Es hat gekracht. Das Auto kommt an den Abschlepphaken und ab geht es in die Werkstatt. Rund 2,4 Millionen Mal Autofahrern in Deutschland passiert dieses Malheur pro Jahr – und für 2,4 Millionen Unfallgeschädigte beginnt damit meistens der Ärger – Haftpflichtversicherung hin oder her. Hauptproblem: Die Schuldfrage.
http://www3.mdr.de/plusminus/280502/index_280502_3.html
Martin Lindt hat Ärger mit seiner Haftpflichtversicherung. Er hatte einen Autounfall. Unverschuldet – wie er meint. Und das kam so: Vorschriftsmäßig hielt er an einem Stopschild, schaute zuerst nach links, dann nach rechts. Er sieht, dass die Vorfahrtsstraße frei ist und fährt los. Noch nicht in der Mitte angekommen, schießt von der gegenüberliegenden Tankstelle ein Auto quer über die Kreuzung und trifft ihn mitten auf der Straße. Was wie eine klare Sache aussah, endet für ihn in einem komplizierten Rechtsstreit. Ohne seinen Anwalt geht gar nichts mehr. Denn der Unfallgegner behauptet, er habe Recht, weil er sich auf einer Vorfahrtsstraße befunden habe. Doch der Richter vom Amtsgericht stellte das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Martin Lindt zu Lasten der Staatskasse ein.
Dann die Überraschung: Lindts Versicherung, die HUK Coburg, bezahlte von der gegnerischen Forderung von 1046 Euro 600 Euro. Jochen Pamer, Lindts Rechtsanwalt:
"Obwohl ich der Versicherung meines Mandanten alles erklärt habe, hat sie dennoch ohne Rücksprache mit uns einen Teilbetrag an den Gegner bezahlt."
Für die HUK Coburg scheint die Zahlung der 600 Euro ein gutes Geschäft zu sein. Denn mit der Anerkennung der Mitschuld rutscht Lindt von der Schadenfreiheitskasse 14 in die Schadenfreiheitsklasse 6. Erst in acht Jahren hat er seinen heutigen Schadenfreiheitsrabatt wieder erzielt. Das kostet ihn 1127, 26 Euro. Das heißt für die HUK: In acht Jahren eine Mehreinnahme von 503,21 Euro.
Das Vorgehen der HUK Coburg scheint nicht ungewöhnlich zu sein. So gibt es bei 2,4 Millionen Schadensfällen pro Jahr fast 4 Millionen Rückstufungen des Schadenfreiheitsrabatts. Das heißt: Es trifft bei jedem Unfall fast immer beide. Die Schuldzuweisungen der Versicherungen aus eigener Machtbefugnis addieren sich so zu einem Millionengeschäft.
Rechtsanwalt Pamer beobachtet das Verhalten der Autoversicherer seit Jahren. Bei seinen Recherchen ist er dabei auf eine neue Versicherungsmethode gestoßen, die den Kunden jetzt endgültig der Versicherung ausliefern würde. Es begann damit, dass sich ein Freund für den neuen Vaneo von DaimlerChrysler interessierte, der seit Februar bei den Händlern angeboten wird. Der Freund brachte einen Prospekt mit und auch Jochen Pamer war von dem Auto angetan. Im Prospekt entdeckten sie ein spezielles Versicherungspaket – extra für den Vaneo geschnürt. Im Internet finden sie das verlockendes Angebot: Den Mercedes unter den Versicherungen. Jochen Pamer:
"Daraufhin habe ich ein Angebot der Frankfurter Versicherungs AG bekommen) einer hundertprozentigen Tochter der Allianz. Ich habe dann die Antwort in einem Telefonat bekommen) dass es noch keine Versicherungsbedingungen gibt, es gebe allerdings einen interne Arbeitsanweisung die vertraulich sei, man könne mir diese aber zukommen lassen, wenn ich sie auch vertraulich behandele. Ich habe dann dieses Papier von der DaimlerChrysler-Services bekommen."
Die Versicherung wirbt in diesem Papier mit dem besonderen Service der sogenannten Direktregulierung. Wir wollten von der Allianz wissen, was sich dahinter für den Kunden verbirgt. Klaus Schmidtke, Allianz:
"Direktregulierung hat den Zweck, dem Autofahrer das Leben ein bisschen einfacher zu machen. Und zwar in soweit, dass er, wenn er einen Unfall erleidet, an dem der Unfallgegner Schuld hat, oder haftet, er die Regulierung dieses Schadens seinem eigenen Versicherer überlassen kann, der dann den Unfallgegner so behandelt, als ob er bei der eigenen Versicherung Haftpflicht versichert wäre."
