Der VII. Zivilsenat des BGH verneint mit Beschluss vom 11.4.2013 – VII ZB 32/12 – die Frage der Befangenheit eines Sachverständigen.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch eine weitere Entscheidung des BGH zu der Frage der Befangenheit von Sachverständigen vor. Es handelt sich dabei um einen Beschluss des BGH zur Befangenheit eines Sachverständigen, bei dem die Befangenheit gerade nicht festgestellt wurde. So etwas soll es auch geben.  Lest selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZB 32/12

vom

11. April 2013

in dem Rechtsstreit

Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.

BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – VII ZB 32/12 – OLG Stuttgart
.                                                                                       LG Stuttgart

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick, den Richter Kosziol und den Richter Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Architekt, verlangt von dem beklagten Bauherrn restliches Architektenhonorar.

Der Sachverständige E. hat im Auftrag des Landgerichts unter dem 10. September 2008 ein schriftliches Gutachten erstellt und dieses im Hinblick auf Einwendungen des Beklagten unter dem 30. September 2009 ergänzt. Es sollte geklärt werden, ob die Honorare für die Architektenleistungen des Klägers inklusive Entwässerungsgesuch für das Bauvorhaben des Beklagten entsprechend den Rechnungen des Klägers vom 3. Mai 2005 unter Anwendung von § 20 HOAI zutreffend ermittelt worden seien.

Ein erstes Gesuch des Beklagten, den Sachverständigen abzulehnen, hat das Landgericht wegen Verspätung für unzulässig erklärt.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 hat das Landgericht die Anhörung des Sachverständigen für den 5. März 2012 angeordnet. Der gerichtlichen Aufforderung entsprechend hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 16. Februar 2012 die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen formulieren lassen.

Im Rahmen seiner Anhörung hat der Sachverständige Fotografien vorgelegt, die er Ende Februar 2012 vom Außenbereich des Anwesens des Beklagten gefertigt hatte und dazu Ausführungen gemacht. Diese hat der Beklagte zum Anlass genommen, den Sachverständigen erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Er hat insbesondere geltend gemacht, der Sachverständige habe ohne Auftrag des Gerichts und ohne Benachrichtigung der Parteien einen Ortstermin im Anwesen des Beklagten durchgeführt, dabei die vorgelegten Fotos gefertigt und diese bei seiner Anhörung zum Nachteil des Beklagten verwertet.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch teils als unzulässig verworfen und im Übrigen für unbegründet erklärt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Ablehnungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, ein Grund, den Sachverständigen abzulehnen, bestehe nicht. Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertige die Ablehnung eines Sachverständigen nicht, weil die Parteien nicht unterschiedlich behandelt würden. Mit der Durchführung einer Ortsbesichtigung und der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse habe der Sachverständige zwar seinen Auftrag eigenmächtig überschritten. Dies allein rechtfertige aber nicht die Ablehnung wegen Befangenheit, sofern nicht besondere Umstände hinzukämen. Nach den aus der Akte ersichtlichen Umständen sei der Sachverständige über seinen Auftrag hinaus in der irrigen Annahme tätig geworden, dem Gericht eine Entscheidung in der Sache zu erleichtern. Damit allein sei ein einseitiges Vorgehen zu Lasten einer der Parteien nicht verbunden. Dass die überschießenden Feststellungen des Sachverständigen zu Ungunsten einer der beiden Parteien gingen, sei mit jeder Beweisaufnahme verbunden und rechtfertige nicht den Schluss auf ein ungerechtfertigtes einseitiges Vorgehen zu Lasten einer Partei, solange nicht erkennbar sei, dass die Überschreitung des Gutachterauftrags von vornherein aus einer einseitigen Belastungsabsicht des Sachverständigen heraus erfolgt sei. Ein solcher Fall sei hier auch unter Berücksichtigung der früheren Entgegennahme von Plänen und anderen Unterlagen unmittelbar vom Kläger und der Rechtsausführungen des Sachverständigen nicht festzustellen.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

a) Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2 ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschluss vom 15. März 2005 – VI ZB 74/04, BauR 2005, 1205 m.w.N.; vgl. auch zur Richterablehnung: BGH, Beschluss vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW2012, 1890).

b) Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachterauftrag in einer Weise erledigt, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden kann. Eine solche unsachliche Grundhaltung kann sich daraus ergeben, dass der Gutachter Maßnahmen ergreift, die von seinem Gutachterauftrag nicht gedeckt sind.

