschuldeten Leistung zustehenden Rechte geltend machen.

Daß diese im vorliegenden Fall ausgeschlossen sind, ist nicht ersichtlich. Einen Haftungsausschluß durch den Leasinggeber hat der Beklagte nicht behauptet. Zudem bestünden gegenüber der Wirksamkeit eines solchen Ausschlusses, der allenfalls bei der gleichzeitigen Abtretung der Ansprüche gegen den Lieferanten in Betracht kommen dürfte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.02. 1986 – VIII ZR 91/85, NJW 1986, 1744 [BGH 19.02.1986 – VIII ZR 91/85]), mit Rücksicht auf die Feststellung des Berufungsgerichts rechtliche Bedenken, daß eine Abtretung nicht dargelegt sei. Ebensowenig sind Anhaltspunkte dafür zu erkennen, daß dem Beklagten im Verhältnis zum Leasinggeber die Berufung auf die Unvollständigkeit etwa aufgrund einer eigenen Ersatzhaftung diesem gegenüber deshalb verwehrt wäre, weil er der Klägerin für den Leasinggeber die Vollständigkeit ihrer Leistung bestätigt und sich deshalb insoweit schadensersatzpflichtig gemacht hätte. Auch die Revision trägt in dieser Hinsicht nichts vor.

2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht schließlich die Fälligkeit der von der Klägerin geltend gemachten Forderung zugrunde gelegt. Von dem Vorliegen der hierfür erforderlichen Abnahme (§§ 651, 641, 640 BGB) ist schon mit Rücksicht auf die Eröffnung und den Betrieb des Ladengeschäftes durch den Beklagten auszugehen. In diesem, zwischen den Parteien unstreitigen Verhalten ist – wie regelmäßig in der Benutzung des Werkes – zumindest eine konkludente Billigung des Werkes zu sehen, die die Voraussetzungen der Abnahme nach § 640 BGB erfüllt. Für einen – etwa mit Rücksicht auf die nach Darstellung des Beklagten noch ausstehenden Leistungen – ausgesprochenen Vorbehalt, der eine solche Abnahme ausschließen könnte, ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

II.

1. Der damit in Höhe der Klagforderung entstandene Werklohnanspruch der Klägerin ist nach Auffassung des Berufungsgerichts durch die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung nicht erloschen. Die von diesem geltend gemachten Schadensersatzansprüche hätten keine Berücksichtigung finden können, weil auch insoweit ein Schaden nicht schlüssig dargelegt, jedenfalls aber nicht zu ermitteln sei. Habe die Klägerin den Beklagten – wie dieser behaupte – durch ihre Standortanalyse getäuscht, stehe ihm zwar frei, sich vom Vertrag zu lösen und im Zuge der Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen auch Ersatz seiner Aufwendungen zu verlangen. Halte er jedoch – wie hier – an dem Vertrag fest, sei ihm eine Berechnung verwehrt, bei der er als Schaden einfach alle seine Aufwendungen in Ansatz bringe. Allenfalls könne er in diesem Fall Ausgleich des Mehraufwandes verlangen. Umstände, die eine Schätzung des möglichen Schadens nach § 287 ZPO zuließen, seien durch ihn nicht dargelegt worden.

2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der Berechnung eines möglichen Schadens des Beklagten nicht dessen durch die Standortanalyse geweckten, im Ergebnis aber enttäuschten Gewinnerwartungen zugrunde gelegt werden können. Deren Ersatz hätte der Beklagte nur dann verlangen können, wenn die Klägerin ihm zum Ausgleich des positiven Interesses verpflichtet wäre. Für einen solchen Anspruch hat das Berufungsgericht in den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen keine Grundlage gefunden; die dem zugrundeliegende Auslegung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision, die diese Interpretation ohne Begründung zur Überprüfung stellt, zeigt einen solchen nicht auf.