Das heißt also: Wenn ich als Kunde einen unverschuldeten Unfall erleide, muss ich mich nicht mehr – wie bisher – mit der gegnerischen Versicherung streiten. Sondern ich wende mich an meine eigene Haftpflichtversicherung und die erstattet mir dann die Kosten meines Schadens. Meine Versicherung setzt sich dann ohne mein Zutun mit der gegnerischen Versicherung auseinander und holt die Kosten für den Schaden zurück.
Klingt verlockend. Doch Rechtsanwalt Pamer hat im Kleingedruckten einen entscheidenden Nachteil entdeckt:
"Im Endeffekt habe ich diesen Bestimmungen entnommen, dass der Geschädigte hier auf seinen Rechtsanwalt der ihm zusteht und auch auf einen Sachverständigen verzichtet."
Auf die Frage, ob das auch ein Laie erkennen könne, antwortet Pamer: –
"Das können Sie als Laie nicht erkennen, sie müssten hier die einzelnen Paragraphen kennen."
Der Versicherungsvertrag bezieht sich hierbei auf die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung. Im Paragraf 13 ist geregelt, dass die Versicherung den Sachverständigen nur dann zahlt, "wenn die Beauftragung des Sachverständigen vom Versicherer veranlasst oder mit ihm abgestimmt war". Mit der Vaneo- Direktregulierung von Daimler Chrysler würde der Kunde zudem seine Ansprüche an die Versicherung abtreten und somit Gefahr laufen, auf einen Teil seiner Kosten sitzen zu bleiben. Deswegen sieht der Bundesverband der Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen in der Direktregulierung vor allem eine Bereicherung der Versicherungen – auf Kosten der Geschädigten. Rechtsanwalt Edgar Fuchs:
"Wir vertreten die Auffassung, dass das Direktregulierungssystem der Allianz in weiten Teilen rechtswidrig ist. Insbesondere wird der geschädigte Autofahrer erheblich benachteiligt, er hat nicht mehr die Möglichkeit, den KFZ-Sachverständigen oder den Anwalt mit der Durchsetzung seiner Interessen zu beauftragen."
Das heißt: Wenn Autofahrer wie Martin Lindt sich heute schon gegen das Vorgehen der Haftpflichtversicherung wehren müssen, würde dies mit der Direktregulierung wohl noch schwerer werden.
Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag von [plusminus] vom 28. Mai 2002 wieder.
Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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Hallo Herr Gensert,
Daimler-Chrysler wurde für diesen Versuch der Direktregulierung sowie die Art der Bewerbung ja auch schon abgemahnt. Nachlesbar auf der Homepage des BVSK – Pressearbeit – Rechtsanwälte.
Die Misere mit der Teil-/Halb-/Viertel oder was auch noch immer Mitschuld erlebe ich auch immer wieder. Es ist für die Versicherer natürlich lukrativ, beide Unfallbeteiligte mit dem Verlust des Schadensfreiheitsrabatt ins Boot zu bekommen.
Freilich steht es einem dann ja frei, eine Gegenüberstellung der Kosten für den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts und der Zahlsumme der eigenen Versicherung zu machen um dann zu entscheiden, was teurer kommt. Dann kann man den Schaden seiner Versicherung ja ausgleichen und wird nicht hochgestuft. Aber wer schüttelt heute so auf die Schnelle mal, wie hier beschrieben, nebenher 600 Euro im Monat aus der Tasche.
Mfg. K. Stoll
Fettisch.de: Laut Vorstandschef Michael Diekmann (51) hat die Allianz keinen Platz für Sozialschmarotzer, er wird 7500 Hartz IV’lern in Spe kündigen sagt er. (Grafik zur freien Verwendung)
Vorstandschef Michael Diekmann sollte wenn diese Aussage wirklich von ihm ist als erster die Klinke in die Hand nehmen.
Warum die Allianzmitarbeiter nicht bereits in einen unbefristeten Streik getreten sind ist mir ein Rätsel.
Ist das wirklich kein Fake?
Hat er das gesagt???