So ist die Besorgnis einer Befangenheit des Sachverständigen aus der Sicht einer Partei als gerechtfertigt gewertet worden, wenn dieser in seinem die Grenzen seines Auftrags überschreitenden Gutachten den Prozessbeteiligten den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits aufgezeigt hat (OLG Köln, GesR 2012, 172; OLG Rostock, Beschluss vom 5. Oktober2010 -3 W153/10, Juris Rn. 3; OLG Jena, FamRZ 2008, 284; OLG Celle, NJW-RR 2003, 135; OLG München, OLGR München 1997, 10). Ebenso ist das Befangenheitsgesuch gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen als begründet angesehen worden, der seinen Gutachterauftrag dadurch überschritten hat, dass er eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung vorgenommen und seiner Beurteilung nicht die vorgegebenen Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1087) oder das Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht hat, statt die ihm abstrakt gestellte Beweisfrage zu beantworten (OLG Köln, NJW-RR 1987, 1198).

Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden (OLG München, Beschluss vom 19. September 2011 – 1 W 1532/11, juris Rn. 9; vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 25. Mai 2010 -13 Verg 7/10, juris).

c) Ohne Rechts- und Verfahrensfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Antrag, den Sachverständigen E. wegen Befangenheit abzulehnen, unbegründet sei, weil in dessen Verhalten keine Belastungstendenzen zu Lasten des Beklagten erkennbar gewesen seien.

aa) Das gilt zunächst für den Umstand, dass der Sachverständige E. nach Erstellung des schriftlichen Gutachtens Fotos vom Anwesen des Beklagten gemacht hat. Auch wenn diese Fotos im Zeitpunkt ihrer Erstellung für das Gutachten nicht notwendig waren, rechtfertigt das nicht die Besorgnis des Beklagten, der Sachverständige E. habe zu diesem Zeitpunkt eine ihn benachteiligende Absicht verfolgt. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sachverständige auch dann Fotos von Örtlichkeiten machen, wenn und soweit der Gutachterauftrag dies nicht erfordert. Solche Fotos dienen dem Sachverständigen häufig als Erinnerungsstütze und können im übrigen im Prozess hilfreich sein, wenn es darum geht, die örtliche Situation zu veranschaulichen, etwa weil dies für die Beurteilung des Gerichts sinnvoll ist oder sich der Fragenkatalog in der mündlichen Verhandlung erweitert. Solange der Sachverständige diese Fotos nicht fertigt, um bestimmte Tatsachen außerhalb seines Gutachterauftrags zu Lasten einer Partei festzuhalten, kann regelmäßig keine Partei den Schluss ziehen, der Sachverständige trete ihr nicht unvoreingenommen gegenüber.

bb) Bedenklich kann es allerdings sein, wenn der Sachverständige solche Fotos ohne Kenntnis der Parteien macht und dabei das Anwesen einer Partei ohne deren Einwilligung betritt, was im Rechtsbeschwerdeverfahren zugunsten des Beklagten unterstellt werden muss. Allerdings bedeutet dieses Verhalten auch aus der Sicht des verständigen nicht informierten Besitzers des Anwesens nicht ohne weiteres, dass es sich tendenziell gegen ihn richtet. Auch insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, das Verhalten lasse keine ausreichenden Belastungstendenzen erkennen, ist noch vertretbar. Der Beklagte musste den Umstand, dass der Gutachter nicht notwendige Fotos machte, nicht als Verhalten werten, mit dem ihm gegenüber eine Voreingenommenheit des Sachverständigen zum Ausdruck kam. Auch aus seiner Sicht kam damit nur ein besonderes Interesse des Sachverständigen an dem Gutachterauftrag zum Ausdruck, das parteineutral eine überschießende Ermittlungstendenz zur Folge hatte. Der besondere Eifer eines Sachverständigen rechtfertigt für sich gesehen auch dann noch nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn er Fotos ohne Kenntnis und ohne grobe Verletzung der Privatsphäre oder des Eigentums einer der Parteien macht. Eine grobe Verletzung der Privatsphäre oder des Eigentums des Beklagten war mit dem Betreten seines Grundstücks zur Fertigung der Lichtbilder nicht verbunden. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Sachverständige längere Zeit auf dem Grundstück aufgehalten hat, gibt es nicht.