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb der Ladeneinrichtung in der Filiale verneint. Zwar ist ihm darin beizupflichten, daß der Beklagte nicht Ersatz seiner Aufwendungen für den Erwerb der Ladeneinrichtung verlangen kann, ohne sich die mit dieser verbundenen Vorteile bei der Schadensermittlung anrechnen zu lassen. Seiner weiteren Annahme, dem Beklagten sei diese Berechnung schon deshalb verwehrt, weil er sich für ein Festhalten an dem Vertrag entschieden habe, fehlt jedoch derzeit eine tragfähige tatsächliche Grundlage. Soweit es sich in diesem Zusammenhang darauf stützt, daß der Beklagte das Ladengeschäft mit der bei der Klägerin erworbenen Einrichtung weiter betreibt, ist der daraus gezogene Schluß nicht zwingend. Zu Recht hat die Revision darauf hingewiesen, daß dieses Verhalten auch auf der – etwa mit Rücksicht auf die Dauer des abgeschlossenen Mietvertrages – wirtschaftlich naheliegenden Überlegung beruhen kann, daß bei einer Einstellung des Betriebes höhere Verluste entstünden als bei einer Fortsetzung des Geschäftsbetriebes, so daß diese mithin auch im Interesse einer Schadensminderung geboten wäre. Diesen Grund hatte der Beklagte mit der Klageerwiderung vorgetragen und mit dem Hinweis, daß er deshalb das Geschäft derzeit weiterbetreibe, auch eine gewisse Vorläufigkeit seiner Maßnahme zum Ausdruck gebracht. Bei dieser Sachlage kann allein aus der Fortsetzung des Geschäftsbetriebes durch ihn auf einen Willen, die Ladeneinrichtung über die von ihm behauptete Notwendigkeit einer Schadensminderung hinaus auf Dauer zu behalten, nicht geschlossen werden. Daß er etwa bei einer Ersatzleistung der Klägerin in Höhe seiner Aufwendungen zur Rückgabe der Einrichtung nicht bereit ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Von einem solchen Rückgabeverlangen hat die Klägerin, wie die Revision mit Recht bemerkt, bislang Ersatzleistungen an den Beklagten auch nicht abhängig gemacht.

c) Von Rechtsfehlern beeinflußt ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten könne für einen durch das Standortgutachten verursachten Schaden in Form des Mehraufwandes Ersatz nicht zuerkannt werden, da es insoweit an ausreichenden Schätzungsgrundlagen fehle.

aa) Nach dem mangels abweichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren zugrundezulegenden Vorbringen des Beklagten ist diesem durch eine schuldhafte falsche Beratung seitens der Klägerin jedenfalls ein Schaden in der Form entstanden, daß er sich zum Kauf einer Ladeneinrichtung entschlossen hat, für die in diesem Umfang kein vernünftiger Bedarf bestand, die aus den Einnahmen des Geschäftes nicht zu bezahlen war und die er daher in Kenntnis des wahren Sachverhalts jedenfalls so nicht erworben hätte. Damit ist jedenfalls ein Schaden in Form eines Mehraufwandes dargelegt. Für diesen ist ohne Bedeutung, ob der Wert der dem Beklagten gelieferten Einrichtungen seinen Aufwendungen entsprach; soweit – wie hier – der Ersatz des Vertrauensschadens in Frage steht, kann dieser nicht nur dadurch ausgeglichen werden, daß der darauf geschlossene Vertrag rückgängig gemacht wird. Der Geschädigte kann vielmehr auch Ersatz in Höhe des durch die Täuschung seitens des Vertragspartners verursachten zusätzlichen und unnötigen Aufwandes verlangen (BGH, Urt. v. 05. 10.1988 – VIII ZR 222/87, NJW-RR 1989, 306 u. Urt. v. 08. 12. 1988 – VII ZR 83/88, NJW-RR 1989, 1161), wobei unerheblich sein kann, ob der andere Teil zu einem solchen Abschluß bereit gewesen wäre.