cc) Soweit der Sachverständige auf der Grundlage dieser Lichtbilder Angaben zu der tatsächlichen Ausführung und der zugrunde liegenden Planung gemacht hat, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es gerade der Beklagte war, der mit Schriftsatz vom 16. Februar 2012 auf die tatsächliche Ausführung des Bauvorhabens im Vergleich zur Planung des Klägers abgestellt hat, in dem erfolgende Fragen an den Sachverständigen formulieren ließ:

Hat sich der Sachverständige überhaupt mit der Frage befasst, wie das Bauwerk von dem Beklagten tatsächlich hergestellt wurde und wie viel es ihn gekostet hat?

Welche Planung hat der Beklagte bei der Herstellung seines Hauses verwirklicht? War es die erste Planung vom 3. April 2001 oder die zweite Planung vom 12. Mai 2004?

Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen konnten sich aus Sicht des Beklagten auch nicht aus den Folgerungen ergeben, die der Sachverständige aus den auf den Lichtbildern festgehaltenen tatsächlichen Gegebenheiten gezogen hat. Der Sachverständige ist ausweislich seines Gutachtens vom 10. September 2008 und seines Ergänzungsgutachtens vom 30. September 2009 davon ausgegangen, dass der Kläger nach dessen Ausführungen und denjenigen des Beklagten auch Stützmauer und Einfriedung zu planen hatte. Dementsprechend hat er auch bei seiner Anhörung unter Bezugnahme auf sein Gutachten ausgeführt, dass der Architekt auch ohne ausdrücklichen Auftrag für Freianlagen bestimmte Außenanlagen planen müsse. Die Außenanlagen hat der Sachverständige daher – entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde – nicht aufgrund der bei seiner Ortsbesichtigung getroffenen Feststellungen zum Nachteil des Beklagten bewertet und hierfür Kosten angesetzt, sondern bereits in seinem zuvor erstellten schriftlichen Gutachten erfasst. Soweit sich der Sachverständige zu dem „Schwimmteich“ des Beklagten und der fast zwei Meter hohen Stützmauer geäußert hat, hat er keine abschließenden Feststellungen getroffen. Auch aus der Antwort des Sachverständigen auf die Frage, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Garage zunächst so geplant gewesen sei, dass ein Zugang zum Haus neben dem geparkten Pkw nicht mehr möglich gewesen sei, ergibt sich keine Tendenz, den Beklagten zu belasten. Der Sachverständige hat lediglich „eingangs“ ausgeführt, in 32 Jahren Praxis außer diesem nur noch ein weiteres Bauvorhaben erlebt zu haben, das noch großzügiger geplant worden sei. Er hat nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Ausführungen der Garage, sondern aufgrund der Pläne des ersten Baugesuchs die Feststellung getroffen, es sei für ihn absolut kein Planungsfehler sichtbar; die Garagenbreite sei mehr als großzügig.

d) Dem Beschwerdegericht ist damit im Ergebnis zuzustimmen, dass das Vorgehen des Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der früheren Entgegennahme von Plänen und anderen Unterlagen unmittelbar vom Kläger die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                      Safari Chabestari                                             Eick
.                          Kosziol                                                           Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 15.03.2012 -18 0 598/06 –
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.06.2012 -10 W 19/12 –

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