bb) Da das Berufungsgericht eine Haftung der Klägerin dem Grunde nach unterstellt hat, standen damit Haftungsgrund und Schadenseintritt fest. In einem solchen Fall darf nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von der Zubilligung eines Ersatzes grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Schadens nach § 287 ZPO fehlt. Auch wenn damit der Sachverhalt nicht vollen Umfangs erschöpft wird, ist vielmehr zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für die Schätzung zumindest eines in jedem Fall eingetretenen Mindestschadens bietet (BGH, Urt. v. 16.03. 1959 – III ZR 20/58, NJW 1959, 1079; v. 16. 12. 1963 – III ZR 47/63, NJW 1964, 589; v. 05.07. 1967 – VIII ZR 64/65, BB 1969, 651; v. 05.05. 1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45, 55; v. 22. 10.1987 – III ZR 197/86, NJW-RR 1988, 410; v. 22. 11. 1987 – VII ZR 376/85, NJW-RR 1987, 797 u. v. 23. 10.1991 – XII ZR 144/90, NJW-RR 1992, 202). § 287 ZPO erleichtert dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegung (BGH, Urt. v. 24.09. 1986 – IVa ZR 236/84, BGHR ZPO § 287 – Substantiierung 1; v. 23. 10.1991 – XII ZR 144/90 aaO). Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf mithin nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGHZ 91, 243 [BGH 22.05.1984 – III ZR 18/83]; BGH, Urt. v. 22. 10.1987 – III ZR 197/86 aaO).
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cc) Anhaltspunkte für eine Schätzung in diesem Sinne bot hier schon die Überlegung, daß der Beklagte nach seiner – insoweit mangels abweichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichtes im Revisionsverfahren zugrundezulegenden – Darstellung eine Ladeneinrichtung erworben hatte, die er so nicht benötigte, und damit nutzlose Aufwendungen in Höhe des dafür entrichteten Preises hatte. Ob und in welchem Umfang diese durch mit der Nutzung verbundene Vorteile kompensiert wurden, hatte nicht er, sondern die Klägerin darzulegen. Daneben konnten für eine Schadensermittlung die nach dieser Darstellung ebenfalls nutzlosen Aufwendungen gegenüber Dritten – wie dem Leasingunternehmen, dem Vermieter der Geschäftsräume und den neben der Klägerin beschäftigten Handwerkern – einbezogen werden. Ein weiterer möglicher Ansatz für eine Schadensschätzung ergab sich hier – wie die Revision mit Recht geltend macht – aus dem Vorbringen des Beklagten zur Divergenz zwischen den nach dem Gutachten der Klägerin zu erwartenden und den tatsächlich eingetretenen Umsätzen, die auch einen Anhaltspunkt für die Bemessung der auf der Täuschung des Beklagten durch eine fehlerhafte Standortanalyse verursachten Schadens bilden kann. Schließlich hätten in diesem Zusammenhang auch die zwischen den Parteien vor Vertragsschluß geführten Verhandlungen, insbesondere die dem Beklagten offerierten Alternativen einer Ladeneinrichtung und die damit verbundenen Preisunterschiede herangezogen werden können. Im übrigen hätte der Beklagte – wie die Revision ebenfalls zu Recht rügt – nicht nur – wie im Termin vom 6. November 1991 nach dem Inhalt des Protokolls in allgemeiner Form geschehen – auf die Notwendigkeit weiterer Substantiierung seiner Ausführungen hingewiesen werden müssen (BGH, Urt. v. 23.01. 1987 – VII ZR 376/85, NJW-RR 1987, 797); vielmehr hätte das Berufungsgericht gegebenenfalls vor einer vollständigen Abweisung der Klage auch über den Sachvortrag hinaus in eine Aufklärung durch Sachverständigengutachten zu den Kosten einer nach Lage der Dinge angemessenen Ladeneinrichtung eintreten müssen (vgl. § 144 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu BGH, Urt. v. 24.06. 1968 – III ZR 37/66, VersR 1968, 987).
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dd) Die unterbliebene Schätzung nachzuholen, ist dem Senat im gegenwärtigen Verfahrensstand schon deshalb verwehrt, weil die – weil für den Beklagten weiterführend – vorrangige Schadensberechnung auf der Grundlage seiner Aufwendungen weiterer Aufklärung bedarf und deshalb nicht abschließend geprüft werden kann. Darüber hinaus kann sie als dem Tatrichter übertragene Aufgabe in der Revisionsinstanz allenfalls dann erfolgen, wenn zu den Schätzgrundlagen abschließende Feststellungen getroffen sind. Das ist hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – auf den entsprechenden Sachvortrag der Parteien nicht mehr eingegangen ist.

III.

Das angefochtene Urteil kann im Revisionsverfahren auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, daß der von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellte Anspruch schon dem Grunde nach nicht besteht. Nach seiner Darstellung, zu der das Berufungsgericht Feststellungen nicht getroffen hat und die mithin im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, stand die Standortanalyse der Klägerin im Zusammenhang mit dem in Aussicht genommenen Erwerb einer Ladeneinrichtung bei dieser. Sie sollte der Vorbereitung der Niederlassung des Beklagten dienen und damit die Voraussetzungen schaffen, unter denen es zu einer Bestellung bei der Klägerin kommen konnte. Soweit ihr nicht, was nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden ist, ohnehin ein eigenständiger Vertrag zugrunde gelegen hat oder sie als Bestandteil eines einheitlichen, Beratung und Lieferung der Ladeneinrichtung einschließenden Vertrages zu verstehen sein sollte, trifft die Klägerin insoweit eine Haftung zumindest nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß. Auf der Grundlage der Darstellung des Beklagten drängt sich auf, daß zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Erstellung der Standortanalyse jedenfalls eine außervertragliche, von besonderem Vertrauen gekennzeichnete Sonderbeziehung zustande gekommen ist.

Nach den Ausführungen des Beklagten hat die Klägerin die Analyse für ihn im Zusammenhang mit den zwischen den Parteien mit dem Ziel des Abschlusses entgeltlicher Verträge aufgenommenen Kontakten – die dann letztendlich zur Bestellung der Ladeneinrichtung bei der Klägerin führten – erstellt. Dabei mußte auch ihr klar sein, daß der Beklagte auf die Ergebnisse ihrer Stellungnahme vertraute, die nach seinem Vorbringen zumindest erhebliches Gewicht bei seiner Standortentscheidung haben sollte und damit für den von ihr abgedeckten Bereich den Charakter einer gutachterlichen Äußerung gewann. Daß die Klägerin dieses Vertrauen auch hat in Anspruch nehmen wollen, entspricht der Lebenserfahrung, zumal der zeitliche Zusammenhang mit der entgeltlichen Bestellung der Einrichtung und den in deren Vorfeld gepflogenen Verhandlungen dafür spricht, daß die Klägerin die Analyse – sollte dem ein entsprechender Vertrag nicht zugrunde gelegen haben – erstellt hat, um den Beklagten für einen Abschluß des Werklieferungsvertrages zu gewinnen.

Die damit auch bei Fehlen einer auf die Erstellung eines solchen Gutachtens gerichteten Vereinbarung jedenfalls aus dieser besonderen Vertrauensbeziehung fließenden Schutzpflichten hat die Klägerin dann verletzt, wenn sie – wovon mangels abweichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts zu den entsprechenden Behauptungen des Beklagten im Revisionsverfahren auszugehen ist – die Analyse unsorgfältig erstellt hat und deshalb zu unrichtigen Ergebnissen und insbesondere einer falschen Einschätzung des zu erwartenden Gewinns gelangt ist. Das führt, da diese Einschätzung nach der bislang nicht widerlegten Darstellung des Beklagten eines seiner wesentlichen Motive für den Erwerb dieser, dem tatsächlichen Umsatz nicht angemessenen Einrichtung gewesen ist, zur Ersatzhaftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, in deren Rahmen der Beklagte als Ersatz seines negativen Interesses auch Ausgleich des Vertrauensschadens verlangen kann.

Urteilsliste “§ 287 ZPO – Beweiserleichterung” zum Download >>>>>

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